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Claudia Müller
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Anna S. •

Frage an Claudia Müller von Anna S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Müller,

Wer am Aktienmarkt investiert, hat häufig seine kurzfristige Rendite als Motivation. Doch eine Aktie ist ihrem Wesen nach eine Investition in die Zukunft – also etwas Langfristiges. Wäre nicht, um dem Rechnung zu tragen, eine Mindesthaltdauer von Aktien von einem ganzen oder halben Jahr eine Überlegung wert? So könnten möglicherweise auch Spekulanten in ihre Schranken gewiesen werden.

Wie stehen Sie zu diesem Gedanken?
Was ist Ihr Vorschlag für ein generationengerechtes, dem Menschen dienendes Finanzwesen?
Vielen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen,
A. S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Schmitt,

vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihren Vorschlag.
Wir teilen Ihre Einschätzung. Aktien sollten grundsätzlich als langfristiges Finanzanlage angesehen werden sollten. Das immer stärkere Kurzfristdenken an den Finanzmärkten, in welchen mittlerweile Wertpapier teilweise im Millisekundentakt gekauft und verkauft werden, sehen wir als Problem an. Denn über verschiedene Mechanismen überträgt sich dieses Kurzfristdenken auf die dahinterstehenden Unternehmen. So untergraben die Finanzmärkte langfristig nachhaltiges Handeln der Manager zu Gunsten von kurzfristig guten Quartalszahlen. Das bringt oft nicht nur Nachteile für die langfristig investierten Aktionäre, sondern hat allzu oft auch gesamtgesellschaftlich negative Folgen.

Eine Mindesthaltdauer von Aktien ist dabei ein mögliches Instrument. Jedoch gibt es hierbei vieles zu bedenken. Große Investoren würden eine solche Regel wohl über Derivate und ähnlich Instrumente relativ einfach umgehen können. Für Privatanleger, die diese Möglichkeit nicht haben, würde dagegen einer der großen Vorteile von Aktien, nämlich die Möglichkeit, wenn sie ihre Meinung über ein Unternehmen ändern oder dringend liquide Mittel brauchen, auch wieder zu veräußern, stark eingeschränkt. Damit würden Aktien für viele Privatanleger weniger attraktiv.

Um trotzdem langfristiges Handeln in Finanzmärkten und Unternehmen zu stärken setzen wir deshalb auf die folgenden Instrumenten:

- Wir wollen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (https://www.gruene-bundestag.de/themen/finanzkrise/finanztransaktionssteuer-einfuehren-jetzt) - einer winzigen Steuer auf jeden Kauf- oder Verkauf von Finanztiteln im Bereich von 0,01 Prozent. Damit werden langfristige Anleger praktisch nicht belastet. Spekulationen im kurzfristigen Bereich, insbesondere wenn Spekulanten mehrmals innerhalb von Sekunden große Beträge hin- und herschieben, werden dagegen unattraktiver.
- Auch wollen wir, dass Aktionäre, die sich einem Unternehmen langfristig verpflichten, größere Mitsprachrechte bekommen. Z.B. könnte man bei bestimmten Fragen durch eine Gewichtung von Stimmrechten in Abhängigkeit von der Haltedauer der jeweiligen Aktien langfristig beteiligte Anleger stärkeren.
- Manager wollen wir vom Kurzfristdenken der Finanzmärkte abschirmen, indem wir dafür sorgen, dass sich Managementvergütung am langfristigen und nachhaltigen Erfolg des Unternehmens orientieren und nicht an der kurzfristigen Aktienkursentwicklung.

Ihre zweite Frage kann man m.E. nicht mit einer oder zwei Maßnahmen beantworten. Ganz im Gegenteil, gibt es eine Reihe von Problemen, denen man mit einem Bündel von Maßnahmen begegnen muss. Ich kann an dieser Stelle nur kurz einige wichtige Felder anreißen:
Ein wichtige Baustein ist, dass Finanzsystem krisenfester zu machen. Der Staat darf nicht mehr in eine Situation kommen in welcher er sich gezwungen sieht die Finanzinstitute mit Steuerzahlergeld stabilisieren zu müssen um einen Kollaps zu vermeiden.
Weiterhin gilt es die Anreize in der Finanzberatung so zu verändern, dass Kunden nicht aufgrund von Provisionsinteressen immer wieder schlechte und unpassende Produkte verkauft werden. Stattdessen muss echte Beratung stattfinden und gefährliche Produkte für Kleinanleger müssen aus dem Markt genommen werden.
Schlussendlich muss das Finanzsystem Nachhaltigkeitsrisiken besser verarbeiten und einpreisen. Durch Investitionen z.B. in Kohle und Öl baut es derzeit enorme Risiken auf und befeuert Klimawandel und Umweltzerstörung. Das muss sich ändern.
Wie wir diese und weitere Punkte für ein besseres, den Menschen dienendes, Finanzsystem umsetzen wollen können Sie auf unseren Themenseiten Finanzen (https://www.gruene-bundestag.de/themen/finanzen) und Finanzkrise (https://www.gruene-bundestag.de/themen/finanzkrise) nochmal im Detail nachlesen.

Mit freundlichen Grüßen
Claudia Müller

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