Brigitte Lösch
Brigitte Lösch
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Elke R. •

Frage an Brigitte Lösch von Elke R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Brigitte Lösch,

Ich wende mich heute an Sie da ich schon mehrmals an unseren Ministerpräsidenten Kretschmann geschrieben habe und nie eine Antwort erhalten habe.

Ich akzeptiere, dass der Corona-Virus eine Gefahr für bestimmte Risikogruppen ist und für diese nicht zu unterschätzten ist ABER

über die Vorgehensweise unserer Regierung in dieser Krise bin ich mehr als entsetzt. Wie viele Experten müssen noch aufstehen und beweisen, dass der Lock-Down nicht nötig war bevor reagiert wird? Warum wird die Mundschutz-Pflicht nicht aufgehoben? Selbst Hr. Drosten hat in einem Interview im Januar 2020 gesagt, dass der Mundschutz nichts hilft. Waren Sie einkaufen? Wissen Sie was für eine Quälerei das ist? Wieviel Angst zusätzlich noch geschürt wird?

Jeder der sich kritisch äußert wird mundtot gemacht und als gestört, psychopathisch, rechts orientiert oder als Verschwörungstheoretiker abgestempelt. Was ist mit dem sog. „Corona-Papier“ das ein Mitarbeiter des BMI mit Hilfe von namhaften Wissenschaftlern erstellt hat? Warum wird er gekündigt, weil er sich einsetzt die Wahrheit ans Licht zu bringen? Wo ist unsere Demokratie geblieben, wenn man seine Meinung nicht mehr kundtun darf?

Ich bin 56 Jahre alt und habe erlebt wie die Grünen 1993 gegründet wurden. Wir waren alle voller Hoffnung, dass jetzt endlich eine Partei die Interessen der Bürger vertritt. Inzwischen bin ich mehr als enttäuscht und schäme mich jemals die Grünen gewählt zu haben. Warum tun sie nichts? Warum lassen Sie Fr. Merkel und Co. Deutschland an die Wand fahren? Warum steht von Ihnen niemand auf?

Nach über 20 Jahren war ich am letzten Samstag wieder auf einer Demonstration (Villingen) und was habe ich gesehen? Menschen jeglichen Alters, jeglicher Herkunft die friedlich miteinander für Freiheit eingetreten sind. Ohne Krawalle, ohne Unruhestifter. Und dann durften wir die deutsche Nationalhymne NICHT singen. Auflage der Stadt. Einigkeit und Recht und Freiheit . . . wo sind sie geblieben?

Mit schwerem Herzen voller Sorgen verabschiede ich mich und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

Mit freundlichen Grüßen

E. R. .

Brigitte Lösch
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Retzer,

vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch an mich, auf die ich Ihnen gerne antworte. Ihre Kritik können wir gut nachvollziehen. Die Corona-Krise hält die Welt seit Monaten in Atem. Wir haben erlebt, dass die kurzfristig erlassenen, sehr weitgehenden Maßnahmen und das umsichtige Vorgehen der Bürgerinnen und Bürger erfolgreich waren: Das exponentielle Wachstum und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems konnte verhindert werden. Dies hat Menschenleben gerettet! Wir Baden-Württemberger*innen können stolz darauf sein, dass wir dieses Ziel durch große Kraftanstrengungen erreicht haben.

Allerdings mussten wir alle akzeptieren, dass dafür in unsere Grundrechte in noch nie dagewesener Tiefe eingegriffen wurde. Kaum ein Grundrecht, welches nicht betroffen war: Es ist eine in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie dagewesene Situation, dass flächendeckend das öffentliche Leben per Erlass zum Stillstand kommt. Die Grundrechte gewähren daher nicht nur Freiheitsrechte, sondern geben Bürgerinnen und Bürgern auch einen Schutzanspruch: Aus dem Recht zu Leben und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit in Art. 2 II des Grundgesetzes folgt die Pflicht des Staates, tätig zu werden, wenn diese Rechte in Gefahr sind. Es ist nicht selten der Fall, dass die Ausübung eines Rechts unweigerlich damit zusammenhängt, dass die Freiheiten eines anderen eingeschränkt werden. Die Entscheidungen darüber, wie diese Rechte in einem angemessenen Ausgleich gebracht werden können, erfordert eine feine Abwägung.

Der Staat muss bei jeder einzelnen Maßnahme prüfen, ob sie wirklich geeignet ist, die Infektionsgefahr in einem großen Umfang zu minimieren. Hier müssen wir derzeit vor allem den Wissenschaftler*innen vertrauen. Sie sagen uns, dass nur ein Abflachen der Kurve durch Reduzierung der Kontakte sowie eine Maskenpflicht in vielen öffentlichen Einrichtungen vor einem unkontrollierten, exponentiellen Ansteigen der Infektionszahlen schützt. Dieses Abflachen benötigen wir dringend, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern – nur so können wir sicherstellen, dass wir alle hilfsbedürftigen Kranken behandeln können. Das Verfassungsrecht gewährt der Politik bei solchen unsicheren Prognoselagen einen sehr großen Beurteilungsspielraum.

Ich finde, dass angesichts des Risikos dieser Pandemie, unser Staat die richtigen Entscheidungen getroffen hat.

Wir erleben eine Situation, in der es gerade unser offenes, freiheitliches, geselliges, Leben ist, welches die Gefahr einer nicht selten schweren, tödlichen Virusinfektion mit sich bringt. Es droht der Kollaps unseres Gesundheitssystems, eine Situation, in der Ärztinnen und Ärzte entscheiden müssen, welches Leben sie retten und welches nicht. Nach Überwinden der Krise halte ich es aber für notwendig, dass der Bundesgesetzgeber auf die kritische Verfassungsdebatte reagiert und die Ermächtigungsgrundlagen für die Länder näher konkretisiert. Für mich und die Grüne Fraktion in Baden-Württemberg ist entscheidend, dass wir uns strikt an die Verfassung halten und keine unverhältnismäßigen Maßnahmen beschließen. So hat sich unser Ministerpräsident beispielsweise beim Gipfel mit den 16 Ländern und dem Bund erfolgreich dafür eingesetzt, von Ausgangsverboten abzusehen. Denn entscheidend ist die Reduzierung der Kontakte und nicht die Reduzierung der Bewegungsfreiheit. Wir haben uns auch von Anfang an strikt gegen die Erstellung von Bewegungsprofilen oder die Ortung von Infizierten mittels Funkzellendaten ausgesprochen. Das wäre schon deshalb unverhältnismäßig und damit auch verfassungswidrig, weil der Nutzen sehr gering ist und die Maßnahme also kaum geeignet ist.

Wir erleben momentan, dass das erfolgreiche Ausbleiben der Gefahr dazu führt, dass rückblickend die Maßnahmen in Frage gestellt werden.
Wie oben beschrieben, müssen Entscheidungsträger*innen bei einer solchen Lage, ihre Entscheidungen auf wissenschaftliche Prognosen stützen. Sie können bei einem neuartigen Virus zu dem es bislang keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, nicht erst die weitere Forschung abwarten, denn gesicherte Erkenntnisse stehen am Ende eines langen Prozesses.

Die Politik hat sich auf die eindeutigen Empfehlungen des hierfür gesetzlich zuständigen Robert-Koch-Instituts verlassen. Aus dieser Sicht waren die Maßnahmen in den letzten Wochen dringend erforderlich. Sie haben ein Eindämmen des Virus ermöglicht und sind damit der Grund, dass eine vergleichbare Situation wie in Italien ausblieb. Zudem ist die Pandemie auch nicht ausgestanden. Es droht jederzeit wieder ein exponentieller Ausbruch der Fallzahlen, weshalb wir weiterhin aufmerksam das Geschehen verfolgen müssen um den erreichten Erfolg nicht zu gefährden. Klar ist aber, dass je mehr Ruhe einkehrt, Entscheidungen und Verfahren wieder umfassender begründet werden müssen. Für uns Grüne kommt dabei dem Zuhören von kritischen Anregungen eine besondere Bedeutung zu: Unsere Politik des Gehört Werdens wird von uns stets mit Leben gefüllt. Daher freuen wir uns sehr über Ihre Zuschrift und die Möglichkeit mit Ihnen in Austausch zu treten.

Wenn Sie noch Fragen oder Anregungen haben, kommen Sie gerne jederzeit auf mich zu!

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Lösch MdL