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Claudia Tausend
SPD
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Frage von Ole R. •

Frage an Claudia Tausend von Ole R.

Sehr geehrte Frau Tausend,

wie viele andere politisch Interessierte hätte ich gern gewusst, ob Sie einem dritten Hilfspaket für Griechenland zustimmen werden. Vor dem Hintergrund der letzten 5 Monate Syriza-Regierung und der teilweise unglaublichen Vorkommnisse möchte ich Sie dringend bitten, einer weiteren zum Scheitern verurteilten ´Hilfe´ für Griechenland Ihre Stimme zu verweigern.

In meinen Augen gibt es keinen einzigen Anhaltspunkt, dass dieses angedachte dritte Hilfspaket zum gewünschten Ergebnis führen wird. Es geht mir ausdrücklich NICHT darum, Griechenland im Stich zu lassen - Hilfe für das griechische Volk ist selbstverständlich. Aber Griechenland spielt im Euro in der falschen Liga und hat an diesem Platz keine Chance, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.

Bitte respektieren Sie die mehrheitliche Meinung der Wähler in Deutschland.

Mit freundlichen Grüßen
Ole Rossa

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Rossa,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Dritten Hilfspaket für Griechenland, dem ich zugstimmt habe und dies auch gerne begründe.

Die klare Linie der SPD war immer: wir sind solidarisch mit der griechischen Bevölkerung und unterstützen sie auf dem Weg aus der schweren Krise. Klar war und ist auch, dass wir allein mit dem dritten Hilfspaket Griechenland nicht retten können. Wir haben damit die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Griechenland sich selber rettet. Denn das vereinbarte Programmvolumen von bis zu 86 Mrd. Euro sichert vor allem, dass Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann und das Bankensystem gestützt wird: 61 Mrd. Euro fließen in Tilgung, Zinszahlung und Begleichung von Zahlungsrückständen; 25 Mrd. Euro in die Rekapitalisierung von Banken. Dieses Geld bewahrt Griechenland vor dem finanziellen Kollaps, sorgt aber an sich noch nicht für Wachstum. Wichtig sind deshalb die strukturellen Reformen, die zusammen mit dem finanziellen Volumen vereinbart wurden.

Das Memorandum of Understanding, das die Eurogruppe am 14. August mit der griechischen Regierung ausgehandelt hat und der entsprechenden Finanzhilfevereinbarung zugestimmt hat, vereinbart wichtige Reformen, die tatsächlich dabei helfen können, dass Griechenland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad kommt. Damit unterscheidet sich dieses Programm auch von vorherigen Programmen. Im Zentrum des MoU stehen nämlich nicht nur pure Haushaltsvorgaben und Sparziele, sondern strukturelle Verbesserungen der griechischen Wirtschaft und Verwaltung. Griechenland muss im eigenen Interesse endlich in die Lage versetzt werden, Steuern einzutreiben, eine effiziente Verwaltung aufzubauen, den Bürgern ein leistungsfähiges und finanzbasiertes Sozialsystem zu bieten und das teilweise oligarchische und verkrustete Wirtschaftssystem aufzubrechen. Nur dann können Staatseinnahmen und Investitionen dauerhaft steigen sowie dringend benötigte Arbeitsplätze entstehen. Nur dann kann das skandalöse Missverhältnis zwischen dem Reichtum einer traditionellen Elite und der deutlich zugenommenen Armut in der griechischen Bevölkerung endlich beendet werden. Und nur dann können die Verpflichtungen Griechenlands gegenüber seinen Gläubigern auch erfüllt werden.

Eine wichtige positive Ergänzung im Vergleich zum Grundsatzbeschluss vom Juli ist, dass es bei der Bankenrekapitalisierung doch zu einer Beteiligung der Anteilseigner der griechischen Banken kommen wird (Bail-in). Es war immer eine politische Forderung der SPD im Zusammenhang mit der Bankenunion, dass die Anteilseigner von Banken auch an den Kosten für deren Rettung beteiligt werden. Die Bankenrettung kann nicht primäre Aufgabe der Steuerzahler sein. Deshalb ist diese Ergänzung des Memorandum of Understanding sehr positiv zu bewerten. Und ganz wichtig dabei ist, dass die Einlagen der privaten Sparer davon nicht betroffen sind.

Aus meiner Sicht kommt es genau auf diese Mischung aus Strukturreformen, Finanzsektorstabilisierung und sozialer Ausgewogenheit an. Wir als SPD haben das seit Beginn der Krise gefordert und eine einseitige Ausrichtung der Krisenpolitik kritisiert. Dass die Akteure des Finanzsektors nicht angemessen an den Kosten der Krise beteiligt wurden, während es gleichzeitig in den Krisenländern empfindliche Einschnitte bei den kleinen und mittleren Einkommen gab und sich eine skandalös hohe Jugendarbeitslosigkeit verbreitete, hat radikalen und populistischen Gruppierungen Auftrieb gegeben.

Mit dem Beschluss des dritten Hilfsprogramms ist die Arbeit an dem Programm natürlich nicht abgeschlossen. Ganz im Gegenteil: durch regelmäßigere und genauere Programmüberprüfungen, wie sie derzeit von der EU-Kommission, der EZB, dem IWF und dem Euro-Rettungsfonds ESM durchgeführt werden, müssen wir sicherstellen, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden. Die griechischen Regierung muss jetzt die vereinbarten Reformen konsequent umsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Claudia Tausend

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