Wollen wir wirklich der Integration gegenwirken?
Die Abschaffung (nein, nicht der Turboeinbürgerung, sondern) der Einbürgerung besonders schnell und gut integrierter Menschen sendet ein falsches Signal. Die größte Herausforderung ist nämlich nicht die Migration an sich, sondern die Integration eingewanderter Mitbürger. Deshalb muss Integration attraktiv gemacht, ermöglicht, unterstützt und auch belohnt werden. Und Integration ist mehr als Arbeits- und Kitaplätze oder Wohnräume. Integration bedeutet Beteiligung am gesellschaftlichen Geschehen, die alltägliche Praxis der Zugehörigkeit, Engagement in der Schule, in der Arbeit oder im Ehrenamt. Der schnellste Weg der Einbürgerung ist eine Form der Anerkennung von Integrationsleistungen. Ihre Abschaffung nach so kurzer Zeit schwächt nicht nur die Rechtssicherheit, sondern stellt statt Integration die Geduld in den Mittelpunkt. Aussitzen und Abwarten statt sich für die Gesellschaft einzubringen. Ist das, was wir wollen, was wir brauchen?

Sehr geehrter Herr U.,
herzlichen Dank für Ihre Zuschrift.
Als SPD hätten wir die 3-Jahres-Einbürgerung erhalten. Die Menschen erfüllen hohe Voraussetzungen. Sie sprechen ausnahmslos Deutsch auf dem Niveau C1, also auf akademischem Niveau. Sie haben sich neben der Erfüllung aller anderer Voraussetzungen wie Lebensunterhaltssicherung, Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung oder Straffreiheit vor allem dadurch ausgezeichnet, dass sie sich ehrenamtlich engagieren oder besondere schulische oder berufliche Erfolge vorweisen können. Diese Menschen habe sich unserer Ansicht nach die schnelle Gleichberechtigung in Deutschland verdient. Auch andere Länder wie Kanada haben Einbürgerungsmöglichkeiten nach drei Jahren. Aus meiner war es weiterhin eine gute Idee, die 3-Jahres-Einbürgerung im letzten Jahr einzuführen.
Ich erkenne aber auch an, dass es an dieser Regelung viel Kritik gab. Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass man wirklich in 3 Jahren so in einem neuen Land Fuß fasst, dass man die Staatsangehörigkeit erhalten sollte. Und die CDU/CSU hält die Einbürgerungsreform des letzten Jahres ohnehin in weiten Teilen für falsch hält. Vor diesem Hintergrund ist es aus meiner Sicht ein sinnvoller Kompromiss, die 3-Jahres-Einbürgerung wieder abzuschaffen, aber auch klarzustellen, dass andere wichtige Fortschritte wie die 5-Jahres-Einbürgerung, die Mehrstaatigkeit oder der einfachere Erwerb der Staatsangehörigkeit für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erhalten bleiben. Ein solcher Kompromiss kann aus meiner Sicht die Debatte versachlichen und die tatsächlichen - in meiner Erwartung positiven - Aspekte der Reform zur Geltung kommen lassen.
Jetzt sprechen Sie aber zu Recht die Themen Rechtssicherheit und Signalwirkung an. Ein besonderes Problem dabei ist, dass der bisherige Entwurf keine Übergangsregelung schafft. Hier ist es unsere Pflicht als Abgeordnete, noch einmal genauer hinzuschauen. Ich habe dies auch in meiner Rede im Rahmen der 1. Lesung des Gesetzes deutlich gemacht: https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7633425#url=aHR0cHM6Ly93d3cuYnVuZGVzdGFnLmRlL21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NjMzNDI1&mod=mediathek
Falls Sie selbst von einer möglichen Abschaffung der 3-Jahres-Einbürgerung betroffen sind, würde ich Ihnen empfehlen, Ihre Situation auch den zuständigen Abgeordneten von der CDU/CSU zu schildern. Es ist immer gut, wenn alle Regierungsparteien über die negativen Folgen einzelner Gesetze informiert sind.
Mit freundlichen Grüßen
Hakan Demir