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Frage von Thomas W. •

Frage an Christian Lange von Thomas W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Lange,

der Beschluss der Regierung zu den Mindestlöhnen für Postzusteller ist zwar einerseits sehr zu Begrüßen andererseits aber nur halbherzig, da nicht alle Zusteller erfasst werden.

Der Briefdienstleister PIN hat nun angekündigt die Post von Zeitungsausträgern zustellen zu lassen. Somit werden meine schlimmsten Befürchtungen war.

Ich bin selbst Zeitungsausträger und ärgere mich täglich mit diesen Briefzustellungen herum. Wir Zusteller sind gezwungen zu den unmöglichsten Bedingungen diese Briefe mit auszutragen. Knebelverträge die die komplette Verantwortung auf den Zusteller übertragen bei einer Stückvergütung von beispielsweise deutlich unter 10 Cent völlig unabhängig vom Gewicht. Das gibt bei wohlwollender Berechnung des Stundenlohns (in meinem Fall) weder 8 Euro noch 5 Euro wie bei PIN , sondern vielleicht 1 Euro. Die Alternative für die Zusteller ist, das mitzumachen oder halt keine Zeitungen mehr auszutragen.

Wir haben kein Interesse daran den tariflich geschützten KollegInnen bei der Briefverteilung Konkurrenz zu machen. Deswegen darf es nicht sein das die privaten Postdienstleister diese Schlupfloch nutzen können. Im Moment sind die Stückzahlen bei uns noch moderat, das wird sich jetzt aber massiv ändern.

Meine konkrete Frage an Sie lautet daher: Stimmen Sie mir zu das der Beschluss zum Mindestlohn hier eine wesentliche Lücke aufweißt und würden Sie sich persönlich dafür einsetzen das hier ein Riegel vorgeschoben wird?

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Wanner

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Sehr geehrter Wanner,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 08.12.2007, das Sie über www.abgeordnetenwatch.de an mich gerichtet habe.

Ich verstehe Ihre Sorge, die Sie als Zeitungsausträger haben, angesichts aktueller Meldungen. Die "Financial Times Deutschland" berichtete am Freitag, den 7.12.2007, die Pin Group wolle über Kooperationen mit Zeitungsverlagen deren Zusteller für die Verteilung von Briefen einsetzen, um den geplanten Mindestlohn von 8 bis 9,80 Euro je Stunde für Briefzusteller zu umgehen. Zeitungsausträger sind vom geplanten Mindestlohn nicht betroffen und könnten die Pin-Sendungen für deutlich weniger Geld ausliefern, so die Überlegungen. Bei den Partnerfirmen entstünden Arbeitsplätze, dem gegenüber die mehrheitlich zum Springer-Verlag gehörende Pin Group gleichzeitig Massenentlassungen plant und dafür den Mindestlohn verantwortlich macht. Eine Springer-Sprecherin äußerte sich allerdings zur obigen Nachricht dahingehend, dass für Axel Springer als Hauptgesellschafter eine Umgehung nicht infrage komme. Man werde sich an Recht und Gesetz halten.

Derzeit ist also noch nichts entschieden. Selbstverständlich werde ich mich aber dafür einsetzen, dass keine Umgehungstatbestände auf dem Rücken der Zeitungsausträger geschaffen werden. So wollen wir den Mindestlohn nicht verstanden wissen.

Im Übrigen halte ich die Argumentation der PIN Group und des Springer-Chefs Mathias Döpfner zum Post-Mindestlohn für ein Täuschungsmanöver. Bei der Neunmonats-Bilanzkonferenz des Axel-Springer-Konzerns hatte Mathias Döpfner noch erklärt, für die großen Post-Konkurrenten wie PIN biete ein Mindestlohn sogar Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Mitbewerbern. Jetzt nehmen Springer und PIN den angekündigten Mindestlohn zum Vorwand, um unternehmerische Fehlentscheidungen auf dem Rücken von gut tausend Beschäftigten abzuladen, die Öffentlichkeit zu täuschen und Stimmung gegen die Aufnahme der Briefzusteller ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu machen.

Am 7. November hatte Springer-Chef Mathias Döpfner für die PIN Group einen Verlust von 47,8 Millionen Euro in den ersten neun Monaten 2007 eingeräumt, der sich für das Gesamtjahr auf 55 Millionen Euro summieren werde. Der Gesamtkonzern habe durch den Einstieg ins Postgeschäft über eine mehrheitliche Beteiligung an der PIN Group und wegen hoher Anlaufverluste beim Gewinn nur marginal zugelegt. Den geplanten Mindestlohn von 8,00 bis 9,80 Euro in der Postbranche nannte Döpfner vor nicht einmal einem Monat "ordnungspolitisch bedenklich" und "sehr unerfreulich". Für die wenigen Großen der Branche wie PIN und TNT sagte er allerdings voraus, könne eine Beschränkung des Wettbewerbs trotz der Lohnkostennachteile mittel- und langfristig sogar Vorteile haben und Marktchancen verbessern. Vor vier Wochen ging es darum, die seit Juni bestehende 71,6-Prozent-Beteiligung von Springer an der PIN Group und die damit verbundenen Verluste schön zu reden. Damals gab es Spekulationen über eine Kooperation mit einem Konkurrenten. Nun sind wohl die Pläne gescheitert, sich mit einem Verkauf der PIN AG an TNT vom Briefmarktabenteuer zu verabschieden.

Es ist schäbig, diese Managementfehler jetzt auf den Post-Mindestlohn abzuwälzen, gut tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit zu entlassen und möglicherweise noch die Zeitungszusteller zur Umgehung einer gesetzlichen Vorgabe zu benutzen. Damit soll auf Kosten der Betroffenen öffentlich Druck gemacht werden gegen den Mindestlohn, mit dem nichts anderes bezweckt werden soll, als Menschen für ihre Arbeit anständig zu bezahlen und die Subventionierung von Lohndumping zu beenden.

Erstaunlich auch, dass der Stellenabbau vor allem in Bayern und Niedersachsen erfolgen soll, wo der von den Postkonkurrenten gezahlte Durchschnittslohn nach Angaben der Bundesnetzagentur überdurchschnittlich bei angeblich rund 8,50 Euro liegt, also bereits jetzt über dem vom Verdi und Postarbeitgebern im Tarifvertrag vereinbarten Mindestlohn von 8,40 Euro.

In diesem Sinne halte ich auch die neuesten Meldungen über die Umgehung von Mindestlöhnen durch die Inanspruchnahme von Zeitungsausträgern ebenfalls für ein Ablenkungs- bzw. Täuschungsmanöver. Dennoch werden wir wachsam sein und alles unternehmen, dass eine Umgehung des Post-Mindestlohns nicht möglich ist.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Lange