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Bettina Hagedorn
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Frage von Hartmut S. •

Frage an Bettina Hagedorn von Hartmut S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Hagedorn,
ich finde es nicht in Ordnung welche Ausmaße der digitale Ausbau mit Glasfaser in Kasseedorf annimmt.
Es ist schon nicht zu verstehen das die Stadtwerke Eutin ausbaut, parallel zum ZVO, aber wie ich gehört habe wird wohl auch die eingeschlafene Telekom hier aktiv werden wollen. So werden also Steuergelder mal Drei hintereinander vergraben und können nicht für andere wichtige Dinge in der Gemeinde investiert werden. Solche Dinge zu sehen kostet sehr viel Kraft.
Ich musste Ihnen einfach schreiben, weil dieser Steuerverschwendungswahnsinn kostenlose Werbung für die Parteien aus der Rechten Ecke ist. Warum gibt es keine glaubhaften Gründe so etwas zu vermeiden?
Danke, das Sie das ändern.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordneten-Watch zum Thema „Glasfaserausbau“ in meiner Heimatgemeinde Kasseedorf und zum angeblichen „Steuerverschwendungswahnsinn“ in diesem Zusammenhang. Sie verweisen gleichzeitig auf die angeblich „kostenlose Werbung für Parteien aus der rechten Ecke“ und haben dabei ganz sicher die in Schleswig-Holstein – und auch in Kasseedorf – anstehende Kommunalwahl am 6. Mai 2018 im Blick. Darum bin ich sehr froh, dass Sie mich öffentlich angeschrieben haben und mir damit Gelegenheit geben aufzuklären, dass es NULL Steuerverschwendung im Zusammenhang mit dem Glasfaserausbau in Kasseedorf (und anderswo im ländlichen Raum!) gibt und dass es darum auch komplett falsch ist, dass dieses Steuergeld „nicht für andere wichtige Dinge in der Gemeinde investiert werden“ kann. Es entspricht allerdings auch meiner Erfahrung, dass „Parteien aus der rechten Ecke“ gerne mit solchen falsch geschilderten Sachverhalten auf Stimmungsmache bei den Wählerinnen und Wählern gehen – umso besser, dass Sie dann hoffentlich mit Unterstützung meiner Aufklärung in dem heutigen Schreiben in Kasseedorf mithelfen werden, gegen solche „Fake-News“ offensiv vorzugehen.

Vorweg: Bis zum Start der Großen Koalition in Berlin 2013 wurde in Deutschland der Breitbandausbau (außer in einigen kleinen Modellprojekten) überhaupt NICHT mit Steuermitteln gefördert. Speziell die Politik der CDU/CSU/FDP Regierung vertraute von 2009 bis 2013 auf den „Wettbewerb und freien Markt“ zur Digitalisierung in Deutschland. Große Akteure – wie z.B. die Telekom – schritten bei der Breitband-Erschließung von dicht besiedelten Gebieten und Städten voran, die für ihr Geschäftsmodell satte Gewinne versprachen. Der ländliche Raum allerdings wäre OHNE staatliche Förderung bis heute und in der Zukunft unerschlossen geblieben.

Um DAS zu ändern stellte die Groko in den Jahren 2014 bis 2017 4 Mrd. Euro Bundesmittel speziell für den Breitbandausbau im ländlichen Raum zur Verfügung. Ich selbst war damals zuständige Berichterstatterin für Verkehr und Digitale Infrastruktur im Haushaltsauschuss und für diese 4 Mrd. Euro zuständig, die die große Koalition für das Förderprogramm Breitbandausbau bis 2020 bewilligt hat. Ich halte diese Maßnahme für den ländlichen Raum ausdrücklich für überfällig, denn das schnelle Internet gehört längst in ganz Deutschland zur Daseinsvorsorge und ist nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger auf den Dörfern für ihr Privatleben wichtig, sondern vor allem für viele Gewerbetreibende im ländlichen Raum, die sich ohne schnelles Internet nicht erfolgreich am Markt behaupten können.

Die Förderrichtlinie des damaligen Berliner CSU-Verkehrsministers Dobrindt von 2015 machte es zunächst für diejenigen, die diese Fördermittel des Bundes in Anspruch nehmen wollten, erforderlich, die „weißen Flecken“ im ländlichen Raum zu ermitteln – das sind die Gebiete, die aktuell kein „schnelles Internet“ haben und absehbar nicht von privaten Anbietern (wie der Telekom oder Stadtwerken) versorgt werden. In Ostholstein schlossen sich 29 Gemeinden im ländlichen Raum zusammen und beauftragten den Zweckverband Ostholstein (ZVO), um diese „weißen Flecken“ zu ermitteln und ein Konzept zum Glasfaserausbau samt Kostenkalkulation aufzustellen, damit dieser dann Fördermittel beim Bund für Ostholstein beantragen konnte. Diese 29 Kommunen zahlten als Vertragspartner des Zweckverbandes (pauschal!) einen Beitrag für die „Dienstleistung“, die der ZVO für sie erbringt – das einzige „Steuergeld“, das die Gemeinde Kasseedorf (per Gemeindevertreterbeschluss!) bezahlt hat, und zwar unabhängig davon, wie viele Bürgerinnen und Bürger sich am Ende in welchen Ortsteilen tatsächlich anschließen. Der ZVO gründete für den Breitbandausbau extra eine eigene „Sparte“, die von den Bürgermeistern der Mitgliedsgemeinden – wie alle Sparten des ZVO – in demokratisch gewählten Gremien geführt und kontrolliert wird.

Am 21. März 2017 erhielt der ZVO einen Förderbescheid über 15 Mio. Euro aus Bundesmitteln zur Förderung des Glasfaserausbaus in Ostholstein für diese 29 Kommunen – das war die höchst mögliche Fördersumme, damit nun der Breitbandausbau zügig umgesetzt werden kann. Bei der Förderbescheid-Übergabe im Berliner Verkehrsministerium an die ZVO-Chefin Gesine Strohmeyer war ich selbst anwesend und habe mich riesig gefreut, dass es jetzt losgehen konnte. Kurz darauf beauftragte der ZVO nach Ausschreibung das Unternehmen TNG Stadtnetz GmbH, das als Pächter und Betreiber des kommunalen Glasfasernetzes fungieren wird. Inzwischen ist klar, dass alle Ortsteile in der Gemeinde Kasseedorf inklusive der etwas abgelegenen Griebel, Vinzier und Bergfeld noch 2018 ans Glasfasernetz angeschlossen werden, wenn die Anwohner mit der TNG Verträge abgeschlossen haben. Ich habe meinen Vertrag unterschrieben und freue mich jetzt auf das schnelle Internet in absehbarer Zeit.

In der Tat gab es im letzten Jahr viel Unruhe in einigen der 29 ZVO-Kommunen speziell im ländlichen Umfeld von Eutin durch das teils aggressive und ungerechtfertigte Vorgehen der Eutiner Stadtwerke mit Konkurrenzangeboten und teils unwahren Behauptungen, im Bemühen Kunden im Nachbarbereich zu werben und die gemeindliche Strategie der Nachbarn zu konterkarieren. Ich persönlich war von dieser „Geschäftspolitik“ der Eutiner Stadtwerke als letztlich kommunales Unternehmen entrüstet und habe das auch öffentlich deutlich gegenüber den Vertretern der Stadt Eutin zum Ausdruck gebracht. In mehreren Ortsteilen der Gemeinden Malente, Süsel und Kasseedorf hat das dazu geführt, dass – wie in Stendorf und Sagau – nahezu alle Anwohner Verträge mit den Eutiner Stadtwerken abgeschlossen haben und deshalb die TNG jetzt dort KEIN Glasfasernetz verlegen wird. Da Sagau der zweitgrößte Ort unserer Gemeinde Kasseedorf ist, wurde es für die Gemeindevertreter und die Bürgermeisterin Regina Voß zur Herausforderung, dennoch die zur Erschließung ALLER Ortsteile (auch der sehr entlegenen und für die Eutiner Stadtwerke wirtschaftlich unattraktiven!) erforderliche Anschlussquote von 60 Prozent der Haushalte zu schaffen, damit der flächendeckende Glasfaserausbau im gesamten Gemeindegebiet gesichert werden konnte. Ich bin sehr froh darüber, dass dieses Ziel – trotz der „Lockangebote“ zu Vertragsabschlüssen durch die Eutiner Stadtwerken oder die Telekom – Dank des auch persönlichen Einsatzes der Bürgermeisterin letztlich zum Erfolg geführt hat. Denn durch die „Rosinenpickerei“ speziell dieser beiden Anbieter (die KEINE Steuermittel für ihren Ausbau erhalten!) wäre die verlässliche Versorgung des ländlichen Raumes bis zum letzten Einzelgehöft und entlegenen Ortsteilen fast gefährdet gewesen – ein Beleg für aggressives wirtschaftliches Eigeninteresse in Konkurrenz zum Solidargedanken zur Versorgung des gesamten ländlichen Raumes. Nur dank des großen Engagements der Kasseedorfer Gemeindevertreter, die unermüdlich FÜR den ZVO-Anschluss geworben haben, konnte am 11. Dezember 2017 der 1. offizielle Spartenstich in der Sagauer Straße in Kasseedorf gesetzt werden.

Fazit Nr.1: Es wird definitiv NICHT – wie Sie schreiben – „Steuergeld mal drei hintereinander vergraben“. Die Gemeinde Kasseedorf hat nur einmalig und pauschal einen von der Gemeindevertretung beschlossenen Beitrag als Vertragsgemeinde des ZVO bewilligt, der auch NICHT vom ZVO hätte zurückgezahlt werden müssen (da der ZVO ja seine „Dienstleistung“ im ländlichen Raum Kasseedorfs voll erbracht hätte), falls es durch fehlende Nachfrage in der Gesamtgemeinde (unter 60 Prozent der Haushalte) KEINEN Glasfaserausbau in der Gemeinde durch die TNG gegeben hätte. Die Gemeinde hatte darum nur Nachteile durch die Erschließung von Stendorf und Sagau durch die Eutiner Stadtwerke und KEINE Vorteile.

Fazit Nr. 2: Die 15 Mio. Euro Bundesförderung für den Glasfaserausbau in 29 ländlichen Gemeinden in Ostholstein in der Verantwortung des ZVO sind gut angelegte Steuermittel, weil ohne dieses Geld aus Berlin unsere Region auf Dauer vom Ausbau des Glasfasernetzes ausgeschlossen geblieben wäre. Die 29 Gemeinden, die den Zweckverband Ostholstein mit seiner neu gegründeten Breitbandsparte mit dem Ausbau eines leistungsfähigen Glasfasernetzes beauftragt haben, warten sehnsüchtig darauf, dass schon bald mit dem schnellen Internet im ländlichen Raum endlich eine Wohnqualität hergestellt wird, für die Private bislang kaum Interesse und Verantwortung gezeigt haben, und eine zukunftsweisende Versorgung auch dort entsteht, wo der Ausbau für die großen Betreiber mit ihren Profitinteressen als „unattraktiv“ eingestuft wird.

Übrigens: Während in Bayern und einigen anderen Bundesländern noch auf „Kupferkabel“ gesetzt wird, ist Schleswig-Holstein unter allen Flächenländern bundesweit führend bei der Verlegung von Glasfasernetzen.
Und: In der neuen GroKo stehen bis 2022 weitere 11 Mrd. Euro für den Digitalausbau in Deutschland zur Verfügung – davon 5 Mrd. Euro allein für eine Bildungsoffensive zur Digitalisierung an allen Schulen und Bildungseinrichtungen.

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Hagedorn

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