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Florian Toncar
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Frage von Jutta D. •

Frage an Florian Toncar von Jutta D. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Toncar,

Sie hatten der Einführung der als Lissaboner Verträge bekannten EU Verfassung zugestimmt.

Wie können Sie die Einführung der Todesstrafe mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Wieso stimmen Sie und andere Abgeordnete des Bundestages für ein menschenverachtendes Gesetz und gegen die Bestimmungen des GG?

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2007:303:0017:0035:DE:PDF

Erläuterung zu Artikel 2 — Recht auf Leben
Punkt 3
a) a) Artikel 2 Absatz 2 EMRK:
[...]
c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen“.

b) b) Artikel 2 des Protokolls Nr. 6 zur EMRK:

Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden ...“.

Wie sie sicher wissen, würde die EU Verfassung das GG überlagern.

Daher kann das Schießen auf Demonstranten angeordnet werden. Außerdem ist es nur noch eine Formsache, den Krieg in Afghanistan auch Krieg zu nennen, und schon befinden sich nahezu alle EU Länder in einer Kriegssituation.

Maßgeblich dafür ist nicht Art. 2 Abs. 2 der Charta, der die Verurteilung zur Todesstrafe und die Hinrichtung verbietet, sondern die in das Vertragswerk aufgenommene Erklärung zu diesem Artikel, die aus der Menschenrechtskonvention von 1950 stammt. Nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 EUV in der Lissabonner Fassung werden die Rechte, Freiheiten und Grundsätze der Charta gemäß den allgemeinen Bestimmungen von Titel VII der Charta, in dem die Auslegung und Anwendung derselben geregelt ist, und unter gebührender Berücksichtigung der in der Charta angeführten „Erläuterungen“, in denen die Quellen dieser Bestimmungen angegeben sind, ausgelegt.

Wie stehen Sie also zu ihrer Zustimmung zur EU Verfassung?

Mit freundlichen Grüßen

Jutta Dieters

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Dieters,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 26.08.2009.

Zunächst möchte ich begrifflich klarstellen, dass der EU-Reformvertrag Gegenstand der aktuellen Diskussion über die institutionelle Weiterentwicklung der Europäischen Union ist. Der Verfassungsvertrag, der nach Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheitert ist, weist trotz großer Gemeinsamkeiten mit dem Reformvertrag deutliche Unterschiede auf.

Ihre Befürchtung, dass mit der Ratifikation des EU-Reformvertrags von der Öffentlichkeit unbemerkt die Todesstrafe in der Europäischen Union eingeführt würde, ist unbegründet. Die Todesstrafe ist in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgeschafft. Die Ablehnung der Todesstrafe als grausamer und unmenschlicher Bestrafung spiegelt eine von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geteilte Grundüberzeugung wider. Ferner zählt die Abschaffung der Todesstrafe zu den essentiellen Aufnahmekriterien für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Um ein sichtbares Zeichen für die Unterstützung der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe zu setzen, hat die Europäische Union den 10. Oktober alljährlich zum „Europäischen Tag gegen die Todesstrafe“ bestimmt.

Wie aus den „Erläuterungen zur Charta der Grundrechte“ ersichtlich ist, wurde mit Inkrafttreten des „Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, über die Abschaffung der Todesstrafe in der Fassung des Protokolls Nr. 11“ der Satz aus Artikel II Satz 2 der Charta der Grundrechte hinfällig. Diese Lücke wird durch den Artikel 1 des Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschlossen, der eindeutig lautet: „Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden.“

Der von Ihnen angeführte Artikel 2 des Protokolls Nr. 6 zur EMRK hat den Wortlaut: „Artikel 2 – Todesstrafe in Kriegszeiten: Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet wer¬den. Der Staat übermittelt dem Generalsekretär des Europarats die einschlägigen Rechtsvorschriften.“ Aus dem Satz geht eine Möglichkeit für die Mitglieder des Europarats hervor, in ihrem nationalen Recht die Möglichkeit für die Anwendung der Todesstrafe in Kriegszeiten zu schaffen. Kein Mitgliedstaat der Europäischen Union greift jedoch auf diese Möglichkeit zurück, die Todesstrafe in seinem Recht vorzusehen. In Deutschland gilt Art. 102 GG uneingeschränkt. Angesichts der zentralen Bedeutung der Abschaffung der Todesstrafe für die Menschen- und Bürgerrechte in der Europäischen Union ist eine Wiedereinführung der Todesstrafe durch einen EU-Mitgliedstaat undenkbar. Damit ist der Artikel 2 des Protokolls Nr. 6 zur EMRK für die Mitgliederstaaten der Europäischen Union gegenstandslos.

Der Reformvertrag beinhaltet also ein klares Bekenntnis zur Abschaffung der Todesstrafe durch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Durch sein Inkrafttreten gewinnt die Europäische Union, die nach mehreren Beitrittsrunden mittlerweile auf 27 Mitgliedstaaten angewachsen ist, neue Handlungsmöglichkeiten für eine effektiven Fortführung des europäischen Einigungsprozesses.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Toncar

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