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Birgit Sippel
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Frage von Reinhard G. •

Frage an Birgit Sippel von Reinhard G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Birgit Sippel,

das Weltwirtschaftsforum hält in dieser Woche Videokonferenzen ab. Dazu sind insbesondere auch die Führer von großen internationalen Unternehmen geladen. Am 21. Oktober 2020 wurde vom Weltwirtschaftsforum ein „White Paper“ veröffentlicht. Drin geht es um eine zukünftige andere Agenda der Arbeitswelt.

www3.weforum.org/docs/WEF_NES_Resetting_FOW_Agenda_2020.pdf

https://www.weforum.org/whitepapers/resetting-the-future-of-work-agenda-disruption-and-renewal-in-a-post-covid-world

Der Titel lautet: „Resetting the Future of Work Agenda: Disruption and Renewal in a Post-COVID World“

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Ich fände es gut, wenn ich von einer oder einem Abgeordneten, die oder der diese PDF zu Ende gelesen hat, eine Stellungnahme erhalten würde. Könnte der Einfluss des Weltwirtschaftsforums, beziehungsweise der Einfluss von einigen Teilnehmern, in der näheren Zukunft größer sein, als in der Vergangenheit?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Großmann,

zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre Frage auf www.abgeordnetenwatch.de und meine Bitte um Entschuldigung für die verspätete Antwort.

Als S&D haben wir die Erklärung vom Weltwirtschaftsforum nicht gesondert aufgenommen, und auch die Frage, ob der Einfluss des Weltwirtschaftsforums bzw. einiger Teilnehmer:innen in der näheren Zukunft größer sein könnte als in der Vergangenheit, ist schwierig abzuschätzen. Aber natürlich haben wir selbst ambitionierte Vorstellungen darüber, wie wir angesichts der Herausforderungen – Digitalisierung, Grüner Wandel, Globalisierung und auch der aktuellen Pandemiesituation – Arbeit und Soziales in der Zukunft meistern müssen und welche Initiativen und Maßnahmen unerlässlich sind.

Als EU-Parlament ist unser Maßstab für die zukünftige Politik die Entschließung „Ein starkes soziales Europa für gerechte Übergänge“ vom 17. Dezember 2020 (2020/2084(INI)), auch bekannt als Radtke/Jongerius Bericht: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0371_DE.pdf

Darin heben wir hervor, dass die EU den Übergang zu einer CO2-armen, klimaneutralen und ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft mit einem Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit sicherstellen muss. Das Wohlergehen, der soziale Fortschritt, die Sicherheit, der Wohlstand, die Gleichheit und die Inklusion müssen gesteigert werden, wobei niemand zurückgelassen werden darf. Dies ist für uns keine Frage von Luxus, im Gegenteil: Soziale Nachhaltigkeit stellt eine wesentliche Voraussetzung für gerechte und inklusive ökologische, digitale und demografische Übergänge dar. Soziale Gerechtigkeit, menschenwürdige Arbeit mit existenzsichernden Löhnen, Chancengleichheit, faire Mobilität und tragfähige Sozialsysteme sind wesentliche Elemente eines gerechten Übergangs zu einem nachhaltigen und sozialen Europa.

Mit Blick auf die derzeitige Pandemie-Situation fordern wird, dass in der Phase der Erholung nach der Pandemie Reformen erfolgen müssen, die auf ganzer Linie auf die Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und deren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung abzielen und auf Solidarität, Integration, sozialer Gerechtigkeit, der gerechten Verteilung von Wohlstand, der Gleichstellung der Geschlechter, hochwertigen öffentlichen Sozialsystemen, hochwertiger Beschäftigung und nachhaltigem Wachstum beruhen. Ein Modell, das Gleichberechtigung und sozialen Schutz sicherstellt, die Bedürfnisse schutzbedürftiger Gruppen berücksichtigt, die Teilhabe und die Bürgerschaft stärkt und die Lebensbedingungen aller verbessert, betrachten wir als den besten Weg für die EU, aus dieser Krise hervorzugehen. Nur so ermöglichen wir einen nachhaltigen, widerstandsfähigen und für die nächste Generation gerechteren Weg.

Als Sozialdemokrat:innen im Europäischen Parlament sind wir der Meinung, dass der für den 7. Mai 2021 in Porto anberaumte, nächste EU-Sozialgipfel die ideale Gelegenheit bietet, diese Agenda durch die führenden Vertreter:innen der 27 Mitgliedstaaten des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission anzunehmen (für mehr Infos: https://www.consilium.europa.eu/de/meetings/international-summit/2021/05/07/).

Aus diesem Grund haben wir uns als PES (Party of European Socialists) Ende Februar 2021 auch in einem Brief an Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen gewandt. (https://pr.euractiv.com/pr/it-time-ambitions-eu-social-action-plan-party-european-socialists-stresses-letter-eu-presidents ). Darin stellen wir u.a. die folgenden konkreten Forderungen:

· eine Europäische Agenda für qualitative Jobs, inklusive der Abschaffung von sogenannten Null-Stunden-Verträgen

· eine Richtlinie zu anständigen Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechten in der Digitalwirtschaft für alle Arbeitnehmer:innen

· eine Richtlinie zum Recht auf Nichterreichbarkeit (zu dem wir als EU-Parlament bereits im Januar 2021 einen Initiativbericht verabschiedet haben: https://www.spd-europa.de/nachrichten/recht-auf-nichterreichbarkeit-einfuehren )

· eine Richtlinie über Mindeststandards und Mindestbedingungen für faire Telearbeit (inkl. Schutz der Privatsphäre der Arbeitnehmer:innen)

· eine Rahmenrichtlinie über Europäische Mindestsicherung

· eine Richtlinie zur Gehaltstransparenz

· eine Überarbeitung der Richtlinie 2014/24/EU über öffentliche Vertragsvergabe, der Richtlinie 89/391/EWG zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer:innen bei der Arbeit sowie der Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit

· die umgehende Umsetzung der Europäischen Kindergarantie auf Basis eines ambitionierten Budgets von 20 Mrd. Euro

· die Einführung einer digitalen EU Sozialversicherungsnummer

Ich hoffe, dass ich Ihnen hiermit einen Einblick geben konnte, welche Maßnahmen aus unserer Sicht notwendig sind, um Arbeit und Soziales in der Zukunft fair zu gestalten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Birgit Sippel

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