Cornelia Ernst
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DIE LINKE
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Frage von Jens W. •

Frage an Cornelia Ernst von Jens W. bezüglich Humanitäre Hilfe

Sehr geehrte Frau Ernst,

ich nehme mit Entsetzen zur Kenntnis, dass an der türkisch-griechischen Grenze Kinder, Frauen und Männer mit Waffengewalt daran gehindert werden, die EU zu betreten und unter katastrophalen Verhältnissen und ohne Zukunftsperspektive im frühen März auf offenem Feld und unter freiem Himmel bleiben müssen. Ich wende mich daher an Sie als meine gewählte Abgeordnete mit der Frage, wie Sie die Situation einschätzen und ob und wie Sie sich dafür einsetzen, dass diese unchristliche und inhumane Vorgehensweise der EU sofort beendet wird und dass die Menschen vor Ort die notwendige Versorgung erhalten sowie die Möglichkeit, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Wehrmann

Cornelia Ernst
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Wehrmann,

ich teile ihr Entsetzen angesichts der katastrophalen humanitären Lage an der griechisch-türkischen Grenze, und angesichts der brutalen und illegalen Gewalt seitens der griechischen Polizei. Die Aussetzung des Rechts auf Asyl durch die griechische Regierung ist ein klarer Verstoß gegen griechisches, europäisches und internationales Recht. Die Situation, die nun entstanden ist, hat ihre Ursachen auch in der längst gescheiterten Asylpolitik der EU. Besonders stark betroffene EU-Staaten an den Außengrenzen sind gemäß der Dublin-Verordnung praktisch alleine Zuständig für alle Menschen, die über ihre Grenzen kommen, Unterstützung gibt es in erster Linie für die Aufrüstung der Grenzen. Katastrophen wie diese werden sich bei einem Weiter-so wiederholen.

In der aktuellen Lage gibt es keine Alternative zu einer schnellen und groß angelegten Umverteilung der Asylsuchenden in Griechenland auf die anderen EU-Staaten. Dazu sind die Regierungen der einzelnen Staaten gefordert. Einige unverbindliche Zusagen aus Deutschland, Frankreich, Portugal und Luxemburg sind da bei Weitem nicht genug, es müssen eigentlich alle ran. Die Kommission will 700 Millionen Euro für Griechenland zur Verfügung stellen, jedoch soll dieses Geld anscheinend ebenfalls vornehmlich in weitere Aufrüstung der Grenze fließen. Das ist der falsche Weg, daher fordere ich, dass das Europaparlament diesem Geld die Zustimmung verweigert, bis die Umverteilung aller dieser Flüchtlinge in Griechenland geregelt ist. Derzeit arbeite ich gemeinsam mit Abgeordneten verschiedener Fraktionen daran, dieser Forderung breite fraktionsübergreifende Zustimmung zu verleihen.

Kurzfristige Krisen-Soforthilfe für Griechenland ist zwar notwendig, aber wir wollen keine neuen oder größere Lager auf Inseln wie Lesbos sehen, oder mehr Abschottung und Gewalt.

Zudem hatte ich geplant, Mitte März gemeinsam mit einer Gruppe von Abgeordneten einen Besuch vor Ort auf Lesbos durchzuführen, und die Situation in Moria in Augenschein zu nehmen. Aufgrund der Entwicklungen im Zuge der Verbreitung des Corona-Virus halten wir jedoch eine solche Reise nicht für Durchführbar, solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass wir selbst unbewusst zu einer Verbreitung beitragen könnten. Wir werden die Reise nachholen.

Auch wenn aktuell kein Weg an einer schnellen Umverteilung vorbeiführt, so bedarf es noch immer einer grundlegenden Reform des Asylsystems, insbesondere der Dublin-Verordnung. Das Europaparlament hat seit fast vier Jahren einen Text beschlossen, mit dem eine humanitäre Katastrophe wie diese von vornherein hätte verhindert werden können. Die Regierungen im Rat sind seit fünf Jahren nicht in der Lage, auch nur ein Verhandlungsmandat zu beschließen. Jede Änderung des Dublin-Systems ist so blockiert.

Ich verwende einen großteil meiner parlamentarischen Arbeit darauf, diese Blockade zu durchbrechen. Ein fairer, verpflichtender Umverteilungsmechanismus in der EU würde allen nützen, Asylsuchenden wie EU-Bürger*innen.

Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Ernst

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