Portrait von Beate Müller-Gemmeke
Beate Müller-Gemmeke
Bündnis 90/Die Grünen
100 %
23 / 23 Fragen beantwortet
Frage von Matthias J. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Matthias J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Müller-Gemmeke,

in einem der letzten Newsletter berichtete abgeordnetenwatch von einer Tendenz, dass die zuständigen Finanzämter rechten Organisationen eher die Gemeinnützigkeit zuerkennen würden, als wirtschaftskritischen (also linken). Sie erinnern sich sicher daran, dass attac im Februar seine Gemeinnützigkeit verloren hat und aktuell laufen Bestrebungen, auch der DUH die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Gleichzeitig sind aber rechte Organisationen wie EIKE und journalistenwatch als gemeinnützig anerkannt. Gilt hier wirklich gleiches Recht für alle?

Wie kann man eine einheitliche und überprüfbare Bewertung, was gemeinnützig ist, und was nicht, sicherstellen? Bei einem Ortsverein mag es ja praktisch sein, dass das lokale Finanzamt über die Gemeinnützigkeit entscheidet. Aber bei bundesweiten Organisationen? Und dann entscheidet irgendein Sachbearbeiter in irgendeinem Finanzamt über die Gemeinnützigkeit? Das lädt ja gerade dazu ein, dass man seinen Verein dort eintragen lässt, wo man einen Parteigänger im Finanzamt hat. Jede Partei hat ihre gemeinnützigen Anhängsel, allesamt auch mit dem Ziel, politische Wirkung zu entfalten, aber attac darf nicht gemeinnützig sein?

Wie würden Sie dieses Thema ordnen?

Nebenbei: Ich bin kein Freund der DUH. In meinen Augen missbraucht sie den Umweltschutz als Vorwand für ihr Abmahn-Geschäftsmodell und provoziert einen Hass auf alles, was mit Umweltschutz zu tun hat. Und damit hilft sie der Umwelt NICHT. Sachliche und konstruktive Debatten werden immer schwerer! Ich bin nur auf die DUH eingegangen, weil sich daran zeigt, dass die Rechtskonservativen nach der Aberkennung der Gemeinnützigkeit von attac erst auf den Geschmack gekommen zu sein scheinen. Who's next?

Freundliche Grüße

Portrait von Beate Müller-Gemmeke
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr J.,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen natürlich gerne beantworte.

Eine kritische Zivilgesellschaft ist existenziell für eine lebendige Demokratie. Dabei spielen Gemeinnützige Organisationen eine wichtige Rolle. Viele gemeinnützige Vereine machen Demokratiearbeit, die wir heute dringender denn je brauchen. Dabei sind auch Gemeinnützigkeit und politische Arbeit keine Widersprüche. Gerade zu den finanzstarken Privatinteressen und Lobbyisten braucht es eine handlungsfähige Zivilgesellschaft als Gegengewicht.

In diesem Zusammenhang ist es fatal, dass attac die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Dies war ein schwarzer Tag für unsere Demokratie. Denn das Kräfteverhältnis zwischen finanzstarken Wirtschaftsverbänden und kritischer Zivilgesellschaft wird nun weiter auseinander gehen. Deshalb positionieren wir uns in dieser Frage sehr eindeutig: wer sich uneigennützig für Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einsetzt, muss als gemeinnützig anerkannt werden.

Gemeinnützige Organisationen brauchen dringend mehr Rechtssicherheit und Schutz vor politischer Willkür wie auch im Falle der DUH. Es ist gut, dass über die Gemeinnützigkeit nicht die politischen Parteien entscheiden, sondern nach rechtsstaatlichen Prinzipien die Finanzämter. Allerdings sehen wir auch Missstände. Sie kritisieren zurecht, dass die Finanzämter dabei über einen sehr großen Gestaltungsspielraum verfügen und daher große regionale Unterschiede entstehen, die teilweise so nicht nachvollziehbar sind. Dieses Problem zeigt sich nicht nur bei der Frage der Gemeinnützigkeit. Es ist ein grundsätzliches Problem, das wir immer wieder erleben, z.B. in der Frage wie häufig Steuerprüfungen durchgeführt werden. Auch bei diesem Thema ist der Ermessensspielraum der Finanzämter sehr groß und es existieren große Unterschiede in der Praxis zwischen den Finanzämtern.

Um diesem Problem entgegen zu wirken, fordern wir von Bündnis 90/Die Grünen eine zentrale Steuerverwaltung, um den Ermessensspielraum in den Finanzämtern zu begrenzen, damit Entscheidungen transparent und nachvollziehbar auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit getroffen werden. Außerdem hat der Katalog der gemeinnützigen Zwecke offenkundige Lücken und deshalb muss dieser Katalog in der Abgabenordnung modernisiert werden. Dies führt nicht zuletzt zu mehr Rechtssicherheit für die betroffenen Organisationen und stellt eine überprüfbare Bewertung sicher.

Mit freundlichen Grüßen
Beate Müller-Gemmeke

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Beate Müller-Gemmeke
Beate Müller-Gemmeke
Bündnis 90/Die Grünen