Wieso setzen Sie sich nicht für einen Untersuchungsausschuss gegen Jens Spahn ein?
Sehr geehrter Herr Vries,
Die Corona-Maskendeals kosten uns Steuerzahler*innen extrem viel Geld: Laut Bundesrechnungshof sind bereits 517 Millionen Euro Schaden entstanden – es drohen weitere 3,5 Milliarden. Darüber hinaus könnte Spahn als Gesundheitsminister CDU-nahe Unternehmen bevorzugt haben. Doch die CDU blockiert die Ermittlungen und stellt sich gegen einen unabhängigen Untersuchungsausschuss.
Die geplante Enquete-Kommission zur Corona-Aufarbeitung ist völlig ungeeignet, um die Vorwürfe gegen Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn umfassend aufzuklären. Bei den konkreten Vorwürfen der Steuergeldverschwendung in Milliardenhöhe und fragwürdigen Geschäften in CDU-nahen Netzwerken braucht es schärfere Instrumente. Diese bietet nur ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss.
Wie können Sie es gestatten, dass derartige schwerwiegende Vorwürfe gegen Ihren Fraktionsvorsitzenden unaufgeklärt bleiben? Wie rechtfertigen Sie Ihr Nichtstun im Hinblick auf den Schaden an unserer Demokratie?

Sehr geehrter Herr E.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Zunächst möchte ich betonen, dass die CDU jederzeit großen Wert auf Transparenz und die ordnungsgemäße Verwendung von Steuergeldern legt. Aber es wäre unredlich, die Umstände zu Beginn der Corona-Pandemie außer Acht zu lassen. Während der Corona-Pandemie hat sich Deutschland in einem absoluten Ausnahmezustand befunden. Die Umstände der Maskenbeschaffung waren bei Ausbruch der Pandemie katastrophal, die weltweite Nachfrage explodierte. China, der Hersteller von rund 80 Prozent des weltweiten Maskenbedarfs, befand sich im Lockdown und hatte den Export aufgrund des eigenen Bedarfs weitgehend gestoppt. In deutschen Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen fehlten nicht nur Masken, sie wurden dort sogar gestohlen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Robert Koch-Institut entwickelten zeitweise Empfehlungen zur Erhitzung von Masken für die mehrfache Verwendung. Formal wären die Bundesländer für die Beschaffung zuständig gewesen, der Bund sprang hier ein, auch weil man keinen Bieterwettbewerb zwischen 16 Bundesländern auf dem Weltmarkt wollte. Den Beschaffungsämtern des Bundes bei BMI und BMVg gelang keine ausreichende Masken-Beschaffung. In der Folge übernahm das BMG die Aufgabe mit dem klaren Ziel, Leben zu schützen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems aufrechtzuerhalten.
Der Druck war enorm und die Erwartungshaltung an eine schnelle Lösung kam aus allen politischen Richtungen. Jens Spahn, der damalige Bundesgesundheitsminister, stand vor der Herausforderung, unter größtem Zeitdruck eine ausreichende Versorgung sicherzustellen. Wären in der ersten Welle keine Masken beschafft worden, hätte dies verheerende Konsequenzen haben können. Hätte der damalige Gesundheitsminister die üblichen Vergabeverfahrenspraktiken eingehalten, hätte die Beschaffung ein halbes Jahr gedauert. In diesem Fall wären die Bürger auf die Barrikaden gegangen. Die Erwartungshaltung der Bürger und auch vieler Politiker, die ihn nun am heftigsten kritisieren, war damals, innerhalb kürzester Zeit Schutzmasken zu beschaffen, die es nicht gab. Unter diesen Umständen hat Jens Spahn damals gehandelt und mit seinem beherzten Vorgehen vermutlich auf dafür gesorgt, dass Menschenleben gerettet wurde. Insofern ist eine ex post-Bewertung aus meiner Sicht in hohem Maße unredlich. Das dabei auch Fehler gemacht wurden, wird nicht bestritten, insbesondere nicht von Jens Spahn. Im Gegenteil er hat sich klar für eine lückenlose Aufarbeitung ausgesprochen- auch, um für zukünftige Krisen zu lernen.
Aus meiner Sicht sollte diese Aufklärung sachlich und ohne politische Instrumentalisierung erfolgen. Die Enquete-Kommission ist vor allem wichtig, um für künftige Pandemien besser gerüstet zu sein und aus Fehlern zu lernen. Ein Untersuchungsausschuss ist ein sehr scharfes parlamentarisches Mittel, das nur dann eingesetzt werden sollte, wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine schwerwiegende politische Verantwortung gibt. Ich bin überzeugt davon, dass Jens Spahn im besten Interesse unseres Landes gehandelt hat. Deshalb setze ich mich für eine faire und sachliche Bewertung der Vorgänge ein, ohne vorschnelle politische Urteile.
Mit freundlichem Gruß
Christoph de Vries