Portrait von Christoph de Vries
Christoph de Vries
CDU
98 %
52 / 53 Fragen beantwortet
Frage von Leopold S. •

Sind Sie für oder gegen eine Chatkontrolle inkl. Umgehung einer Ende-zu-Ende Verschlüsselung, wie sie von der EU Kommission vorgeschlagen wurde? [KOM(2022) 209]

Sehr geehrter Herr de Vries,

in der Debatte zur 79. Sitzung haben Sie sich nicht explizit zur Chatkontrolle geäußert. Dieses Verhalten ist überraschend, als sich nicht nur zahlreiche Bürgerrechtsbewegungen, sondern auch Kinderschutz-Organisationen vehement (!) gegen eine solche Chatkotrolle aussprechen.

Gegenüber netzpolitik.org bezeichnete der Geschäftsführer des Deutsche Kindervereins, Rainer Rettinger, die Chatkontrolle als „massiven Eingriff in rechtsstaatliche Grundsätze“. Auch für den wiss. Dienst des Bundestages sieht eine solche Chatkontrolle "unverhältnismäßige Eingriffe in die geprüften Grundrechte der GRCh vor" [WD 10 – 3000 – 026/22].

Meine zwei Fragen lauten daher wie folgt:

1. Sind Sie als Abgeordneter für oder gegen eine Chatkontrolle mit Umgehung einer Ende-zu-Ende Verschlüsselung wie sie vorgeschlagen wurde?
2. Ist ihre Antwort auf 1. auch Fraktionsmeinung der Union?

Ich bitte um konkrete Antworten alleinig bezogen auf das Instrument "Chatkontrolle".

Portrait von Christoph de Vries
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr S.,

herzlichen Dank für Ihre Frage. 

Ihre Frage impliziert eine anlasslose Massenüberwachung privater Chats. Leider wird genau dies immer wieder fehlerhaft dargestellt, womit in der Bevölkerung Unsicherheit geschürt wird. Ich empfehle diesbezüglich die Original-Literatur, in dem Fall die Vorschläge der EU-Kommission zur Vorbeugung und Bekämpfung von sexuellen Kindesmissbrauch selbst zu lesen.

Im Verordnungsentwurf der EU-Kommission geht es nicht um eine flächendeckende Chatkontrolle, bei der die Behörden Bürger Europas überwachen und abhören. Um es in aller Klarheit zu sagen, das ist nicht in meinem Interesse und dies ist auch nicht im Interesse der Europäischen Union, die der Einhaltung der Grundrechte hohe Bedeutung beimisst. Die Mitgliedstaaten der EU sind deshalb aufgefordert, ihre Ideen und Änderungen in das parlamentarische Beratungsverfahren, das ganz am Anfang steht, einzubringen. 

Was mich an der Diskussion wahnsinning ärgert ist, dass sie auf die Diskussion um die Chatkontrolle verkürzt ist und die vielen sinnvollen Vorschläge wie die Schaffung eines EU-Zentrums, die Verpflichtung von Online-Plattformen für die Sicherheit von Kindern Sorge zu leisten und Risiken verpflichten zu minimieren, unter den Tisch fallen.

Die "Chatkontrolle" von der Sie sprechen, nennt sich Client-Side-Scanning (CSS). Ein Scanning aufgrund vorgegebenen Hashwerte, die Kinderpornografie im Internet aufdecken und so die Täterverfolgung erst möglich machen. Das System funktioniert wie ein Viren-Scanner, der vermutlich auf jedem Endgerät installiert ist. Schon heute bekommen wir von den Amerikanern (NCMEC-Behörde) Hinweise auf Täter und Nutzer von kinderpornografischen Materials, die auf diesem Wege gewonnen werden. Ziel der EU-Kommission ist es, zukünftig nicht mehr auf die Amerikaner angewiesen zu sein, sondern auf EU-Ebene die Anbieter in die Pflicht zu nehmen und dem Kindesmissbrauch im Netz entschieden entgegen zu treten. Hinzu kommt, dass das aktuelle Abkommen mit NCMEC ausläuft und wenn es keine Anschlussregelung und keine Vorkehrungen auf EU-Ebene gibt, hätten die Täter ab 2024 freie Fahrt im Netz. Das kann niemand wollen und verantworten.

66 Kinderschutzorganisationen europaweit (May2022OpenLetterDE.pdf (childsafetyineurope.com)haben sich für den Vorschlag der EU-Verordnung ausgesprochen. Die Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Missbrauchs hat sich für das Scannen öffentlicher Chats (z.B. in Gamingplattformen oder sozialen Netzwerken) durch Schlüsselwörter ausgesprochen und befürwortet auch den Einsatz von Hashs zur Filterung bereits bekannten Materials. Ich persönlich möchte, dass private Kommunikation weiterhin geschützt bleibt, kann mir aber vorstellen, dass die technischen Möglichkeiten zum Scannen von Bild- und Videomaterial genutzt werden. Angesichts der rasant steigenden Verbreitung dieses widerlichen Materials und abertausender Kinder, die Opfer sexuellen Missbrauchs werden, ist Nichtstun für mich keine Option. Allein in den letzten 10 Jahren ist die Zahl der Berichte zu sex. Missbrauch an Kindern um 6000 % gestiegen. Die Meinungsbildung ist bei uns fraktionsintern noch voll in Gange.

Mit freundlichen Grüßen

Christoph de Vries, MdB

Deutscher Bundestag

Platz der Republik 1

11011 Berlin

Telefon: +49 30 227-74551

christoph.devries@bundestag.de

www.bundestag.de

 

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Christoph de Vries
Christoph de Vries
CDU