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Clara Bünger
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Frage von Stephan V. •

Was halten Sie davon, dass Länder einzelne Teile der Gesetzgebung vorsätzlich nicht umsetzen? Wollen Sie in Deutschland Maßnahmen einführen die Gesetzesumsetzungen sicherstellen, bspw durch Beugehaft?

Am 10. Dezember des vergangenen Jahres wurde mit einer Änderung des Infektionschutzgesetzes die Impfpflicht für einige Berufsgruppen beschlossen. Zum 15. März sollte diese greifen. Doch haben einige Bundesländer mitgeteilt diese Pflicht vorerst nicht umzusetzen. Allen voran Bayern unter Ministerpräsident Söder.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Herr Söder weigert geltende Gesetze umzusetzen. 2019 musste sich der EuGH damit beschäftigen, ob ein Minister in Deutschland persönlich in Regress oder sogar Beugehaft genommen werden kann, um ihn zum Einhalten von rechtskräftigen Urteilen zu zwingen. Mangels gesetzlicher Regelungen war das nicht der Fall, wenn auch der EuGH diese Möglichkeit den Staaten grundsätzlich eröffnet sah. In Deutschland mangelt es an einer entsprechenden Regelung und Herr Söder und seine Kolleg:innen können sich derzeit sicher sein, im Falle der Verweigerung der Umsetzung von Gesetzen oder Gerichtsurteilen keine Konsequenzen befürchten zu müssen.

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Sehr geehrter Herr Stephan V.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Entschuldigen Sie, dass ich nicht früher dazugekommen bin, Ihnen zu antworten.

Der Vollzug von Bundesgesetzen ist explizit im Grundgesetz geregelt, vgl. Artikel 83 ff. GG. Die Mehrheit der Gesetze sind Bundesgesetze, die von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden. Im Regelfall des landeseigenen Vollzugs der Bundesgesetze obliegt es den Ländern nicht nur die Bundesgesetze zu vollziehen, sondern auch das zugrunde zu legende Verfahrensrecht und die Behördenorganisation zu bestimmen nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 1 GG. Eine vollständige Gleichstellung mit dem Vollzug der Ländergesetze besteht jedoch nicht.

So kann nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 2 die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen. Darüber hinaus obliegt der Bundesregierung die Aufsicht über die rechtmäßige Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder im Sinne des Artikel 84 Absatz 3 GG. Bei dieser sog. Bundesaufsicht, bei der es sich um eine Rechtskontrolle handelt, kann die Bundesregierung einen Beauftragten entsenden, der Auskünfte einholen, Akten einsehen oder Zeugen vernehmen kann. Werden dabei Mängel festgestellt, die trotz eines entsprechenden Verlangens der Bundesregierung nicht beseitigt werden, muss der Bundesrat und unter Umständen auch das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet werden nach Artikel 84 Absatz 4 GG. Eine eigene Weisungsbefugnis hat die Bundesregierung nur unter den engen Voraussetzungen des Artikel 84 Absatz 5 GG.

Als weitere Handlungsmöglichkeiten bei Verstößen der Länder gegen ihre Pflicht zur Ausführung von Gesetzen ist der Bundeszwang gemäß Artikel 37 GG zu nennen, der jedoch bislang nie zur Anwendung kam. Dieser kann durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates ausgeübt werden, wenn etwa das Land die festgestellten Mängel nicht behoben hat. Im Wege des Bundeszwanges dürfen nur diejenigen Maßnahmen ergriffen werden, die notwendig sind. Sie müssen geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Hierzu zählen alle tatsächlich und rechtlich zur Verfügung stehenden Mittel wie beispielsweise die Ersatzvornahme oder die Sperrung der Finanzmittel. Der Bundesregierung steht ein Weisungsrecht gegenüber den Ländern und allen ihren Behörden zu.

Als weitere Maßnahme kann ein Streit zwischen Bund und Ländern über die Umsetzung von Bundesgesetzen bis vor das Bundesverfassungsgericht getragen werden. Mit der Bund-Länder-Streitigkeit gemäß Artikel 93 Absatz 1 Nr. 3 GG ist eine ausdrücklich auf die Ausübung der Aufsicht zugeschnittene Verfahrensart vorgesehen. Bevor allerdings das Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann, muss der Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung beim Bundesrat gestellt werden.

Der Bundestag selbst kann die Bundesregierung weder zur Einleitung des Bundeszwangs noch zu dessen Beendigung rechtlich verpflichten. Auch ein vom Bundestag angeregter Bund-Länder-Streit ist nicht möglich, da dies nur der Bundesregierung vorbehalten ist.

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