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Claudia Tausend
SPD
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Frage von Benjamin L. •

Frage an Claudia Tausend von Benjamin L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Frau Tausend,

warum orientieren Sie sich eigentlich nicht an der Meinung Ihrer Wähler, wenn es um solch wichtige Entscheidungen wie den Einsatz deutscher Streitkräfte gegen den IS geht?
Glauben Sie wirklich, dass Sie mit Krieg Frieden schaffen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Röder,

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Dezember 2015 nach ausführlicher Debatte mit großer Mehrheit dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt, militärische Fähigkeiten im Kampf gegen den IS bereitzustellen. Dazu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers. Das Ziel dieses Mandates ist klar umrissen: Es geht darum, den IS zu bekämpfen, seine Rückzugsräume zu zerstören und zu verhindern, dass er weiterhin Angst und Schrecken verbreitet. Der Einsatz der Bundeswehr ist ein Unterstützungseinsatz für Frankreich, ein Signal der Solidarität mit Frankreich. Die Anschläge vom 13. November 2015 in Paris galten nicht nur Frankreich. Der Angriff in Paris ist auch ein Angriff gegen uns und die Europäische Union. Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art zu leben. Deshalb müssen wir ihm gemeinsam begegnen. Der zentrale Punkt ist das Selbstverteidigungsrecht, und das kann die ganze Europäische Union für sich in Anspruch nehmen. Allen Europäern war nach dem Anschlag klar, dass ein neues Maß an Solidarität gefordert ist. Der Terrorangriff von Paris zwingt uns zum gemeinsamen Handeln, zur Teilung der Risiken: das ist europäische Solidarität. Nach den Angriffen auf Paris am 13. November 2015 hat sich mit Frankreich erstmals ein EU-Mitgliedstaat auf die in Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union verankerte so genannte Beistandsklausel berufen. Diese Klausel legt fest, dass im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ihm die anderen Mitgliedsstaaten alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten müssen. Auf dem Treffen des Rates der EU für Außenbeziehungen im Format der EU-Verteidigungsminister in Brüssel am 17. November 2015 haben alle Mitgliedstaaten einhellig den französischen Antrag unterstützt und ihre Solidarität und ihren Beistand zugesichert. Mit der erstmaligen Aktivierung der Beistandsklausel stehen wir in der Europäischen Union an einer Zeitenwende. Europa findet seine Stärke in der Gemeinsamkeit, das gilt auch für die Sicherheitspolitik. Nach den Terroranschlägen am 13. November 2015 in Paris hat Präsident Hollande die Bundesregierung gebeten, neben ihrem politischen Engagement zur Regelung des Syrienkonfliktes und dem militärischen Beitrag zur Zurückdrängung von ISIS im Nordirak sich auch mit militärischen Mitteln zur Unterstützung Frankreichs, des Irak und der internationalen Allianz in ihrem Kampf gegen ISIS zu beteiligen. Die Bundesregierung ist nach intensiver Prüfung der Bitte nachgekommen. Wir haben eine neue Verantwortung, und dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden. Dieser Einsatz ist völkerrechtlich legitimiert. Deutschland unterstützt Frankreich und andere Länder im Kampf gegen den IS auf Grundlage des Rechts der kollektiven Selbstverteidigung, wie es in Artikel 51 der VN-Charta zum Ausdruck gebracht wird. In mittlerweile drei Resolutionen hat der VN-Sicherheitsrat festgestellt, dass der IS weltweit eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit ist - zuletzt in der Resolution 2249 vom 20. November 2015. Darin hat der Sicherheitsrat nach den Anschlägen von Paris die Staatengemeinschaft aufgerufen, alle notwendigen Maßnahmen gegen diese Bedrohung zu ergreifen.

Natürlich ist ein übergreifendes politisches Konzept, um Syrien zu befrieden und den IS dauerhaft auszuschalten, unverzichtbar. Nur mit militärischen Mitteln wird sich die Terrormiliz nicht besiegen lassen. Das militärische Handeln wird in einen politischen Prozess eingebettet sein und bleiben. Hierfür setzt sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit ganzer Kraft ein. Mit Hilfe der Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten Staffan de Mistura soll eine politische Lösung erarbeitet werden. Am 30. Oktober und 14. November 2015 kam es in Wien erstmals zu einer Zusammenkunft aller regionalen Akteure unter Einschluss des Iran, Saudi-Arabiens, aber auch Russlands und der USA. Dass es gelungen ist, die genannten Länder an einen Tisch zu holen, ist auch ein Erfolg der deutschen und europäischen Diplomatie. Hier wurden die Weichen für einen Fahrplan gestellt, den Syrienkonflikt politisch zu lösen und dem Morden endlich Einhalt zu gebieten. Noch in diesem Monat soll eine dritte Folgekonferenz in New York stattfinden mit dem Ziel, ab Januar einen Waffenstillstand in Syrien zu erwirken. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terrorismus und gegen den IS zu verstärken, insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden. Ebenso müssen Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent angewendet werden. Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an den IS muss mit allen Mitteln gestoppt werden. Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismusbekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spektrum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen. Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt. Nach wie vor sind die meisten Opfer des IS Muslime. Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen. Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildung zu verhindern. Ebenso müssen ausländische Kämpfer daran gehindert werden, in die Kampfgebiete ein- und auszureisen. Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen. Durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzudämmen und damit künftig Terroranschläge zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

Mit freundlichen Grüßen
Claudia Tausend, MdB

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