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Frage von Carsten H. •

Frage an Gustav Herzog von Carsten H. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Herzog,

ich wende mich als Radfahrer an Sie als Mitglied des Verkehrsausschusses.
Nach meiner Kenntnis soll in der September-Sitzung des Bundesrats beschlossen werden, den §45(9) der StVO aufzuheben, der vorschreibt, dass Verkehrsschilder nur dort anzuordnen sind, wo sie zwingend geboten sind. Insbesondere stellt dieser Absatz Anforderungen an Beschränkungen des fließenden Verkehrs.

Sollte dieser Absatz entfallen, sehe ich als Radfahrer die Möglichkeit, dass verstärkt Radwegbenutzungspflichten (RWBP) angeordnet werden könnten. Eine RWBP ist aber nur in seltenen Fällen eine Wohltat für die Radfahrer; sie ist zunächst einmal eine Beschränkung des "fließenden Verkehrs" (nämlich des Radverkehrs) – eine ärgerliche Beschränkung zumal, wenn der Radweg untermaßig ist, wenn seine Oberfläche schlecht befahrbar ist, wenn er linksseitig geführt wird oder wenn er anderen Vorfahrts- und Ampelregeln unterliegt als die begleitende Fahrbahn.

§45(9) StVO liefert den Ansatz, durch den bei Verwaltungsgerichten gegen eine RWBP geklagt werden kann. Unter Berufung auf diesen Absatz wurde beim BGH entschieden, dass eine RWBP nur dann angeordnet werden darf, wenn das Fahren auf der Fahrbahn zu Gefahren führt, denen _ausschließlich_ durch die RWBP abzuhelfen ist; andere Maßnahmen, z.B. Geschwindigskeitsbeschränkungen für den motorisierten Verkehr, sind dabei regelmäßig zu prüfen und vorzuziehen. Diese Begründung entfällt bei Wegfall von §45(9) StVO.

Mir scheint, dass beim Entwurf der Änderungsverordnung niemand diese Konsequenzen für den Radverkehr bedacht hat. Ich bitte Sie, sich diese Überlegungen zu eigen zu machen, sie im Verkehrsausschuss vorzutragen und dieser Änderung nicht zuzustimmen.

Mit freundlichem Gruß,

Carsten Heinisch

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Sehr geehrter Herr Heinisch,

Sie haben sehr richtig mitverfolgt, dass heute im Bundesrat die Abstimmung über die „Erste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung“ ansteht.

Die Bundesregierung hat dazu dem Bundesrat eine entsprechende Verordnung übersandt. Im Entwurf der Bundesregierung ist jedoch keine Rede von einer Aufhebung des § 45 Abs. 9 StVO, vielmehr werden durch die Bundesregierung Umformulierungen vorgenommen mit dem Ziel, Tempo-30-Zonen vor z.B. sozialen Einrichtungen erleichtert anzuordnen (vgl.: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2016/0301-0400/332-16.pdf?__blob=publicationFile&v=1 ).

Der Bundesrat hat durch den federführenden Verkehrsausschuss und den beteiligten Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Änderungsverordnung eigene Änderungsvorschläge entworfen (vgl. http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2016/0301-0400/332-1-16.pdf?__blob=publicationFile&v=1 ). Als Vorschlag des Umweltausschusses liegt die Streichung des § 45 Abs. 9 StVO vor (vgl. Ziffer 3). Der Verkehrsausschuss des Bundesrates hingegen empfiehlt keine entsprechende Streichung des Abs. 9, sondern eine Umformulierung (vgl. Ziffern 4, 5 und 6). Er sieht es als geboten an, auch für „… die Anordnung der Benutzungspflicht von baulich angelegten Radverkehrsanlagen außerorts und die Anordnung von benutzungspflichtigen Radfahrstreifen innerorts…“ „… keinen Nachweis einer überhöhten Gefahrenlage zu erbringen“.

Aktuell kann ich Ihnen jedoch keine Antwort darauf geben, für welchen Änderungsantrag sich der Bundesrat entscheiden wird oder ob es noch weitere Änderungsanträge geben wird. Auch ein Zurückschwenken auf den Regierungsentwurf ist möglich.

Ich gebe allerdings zu bedenken, dass meiner Einschätzung nach auch durch den Wegfall des § 45 Abs. 9 StVO die Anordnung von Radwegbenutzungspflichten nicht ohne Weiteres oder gar beliebig vorgenommen werden kann, dies also nicht in das Belieben der entsprechenden Straßenverkehrsbehörde gestellt ist. Als einschlägig erachte ich hier § 2 Abs. 4 StVO in Verbindung mit den Ausführungen zu diesem Absatz in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO), vgl. http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_26012001_S3236420014.htm .
Danach bedarf es einiger Voraussetzungen zur Anordnung benutzungspflichtiger Radwege, die u.a. auf Verkehrssicherheit, Existenz von Flächen, Mindestbreiten, Ausbaustandard etc. abzielen.

Ihre Sorge, zwecks fehlender Rechtsgrundlage nicht gegen aus Ihrer Sicht unzulässig angeordnete Radwegebenutzungspflichten juristisch vorgehen zu können, sehe ich daher mit Verweis auf § 2 Abs. 4 StVO i.V.m. den Regelungen der VwV-StVO nicht, da auch weiterhin Radwegebenutzungspflichten nur unter bestimmten Voraussetzungen erlassen werden können. Wird gegen diese verstoßen, dürfte Ihnen der Rechtsweg dazu offen stehen.

Wir Verkehrspolitiker sind ebenso wie Sie gespannt auf die Entscheidung des Bundesrates und auf das weitere Verfahren in der Gesetzgebung. Außerdem bedanke ich mich recht herzlich für Ihr waches Auge auf die Feinheiten des Straßenverkehrsrechts.

Mit freundlichen Grüßen
Gustav Herzog