Gabriele Hiller-Ohm
Gabriele Hiller-Ohm
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Gabriele Hiller-Ohm zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jürgen B. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Jürgen B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

der Bericht der OECD, der heute in den Medien sehr pointiert dargestellt wurde, besagt, dass Gering- und Normalverdiener überdurchschnittliche Steuerbelastungen tragen. Das steht der allgeminen Auffassung (gefühlt) gegenüber, dass die "Perfektverdiener" den größten Anteil am Gemeinwohl durch Steuerabgaben bestreiten.

Wie gedenkt Ihre Partei, diesen nun offiziell nicht hinnehmbaren Zustand zu verbessern, d.h zu verändern? Und ist dies in einer derzeitigen Koalition durchzusetzen? Ist dies mit der Haltung des derzeitigen Finanzministers überhaupt möglich (dessen Interessen ich ganz entgegen sozialdemokratischer Prinzipien in ganz konträren Bereichen sehe ...)?

Über eine Antwort würde sicherlich nicht nur ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen

J.Georg Brandt

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brandt,

die von Ihnen erwähnte OECD-Studie offenbart, dass vor allem Gering- und Normalverdiener in Deutschland eine überproportional hohe Abgabenlast zu tragen haben. Die SPD fordert deshalb bereits seit langem, das deutsche Steuersystem hin zu einem „solidarischen Lastenausgleich“ umzugestalten.

Darunter verstehen wir einen handlungsfähigen Staat, der solidarisch finanziert wird. Die Finanz- und Wirtschaftskrise macht deutlich, wie ungerecht die Lasten verteilt sind. Zwar liegt die Ursache der Krise in besonderem Maße im unverantwortlichen Handeln der Finanzmanager und Investmentbanker. Allerdings profitieren viele Vermögende sogar noch von diesem Fehlverhalten. Die horrenden Kosten zur Behebung der Krise trägt hingegen die Allgemeinheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Um zumindest einen teilweisen Ausgleich zu erreichen, setzt die SPD auf drei Elemente: Die Besteuerung von börslichen Aktiengeschäften kann Spekulation begrenzen und bringt notwendige Steuereinnahmen zur Finanzierung von Entlastungen. Die Mittel aus der Erhöhung des Spitzensteuersatzes werden wir in die Verbesserung der Bildung investieren. Ferner werden wir verstärkt gegen Steuerhinterziehung vorgehen. Dieses Gesamtkonzept beinhaltet einen solidarischen Lastenausgleich.

Konkret sieht das SPD-Steuermodell folgendermaßen aus:

Erstens: Der Eingangssteuersatz wird von 14 auf 10 Prozent gesenkt. Die Entlastungswirkung wird aber mit steigendem Einkommen wieder abgeschmolzen. Damit profitieren alle bis zu einem zu versteuernden Einkommen von rund 53.000 Euro von den Steuersenkungen. Durch die Absenkung des Grenzsteuersatzes sinkt die Durchschnittssteuerbelastung.

Durch die Senkung des Eingangssteuersatzes, welche sich durch den Tarifverlauf zieht, werden die Menschen ganz konkret entlastet: Ein verheirateter Arbeitnehmer mit einem zu versteuerndem Einkommen von 27.280 Euro zahlt 277 Euro weniger Einkommensteuer im Jahr, eine Alleinstehende mit einem Einkommen von 13.640 Euro wird um 138 Euro entlastet. Dabei handelt es sich um zusätzliche Entlastungen gegenüber dem bereits im Rahmen des „Konjunkturpakets II“ geplanten Tarifs für 2010. Größere entlastende Änderungen des Steuertarifs sind derzeit nicht finanzierbar. Für die SPD ist klar: Das Steuerkonzept darf die Haushaltskonsolidierung nicht in Frage stellen.

Zweitens: Mit der Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 47 Prozent ab einem Einkommen von 125.000 Euro im Jahr für Alleinstehende und 250.0000 Euro im Jahr für Verheiratete – das sind 10.416 bzw. 20.833 Euro im Monat! – wollen wir einen Teil der Einnahmen erzielen, um die Ausgaben für die Bildung auf 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Die Belastung durch diesen "Bildungssoli" bei einem Monatseinkommen von 20.000 Euro beträgt damit 191,66 Euro. Das sind nicht mal ein Prozent des Gehalts. Betroffen sind ca. 2 Prozent der Bevölkerung. Die Einnahmen belaufen sich auf gut zwei Milliarden Euro.

Drittens: Wir werden eine Börsenumsatzsteuer von regelmäßig 0,5 Prozent auf Aktienumsätze nach britischem Vorbild einführen – nach Möglichkeit auch in der EU. Wenn die Aktien auf Handelsplattformen abwandern, die außerhalb der EU liegen, werden wir einen Satz von 1,5 Prozent erheben. Wir erwarten daraus Einnahmen von ca. drei Milliarden Euro. Die Steuer wird nur auf Börsenumsätze erhoben, nicht auf die Umsätze anderer Finanzprodukte. Während die Kosten für kurzfristige Spekulationen eine gewisse Hürde darstellen, sind sie für langfristig orientierte Anlagen überschaubar.

Als ergänzendes Angebot für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen wir zudem zukünftig einen Lohnsteuerbonus anbieten. Jeder Lohnsteuerpflichtige kann als Option den Lohnsteuer-Bonus vom Staat 300 Euro (Verheiratete 600 Euro) bekommen, wenn er auf die Abgabe einer Einkommensteuererklärung verzichtet. Wer den Bonus in Anspruch nehmen will, kann sich mit einer Postkarte von der Abgabe einer Einkommensteuererklärung beim Finanzamt verabschieden.

Steuertarifreform und Lohnsteuerbonus führen zu Entlastungen von über 5 Milliarden Euro – die fast 25 Millionen Menschen zugute kommen können. Zusammen mit den von SPD und CDU/CSU beschlossenen Steuerentlastungen, insbesondere die verbesserte Absetzbarkeit der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, würden die Menschen 2010 um rund 20 Milliarden Euro entlastet.

Inwiefern wir dieses Konzept nach den Bundestagswahlen umsetzen können, hängt natürlich vom Wahlausgang und den dann möglichen Regierungskonstellationen ab. Daher kämpfen wir dafür, nach der Wahl stärkste Fraktion im Bundestag zu werden, um mit unserem Kanzler Frank-Walter Steinmeier an der Spitze einer SPD-geführten Bundesregierung unser solidarisches Steuerkonzept umsetzen zu können.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm