Dr Hannah Neumann
Hannah Neumann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Klaus-Peter S. •

Wann endlich werden die Geflüchteten in der EU fair und solidarisch auf alle EU Länder verteilt? Bisher trägt Deutschland die Hauptlast der Migration nach Europa! Ich vermisse die Solidarität!

Dr Hannah Neumann
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr. S..,

Vielen Dank für Ihre Anfrage.

Wir Grüne setzen uns kontinuierlich dafür ein, dass eine europäische und solidarische Lösung für die Asylfrage gefunden wird. Momentan diskutieren die Grünen/EFA umstrittene Elemente des neuen Pakts für Migration und Asyl, der von der EU-Kommission 2020 vorgeschlagen wurde, um die seit Jahren andauernde Blockade in diesem Politikfeld zu überwinden. Ziel des Vorschlags sind neue effizientere Verfahren an den Außengrenzen und die Überarbeitung der Dublin-Verordnung.

Im Folgenden finden Sie einige Informationen über die Forderungen insbesondere der Grünen/EFA hinsichtlich des neue Pakets für ein gerechteres und effizienteres Gemeinsames Europäisches Asylsystem. So soll eine solidarische Verteilung innerhalb der EU ermöglicht werden, damit u.a. nicht einzelne Länder die Hauptlast tragen müssen.

Bei der Verteilung von Asylbewerber*innen plädieren wir für ein zweistufiges System, das positive Anreize zur Stärkung der Solidarität unter den Mitgliedstaaten schafft. Da viele Städte und Regionen in Europa Bereitschaft zur Aufnahme von Asylbewerber*innen zeigen, ist das System in einem ersten Schritt auf freiwillige Solidarität ausgerichtet. Die EU kann hier unterstützen durch die Übernahme der Kosten. Z.B. könnten aufnahmebereite Kommunen entsprechend der Anzahl der aufgenommenen Asylsuchenden Mittel aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) erhalten. Weitere Anreize für Kommunen und Regionen könnten durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Fonds für regionale Entwicklung geschaffen werden. Somit würden die Gelder sowohl den Asylbewerber*innen als auch der lokalen Bevölkerung zugute kommen, da beide Fonds auch zur Verbesserung der lokalen Infrastruktur wie Schulen oder Nahverkehr genutzt werden können. Wichtig ist uns dabei, dass die Zuteilung der Mittel direkt über die EU abgewickelt wird und nicht über die nationalen Behörden.

Die zweite Stufe beruht auf verpflichtender Solidarität von allen, falls es nicht genügend Zusagen gibt, Geflüchtete aufzunehmen. Nach diesem Prinzip sind Mitgliedstaaten zur Solidarität verpflichtet, allerdings nicht so, dass ihnen Asylsuchende aufgezwungen werden. Stattdessen sollte es für die Mitgliedstaaten künftig zwei Optionen geben, um einen solidarischen Beitrag zu leisten: entweder Schutzsuchende aufzunehmen oder nennenswerte finanzielle Beiträge beizusteuern und dadurch die den aufnahmebereiten Ländern entstehende Kosten zu übernehmen. Wichtig ist, dass die geleisteten Beiträge den tatsächlich entstandenen Kosten entsprechen, die das jeweilige Land basierend auf einem gerechten Verteilungsschlüssel für die Aufnahme von Asylsuchenden hätte aufbringen müssen. Auf diese Weise würden die Anreize für eine gerechte Verteilung von denjenigen mitfinanziert, die den Schutz von Geflüchteten in Europa aus prinzipiellen Gründen ablehnen.

Falls der solidarische Ansatz auch im zweiten Schritt nicht ausreicht, sollte die EU-Kommission mit einer Art „Gelben Karte“ ein Warnsystem auslösen und, wenn nötig, weitere Maßnahmen ergreifen. Die Verteilung selbst sollte von der EU-Agentur für Asyl transparent überwacht werden.

Wie aber sollte der Verteilungsschlüssel festgelegt werden?

Ein solcher Schlüssel spielt eine Rolle, sobald die erste Stufe der Verteilung, also die freiwillige Solidarität, ausgeschöpft ist und zur zweiten Stufe übergangen wird. Der Verteilungsschlüssel soll das Prinzip der Ersteinreise nach der Dublin-Verordnung durch eine gerechte Verteilung Geflüchteter zwischen den Mitgliedstaaten ersetzen. Der Schlüssel bestimmt den Anteil der Asylsuchenden, den ein Mitgliedstaat aufnehmen muss, und ist auch die Grundlage für die finanziellen Beiträge, die – wie oben beschrieben – zu leisten sind, wenn ein Mitgliedstaat grundsätzlich eine Aufnahme von Asylbewerber*innen ablehnt. Der Verteilungsschlüssel muss auf objektiven Kriterien beruhen, die der Fähigkeit der Mitgliedstaaten zur Aufnahme und Integration von Asylbewerbern entsprechen.

Das Europäische Parlament hat in seiner Stellungnahme zur Reform der Dublin-Verordnung  a) die Bevölkerungszahl und b) das Bruttoinlandsprodukt als Kriterien vorgeschlagen, was auch die Grünen/EFA unterstützen. Um darüber hinaus die freiwillige Aufnahme von Asylsuchenden und Geflüchteten durch Mitgliedstaaten zu fördern, schlagen wir außerdem folgende Kriterien vor:

c) durchschnittliche Zahl der freiwillig aufgenommenen Asylsuchenden pro eine Million Einwohner*innen (Mitgliedstaaten, die zuvor freiwillig Asylsuchende aufgenommen haben, müssen weniger zusätzliche Plätze bereitstellen, sobald die verpflichtende „Solidarität von allen“ einsetzt.)

d) durchschnittliche Zahl der freiwillig aufgenommenen, besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge von außerhalb Europas pro eine Million Einwohner*innen (Resettlement von außerhalb Europas).

Hinzuzufügen ist: Zwar haben Asylbewerber*innen kein Recht darauf, ihr Asylland auszuwählen, aber die Aussichten auf Integration verbessern sich deutlich, wenn beispielsweise familiäre oder soziale Bindungen sowie Sprachkenntnisse der Geflüchteten bei der Verteilung berücksichtigt werden. Wir setzen uns zudem für einen transparenten Überwachungsmechanismus ein, der dafür sorgt, dass sich alle Mitgliedstaaten an die Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems halten und Asylsuchende überall die gleichen Bedingungen vorfinden. Dies verringert zudem die Anreize, irregulär in einen anderen Mitgliedstaat weiterzuziehen. Besteht keine Bindung an ein bestimmtes Land, sollten Asylbewerber*innen nach dem oben skizzierten festen Verteilungsschlüssel automatisch einem EU-Mitgliedstaat zugewiesen werden.

Als Grüne/EFA sehen wir also durchaus Möglichkeiten für einen EU-übergreifenden Ansatz zur Verteilung der Geflüchteten innerhalb Europas.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen,

Hannah Neumann

 

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