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Frage von Evelyn B. •

Frage an Doris Barnett von Evelyn B. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Barnett,

zurzeit bearbeiten wir im Religionsunterricht verschiedene ethische Fragestellungen. Darunter auch die Thematik der Organspende und wie diverse Regelungen gehandhabt werden sollten.
Deswegen auch meine Frage.

Warum haben Sie für die Widerspruchslösung für Organspenden gestimmt?

Vielen Dank im Voraus!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau B.,
ich habe mir die Argumente beider Seiten gut angehört, nachgedacht, abgewogen und letztlich entschieden:
Wir alle hoffen und wollen, dass im Falle einer letalen Erkrankung wir auch die beste Behandlung erhalten bis hin zur Transplantation. Diese Hoffnung kann nur durch eine Spender-Kultur aufrecht erhalten werden. Eine solche Spender-Kultur kann durch aktives Handeln gestartet werden, indem jeder einzelne sich mit dem Thema befasst und sich dann entscheidet, ob er/sie Organspender sein will oder nicht.
Ich kann feststellen, dass die Nachfrage an Organspende-Ausweisen gerade stark zugenommen hat - nach der Debatte im Bundestag. Aber ich befürchte, dass dieses Interesse auch genauso schnell wieder nachlässt.
Wer einen Ausweis beantragt, befasst sich ja mit der Thematik und entscheidet sich; und zwar kann er sich für oder gegen eine Organspende entscheiden. Die Person hat also eine Entscheidung getroffen und führt sie mit sich.
Wer keinen Ausweis bei sich führt, hat sich nicht entschieden und ihm/ihr darf heute -außer wenn die Angehörigen den Willen kennen- kein Organ entnommen werden; er/sie hat sich (so die Gesetzesvermutung) GEGEN eine Organspende entschieden.

Bei der doppelten Widerspruchslösung kann jede und jeder sich mit dem Thema befassen, für sich eine Entscheidung treffen, diese schriftlich im Organ-Spender-Register eintragen lassen oder einfach auch nur einen Zettel mit sich führen, auf dem der Wille zum Ausdruck kommt für oder gegen eine Organspende. Und natürlich kann jede/r seinen Willen auch wieder ändern und das so festhalten, auch gegenüber den Angehörigen.
Wer den Willen nicht in irgend einer Weise kundtut, hätte sich im Falle der Widerspruchslösung FÜR eine Organspende entschieden. Das kann seinen Grund darin haben, dass man selbst nur ungern über seinen Körper und seine Organe nachdenkt, solange man noch lebt. Oder man möchte den Angehörigen keine Last zur Entscheidung auferlegen.

Auf den ersten Blick mögen die beiden Lösungsansätze sehr ähnlich sein - aber nur im Falle, dass jemand sich aktiv entscheidet und diesen Willen auch kundtut über das Organspender-Register oder den Organspender-Ausweis.

Der Unterschied liegt im Nichtstun: in der jetzigen Lösung löst Nichtstun die VERWEIGERUNG der Organspende aus (außer die Angehörigen wissen etwas Gegensätzliches); bei der Widerspruchslösung löst Nichtstun die EINWILLIGUNG zur Organspende aus (auch hier werden vorsorglich die Angehörigen gefragt; sie könnten ja den gegenteiligen Willen des potentiellen Spenders kennen).

Wenn aber Angehörige nicht gefunden werden und sonst kein Hinweis auf den Willen des Menschen zu erkennen ist, dann fällt dieser heute als Organspender auf jeden Fall aus.
Organspender kann heute und auch zukünftig nur sein, wer an einem Hirntod gestorben ist, aber die Organe nur durch Maschinen noch funktionieren und deshalb möglicherweise andere Leben retten können.

Für mich ist es ethisch vertretbar, von jedem Menschen zu erwarten, dass er für sich die Entscheidung trifft, im (hoffentlich nie) eintretenden Falle des sicher festgestellten Hirntodes seine Organe zu spenden oder nicht. Heute muss man sich aktiv FÜR die Organspende entscheiden - und verzichtet so auf diejenigen, die eigentlich Spender sein wollen, aber vor diesem aktiven Tun (z.B. Spenderausweis ausfüllen und bei sich tragen) aus welchen Gründen auch immer zurückschrecken.
Herzliche Grüße
Doris Barnett