Frank Schmitt, MdHB, SPD
Frank Schmitt
SPD
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Frage von Anja T. •

Frage an Frank Schmitt von Anja T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schmitt,

auf der Tourismus-Homepage der Stadt Hamburg wird so die Herbertstraße beschrieben:
„Vor neugierigen Blicken geschützt, gibt es hier käufliche Liebe. Der Zutritt ist nur für Männer über 18 Jahren erlaubt: Die berühmt-berüchtigte Herbertstraße in Hamburg.
Die etwa 60 Meter lange Gasse, die vor den Blicken Neugieriger durch Tore geschützt wird, gehört zum alten Mythos St. Pauli. Hier gibt es die käufliche Liebe seit dem 19. Jahrhundert. Und nur Männern über 18 Jahren wird Zutritt gewährt. Frauen sollten es erst gar nicht wagen, dort hinein zu wollen - sie erwarten Beschimpfungen, faule Eier, kalte Duschen oder mit Urin gefüllte Eimer.“
https://www.hamburg-tourism.de/sehen-erleben/sehenswuerdigkeiten/herbertstrasse/
Halten Sie diese Werbung für angebracht und zeitgemäß?
Können sie mir sagen, wodurch es legitimiert ist, dass eine Straße der Stadt Hamburg ein jugendgefährdender Ort ist von dem auch Frauen ausgeschlossen sind?
Wurden die Tore und Beschilderungen, die „vor neugierigen Blicken schützten“, von der Stadt angebracht? Zum Schutz der Sexarbeiterinnen? Wenn ja, warum nur dort?
Im SPD Regierungsprogramm 2020 heißt es:
„…Hamburg ist attraktiv und wird immer attraktiver. Hamburg ist eine Hoffnungs- und Ankunftsstadt, in der viele Menschen mit ihren Kindern und Familien leben wollen…“
Im Wahlprogramm steht:
„…Zukunft – Gut und sicher leben
Eine sichere Stadt für alle
Im öffentlichen Raum, auf den Straßen und Plätzen unserer Stadt soll sich jeder wohl und sicher fühlen. Deshalb erhöhen wir hier die sichtbare Polizeipräsenz und setzen an besonders kriminalitätsbelasteten Orten ergänzend auch Videoüberwachung ein….“
Gibt es außer der Herbertstraße weitere Straßen, die nicht an einer Stadtentwicklung, im Sinne ihres Wahlprogramms, teilhaben?
Wie stehen Sie zu den bisherigen Protesten von Anwohner*innen und Feminist*innen?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten
Anja Twest

Frank Schmitt, MdHB, SPD
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau T.,

weil ich mir auch schon selbst die Frage nach der rechtlichen Grundlage der von Ihnen angesprochenen Regelung für die Herbertstraße auseinandergesetzt habe, fiel mir im letzten Jahr ein Bericht des Eingabenausschusses dazu ins Auge. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich diesen wieder gefunden habe. Die Hamburgische Bürgerschaft hatte im Falle der Eingabe Nummer 122/19, Beschilderung der Herbertstraße am 23.03.2019 (Bericht Drs. 21/16423) beschlossen, die Eingabe dem Senat als „Stoff für künftige Prüfung“ zu überweisen. Nach Auffassung der Bürgerschaft sollte der Senat prüfen, ob die Beschilderung der Herbertstraße weiterhin erforderlich ist und damit die Allgemeinverfügung, die Frauen den Zutritt zur Herbertstraße verbietet, aufrechtzuerhalten ist. Der Senat teilte daraufhin (siehe Drs. 21/18031) Folgendes mit: „Bei der Beschilderung der Zugangsschranken zur Herbertstraße, die den Zutritt für Frauen und Jugendliche unter 18 Jahren verbietet, handelt es sich um eine
Allgemeinverfügung, die in den 1980er Jahren von der Polizei Hamburg zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erlassen wurde und in Abstimmung mit der damaligen Leitstelle für die Gleichberechtigung der Frau und nach Beteiligung des Bezirksamtes Hamburg-Mitte als Wegeaufsichtsbehörde erging. Rechtsgrundlage für die Beschilderung war die polizeiliche Generalklausel des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG). Gemäß § 3 Abs. 1 SOG treffen die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihres Geschäftsbereichs nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall zum Schutz der Allgemeinheit oder des Einzelnen erforderlichen Maßnahmen, um bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen. Legitimer Zweck für das Zutrittsverbot zur Herbertstraße waren dort zunehmende Konfrontationen zwischen Prostituierten und Passantinnen. Die Herbertstraße wurde zunehmend von
Reisegruppen frequentiert, die Zahl der weiblichen Besucher erhöhte sich. Dabei kam es insbesondere durch weibliche Besucher zu Provokationen der Prostituierten, die wiederum mit handgreiflichen Gegenreaktionen agierten. Eine zuvor an den Zugangsschranken zur Herbertstraße angebrachte Aufschrift, dass Frauen unerwünscht seien, konnte die auftretenden Spannungen nicht verhindern und entfaltete somit keine Wirkung. Unter Berücksichtigung des Gebots der Verhältnismäßigkeit konnten die konkreten Gefährdungen von Passantinnen und Prostituierten daher nur durch ein Zutrittsverbot verhindert werden. Die Eingabe wurde zum Anlass genommen, unter besonderer Berücksichtigung auch der genannten nachvollziehbaren Argumentation zu prüfen, ob die Beschilderung der Zugangsschranken zur Herbertstraße auch unter den heutigen Bedingungen weiterhin erforderlich ist und ob die Allgemeinverfügung in dieser Form weiterhin aufrechtzuerhalten ist. Die Behörde für Inneres und Sport ist nach
Beteiligung der Polizei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschilderung der Zugangsschranken zur Herbertstraße weiterhin erforderlich ist und daher die Allgemeinverfügung aufrechtzuerhalten ist. Dabei ist allgemein auf die besondere Situation der Herbertstraße hinzuweisen, die sich auch von der Situation in anderen Städten unterscheidet. Die Herbertstraße ist eine Straße, die keine eigentliche Straßenverkehrsfunktion erfüllt, wie schon die Gestaltung an den jeweiligen Zugangsbereichen ausweist. In der Herbertstraße befindet sich nahezu ausschließlich Prostitutionsgewerbe. Die bestehende Regelung zur Zugangsbeschränkung für weibliche Besucher besteht seit den 1980iger Jahren, ist über Hamburg hinaus bei Besuchergruppen bekannt und wird bei Führungen häufig als eine Besonderheit des Stadtteils Sankt Paulis vorgestellt. Sie wird nach den Wahrnehmungen der Polizei von den Bewohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils als Teil der Tradition „Sankt Paulis" wahrgenommen,
Akzeptanzprobleme dieser Regelung im Stadtteil sind über die gesamte Zeit nicht bekannt geworden. Die der Allgemeinverfügung zugrundeliegende Gefährdungseinschätzung der Polizei hat weiterhin Bestand: Dies wird bestätigt durch polizeiliche Erkenntnisse, wonach noch immer Gefährdungen von Passantinnen und Prostituierten zu erwarten sind. Die Polizei teilte mit, dass auf Grund der Bekanntheit der Herbertstraße vielfältige Führungen durch die Straße stattfänden. Trotz des bestehenden Verbots hätten im vergangenen Jahr auch Frauengruppen die Herbertstraße aufgesucht, in deren Folge es in mindestens zwei bekannten Fällen zu Konfrontationen zwischen den Besucherinnen und den Prostituierten gekommen sei. Zudem äußerten sich Frauen, die die Herbertstraße passierten, wiederkehrend abfällig über die Prostituierten. Nach Einschätzung der Polizei steht die nur geringe Anzahl an Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit in der Herbertstraße im engen Zusammenhang mit der
Allgemeinverfügung. Ein Wegfall der Allgemeinverfügung würde die Herbertstraße für den allgemeinen Zutritt öffnen und damit absehbar dazu führen, dass dort in einem hohen Umfang auch Frauen zur Inaugenscheinnahme der Prostituierten die Straße aufsuchen würden, dass aber auch das Aufsuchen der Straße durch Frauen, die eine ablehnende Haltung, ggf. auch gegenüber potenziellen Freiern zum Ausdruck bringen wollen, verstärkt zu erwarten wäre. Die Polizei bewertet die Situation aus ihrer Erfahrung mit den dort tätigen Prostituierten so, dass diese einen Wegfall der Allgemeinverfügung und eine allgemeine Öffnung der Straße für Besucherinnen als massiven Eingriff in ihre Interessen bewerten würden. Die Allgemeinverfügung dient damit also weiterhin insbesondere dem Schutz der in Artikel 2 Abs. 2 S. 1 GG garantierten körperlichen Unversehrtheit sowohl für die Prostituierten als auch für die weiblichen Passanten. Es ist aufgrund der polizeilichen Kenntnisse zu den örtlichen
Verhältnissen davon auszugehen, dass es ohne das besagte Zutrittsverbot wieder zu Spannungen zwischen den Prostituierten und den Besucherinnen innerhalb der Herbertstraße kommt bzw. diese verstärkt werden. Aus alledem folgt, dass das Zutrittsverbot ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel darstellt, um Provokationen und Konfrontationen zwischen Passantinnen und Prostituierten zu verhindern und damit die Gefahr von körperlichen Auseinandersetzungen zu minimieren. Andere Maßnahmen, die dem Zweck des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit der beteiligten Frauen gleichsam dienen würden, sind nicht ersichtlich. Vielmehr kann nur durch das Zutrittsverbot sichergestellt werden, dass Auseinandersetzungen und Konfrontationen ausbleiben.“

Damit - so hoffe ich - sind auch die von Ihnen aufgeworfenen Fragen beantwortet. Sicherlich wird Ihre Frage auch noch einmal Gegenstand interner Diskussionen über einen zukünftigen Umgang damit sein.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Schmitt

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