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Danyal Bayaz
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Frage von Michael W. •

Frage an Danyal Bayaz von Michael W. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Sehr geehrter Herr Bayaz,
durch die historisch niedrigen Sparzinsen und die expansive Geldpolitik der EZB beobachtet man seit einiger Zeit neben einem enormen Anstieg von Wertpapierinvests nie dagewesene Investitionen in Immobilien und (unbebaute) Grundstücke. Wer die Mittel hat, investiert in Zweit-, Drittimmobilien (usw.) um diese zu vermieten oder im Fall von unbebautem bereits erschlossenem Bauland als lukrative Sachwertsanlage zu nutzen. Ich sehe hier gewisse Parallelitäten zu z.B. Spekulationen mit Nahrungsmitteln.

Welche konkreten Maßnahmen befürworten Sie, um diese Situation für Menschen zu entschärfen, die sich eine selbst bewohnte Erstimmobilie zulegen möchten?

Die Erschließung neuer Baugebiete ist eine langwierige Angelegenheit. Kurzzeitig erfolgversprechend könnten zusätzlich folgende Maßnahmen sein:

Können Sie sich vorstellen eine Abgabe auf unbebautes bereits erschlossenes Bauland zu erheben?
Wie stehen Sie einer ermäßigten Grunderwerbsteuer/Grundsteuer für die erste/selbst genutzte Immobilie gegenüber (wenngleich die Zuständigkeit dieser Steuern nicht beim Bund liegen)?
Wieso können große Immobiliengesellschaften die Grunderwebsteuer umgehen, während private Immobilienkäufer diese Möglichkeit nicht haben?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Dr. W.,

Bezüglich der Abgabe auf unbebaute Baugrundstücke wird ab 2025 die Grundsteuer C eingeführt. Wir befürworten diese, setzen uns aber weiterhin dafür ein, dass diese früher eingeführt wird als 2025 um direkt etwas gegen Bauspekulationen zu unternehmen. Das kann aber nur ein Teil der Instrumente gegen zu hohe Mietkosten und Immobilienpreise sein, andere Instrumente könnten sein, das Erbbaurecht konsequenter anzuwenden und in den Kommunen Ausschreibungsverfahren anzustrengen, die Grundstücke nicht an die verkauft, die das meiste Geld bieten, sondern mit dem ausgewogensten Konzept, sowohl ökologisch, aber auch sozial. Das liegt aber in der Hand der Länder und Kommunen.

Ansonsten verweisen wir auf die aktuelle Beschlusslage der Partei und Fraktion:

Eigentumsförderung: Wohneigentum zu besitzen – ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung - ist vielen Menschen wichtig. Es gilt als sichere Altersvorsorge und steht für Unabhängigkeit. Es sind vor allem die hohen Kaufnebenkosten, die die eigene Immobilie oft unerreichbar machen. Allein für den Makler werden durch kartellartige Absprachen der Maklerverbände vielerorts über sieben Prozent des Kaufpreises fällig. Bei 400.000 Euro für ein Haus oder eine Eigentumswohnung sind das annähernd 30.000 Euro. Wir wollen niedrigere Kaufnebenkosten durch eine Senkung der Maklergebühr. Diese wollen wir bei zwei Prozent deckeln. So nähern wir uns dem europäischen Durchschnitt an. Das Bestellerprinzip soll künftig auch beim Kauf von Immobilien gelten. In der Regel bestellt der Verkäufer den Makler und soll die Maklerkosten dann auch zahlen. Viele sparen das nötige Eigenkapital für die eigenen vier Wände selbst an. Dabei wollen wir sie unterstützen und moderate Wohnkosten sowie Unabhängigkeit sichern. Dazu wollen wir die Sparzulagen in der Bausparprämie sowie Zulagen für Anteile von Wohnungsgenossenschaften erhöhen. (https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/publikationen/broschueren_und_flyer/f19-12wohnoffensive_web.pdf)

Grunderwerbsteuerbefreiung für Ersterwerber: Ein funktionierender Wohnungsmarkt braucht neben einem hohen Bestand an öffentlichem und gemeinwohlorientiertem Eigentum auch privates, selbstgenutztes Wohneigentum. Wir wollen die Länder ermächtigen, den Steuersatz der Grunderwerbssteuer progressiv auszugestalten und beispielsweise für große Wohnungsunternehmen zu erhöhen und im Gegenzug für private Besitzer*innen abzusenken. (https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wohnen-Recht-auf-Wohnen-Beschluss-BDK-11-2019.pdf)

Share Deals: Share Deals sind die Brandbeschleuniger der Immobilienspekulation. Sie erlauben es internationalen Konzernen, sich um die Grunderwerbssteuer zu drücken. Aufgrund gesetzlicher Regelungen wird die Grunderwerbsteuer fällig, wenn das Grundstück selbst direkt vom Käufer erworben wird (Asset Deal). Werden jedoch nur Anteile an Unternehmen (Shares), in denen die Grundstücke enthalten sind, gekauft, braucht der Käufer keine Grunderwerbssteuer zu bezahlen – jedenfalls wenn er weniger als 95 Prozent der Unternehmensanteile erwirbt (Share Deal). Denn die Grunderwerbsteuer fällt erst an, wenn mindestens 95 Prozent dieser Unternehmensanteile (zum Beispiel Aktien) auf den Käufer übergehen. Von dieser Gestaltungsmöglichkeit profitieren insbesondere große Marktteilnehmer. Um Grunderwerbsteuer zu vermeiden, führen sie oftmals solche Share Deals durch und bleiben mit maximal 94,9 Prozent gekauften Anteilen gerade unter der Grenze der Steuerpflicht. Das führt dazu, dass praktisch nur noch Otto-Normalverbraucher die Grunderwerbssteuer zahlt. Die Bundesländer kostet das Millionen. Und es heizt die Immobilienspekulation an. Denn ohne Grunderwerbssteuer gibt es noch weniger Hemmung, große Wohnungsbestände binnen Jahresfrist zu kaufen und wieder abzustoßen – auch wenn der Wert nur gering gestiegen ist (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/086/1808617.pdf). Wir werden die Praxis der steuerfreien Share Deals beenden, indem wir schon bei einem Verkauf der Mehrheit einer Gesellschaft zumindest anteilig Grunderwerbsteuer erheben.

Baulandaktivierung: Der stärkste Kostentreiber beim Wohnen sind Grundstücks- und Baulandpreise. Die Preise für Bauland sind seit 2010 um über 60 Prozent gestiegen, in den Großstädten noch deutlich stärker. Mit 870 Prozent Bodenwertsteigerung in weniger als zehn Jahren musste Berlin den größten Anstieg weltweit verkraften. Grund und Boden ist zum Spekulationsobjekt geworden und die explodierenden Bodenpreise schlagen auf die Immobilienpreise und Mieten durch. Wenn davon gesprochen wird, dass günstiges Bauen kaum mehr möglich ist, liegt dies zuvorderst an den inzwischen für sehr viele Menschen unbezahlbaren Grundstückspreisen. Aber Boden ist ein Allgemeingut, unvermehrbar, unentbehrlich und sozial gebunden. Viele Investor*innen sind Eigentümer*innen von Bauland, spekulieren aber lieber auf steigende Bodenpreise als zu bauen. Das Bau- und Planungsrecht bietet die Möglichkeit, Grundstückseigentümer*innen mit dem Baugebot zur Bebauung zu verpflichten. Das Bundesverfassungsgericht sieht gerade bei Grund und Boden eine besondere und weitgehend soziale Verpflichtung des Eigentums. Wer der Aufforderung sein Grundstück zu bebauen nicht nachkommt, kann zum Verkauf gezwungen werden, ggf. nur gegen Entschädigung zum Bodenrichtwert . Wir unterstützen die Kommunen, die von dieser Möglichkeit bei besonders angespannten Wohnungsmärkten Gebrauch machen. Bei solchen Lagen sollen Kommunen das Baugebot nicht nur für einzelne Grundstücke, sondern für bestimmte Gebiete aussprechen können. Länder sollen in die Lage versetzt werden, durch eine erhöhte Grundsteuer für unbebaute Grundstücke einen Anreiz zum Bauen zu schaffen.
(https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wohnen-Recht-auf-Wohnen-Beschluss-BDK-11-2019.pdf)

Mit freundlichen Grüßen
Danyal Bayaz