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Beate Müller-Gemmeke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Hans Walter K. •

Frage an Beate Müller-Gemmeke von Hans Walter K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Müller-Gemmecke,

nach Durchsicht unserer Riester-Verträge bei der Bayern Versicherung habe ich festgestellt, dass die Abschluss- und Vertriebskosten und die Verwaltungskosten den staatlichen Zuschuss fast vollständig aufzehren bzw. sogar übersteigen.Es ist also so, dass mit dem Zuschuss nicht die Bildung einer privaten Altersrente, sondern das Versicherungsunternehmen/die Bank gefördert wird.
Das kann doch nicht im Sinn des Gesetzgebers sein.
Ich bitte Sie, mir mitzuteilen, welche Initiative die Grünen ergreifen werden, diesen Missstand abzustellen.

Mit freundlichen Grüßen

Hans Walter Kopp

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kopp,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.

Das Thema Verbraucherfreundlichkeit geförderter Altersvorsorgeprodukte spielt für uns als Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine ganz zentrale Rolle. Die zusätzliche Altersvorsorge wird für die Absicherung des Lebensstandards im Alter immer wichtiger.
Leider ist es in der Tat so, dass uns zunehmend Nachrichten -wie die Ihre- erreichen, dass der Aufbau einer Riesterrente mit enorm hohen Kosten und Provisionen verbunden ist. Es hat den Anschein, dass Banken und Versicherungen die Gewinner der geförderten Altersvorsorgeprodukte sind, nicht jedoch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Dass aber Fördergelder oftmals bei den Anbietern verbleiben, statt die Sparer zu erreichen, ist ein unhaltbarer Zustand. Das insbesondere deshalb, da die Politik in den letzten Jahren die Bürgerinnen und Bürger zunehmend auffordert, sich eine zusätzliche Altersvorsorge neben ihrer gesetzlichen Rente aufzubauen und dies in Milliardenhöhe mit Steuergeldern unterstützt.

Weil hier einiges im Argen liegt, haben wir Grüne in der letzten Legislaturperiode eine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Konkret ging es darum, zu überprüfen, ob geförderte Altersvorsorgeprodukte sowie deren Anbieter und Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher ausreichend transparent sind und ob Anbieter ihre Spielräume bei der Produkt- und Preisgestaltung zulasten ihrer Kundinnen und Kunden ausnutzten. Außerdem wollten wir darauf aufmerksam machen, dass derzeit eine Kontrollinstitution fehlt, die der Finanzbranche zum Schutze der Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Finger schaut. Zudem benötigen Verbraucherinnen und Verbraucher einen kompetenten, handlungsfähigen und unabhängigen Ansprechpartner, der ihre Anliegen unterstützt.
Daraufhin wurde uns seitens der Bundesregierung mittgeteilt, dass nach ihrem Kenntnisstand die Anbieter geförderter Altersvorsorgeverträge die gesetzlichen Anforderungen an die Kostentransparenz beachteten. Weiterhin seien die Verbraucherinnen und Verbraucher auf der Grundlage der bestehenden Informationsverpflichtungen in der Lage, die einzelnen Riester-Produkte zu vergleichen und die für sie passenden Angebote zu erkennen. Diese bedauerliche Einschätzung der Bundesregierung können sie im Internet nachlesen (Antwort der Bundesregierung; Bundestagsdrucksache 16/11194).

In verschiedenen konkreten Gesetzgebungsvorhaben haben wir jeweils versucht, den Schutz der Anlegerinnen und Anleger zu verbessern und sie in ihren Rechten zu stärken.

So forderten wir die Bundesregierung im Rahmen der Beratungen zum Investmentänderungsgesetz auf, Regelungen zu treffen, dass Fondsgesellschaften alle Kosten, die für Investmentfondsanteile entstehen, im Rahmen der Gesamtkostenquote offenzulegen haben. Uns scheint es unsinnig, dass ein bloßer Hinweis genügen soll, dass die Gesamtkostenquote - entgegen ihrem Wortsinn - nicht alle Kosten enthält. Falls Kosten wie z.B. Transaktionskosten in besonderen Fällen einmal nicht ermittelbar sein sollten, muss dies in allen Prospekten der Fondsgesellschaft zumindest explizit angegeben werden. Da aber erfolgsabhängige Gebühren in jedem Fall ermittelbar sind, müssen diese auch in der Gesamtkostenquote enthalten sein. Es ist bedauerlich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher wie so oft erst nach mehreren Jahren der Einzahlung feststellen, dass wiederkehrend hohe Verwaltungsgebühren entstehen und verrechnet werden. Die Menschen müssen klar vor Augen haben, was sie eine Anlage kostet. Bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses muss es möglich sein, das Preis- Leistungsverhältnis eines Altersvorsorgeproduktes abschätzen und beurteilen zu können, wie hoch der tatsächliche Sparanteil ausfällt. Dafür reicht es nicht, dass Gebühren nur auf Nachfrage genannt werden und das nur in Prozent. Wir fordern daher eine unaufgeforderte Aufklärung über die Kostenbelastung in Euro und Cent. Denn dann dürften Anlegerinnen und Anleger von sich aus stutzig werden, schlechte Produkte ablehnen und folglich einen Angebotswandel zu effizienteren Produkten einleiten.

Neben der Frage der Produktregulierung ist für unsere Bemühungen im Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen ein weiterer Aspekt zentral: das Recht der Anlegerinnen und Anleger, bei Falschberatungen auf Schadensersatz klagen zu können.

Als es in der letzten Legislaturperiode um die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie, einer Richtlinie der EU, die neue Regelungen für den Kapitalmarkt und dessen Akteure vorsah, ging, forderten wir die Regierung auf (Bundestagsdrucksache 16/4884), das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz um Regelungen zu ergänzen, die eine tatsächliche Stärkung des Schutzes der Anlegerinnen und Anleger erst gewährleisten. Obgleich sich nämlich mit der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie enorme Regelungsmöglichkeiten boten, nahm der Gesetzesentwurf der Bundesregierung diese nicht in Gänze wahr.
Deshalb forderten wir von der Bundesregierung, dass die Verjährungsfrist von drei Jahren für aus Falschberatung resultierenden Schadensersatzansprüchen erst dann beginnen darf, wenn Anlegerinnen und Anleger erkennen, dass ein Fehlverhalten der Finanzdienstleister vorgelegen hat. Darüber hinaus setzen wir uns für eine umgekehrte Beweispflicht bei Schadensersatzklagen wegen Falschberatung zugunsten der Anlegerinnen und Anleger ein. Schließlich forderten wir, dass es den Finanzinstituten zur Pflicht gemacht werden sollte, den Anlegerinnen und Anlegern die Unterlagen, welche die Beratung dokumentieren, in Kopie auszuhändigen, um eine Durchsetzung der Ansprüche aus einer Falschberatung zu erleichtern.
Auch wenn diese Vorschläge zum Zeitpunkt der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie von der Regierung noch abgelehnt wurden, sind heute zumindest manche unserer Vorschläge zur Verbesserung des Anlegerschutzes mit dem Gesetz zur Neuregelung des Schuldverschreibungsrechts umgesetzt worden. So passte man etwa die Verjährung für Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung an die allgemeinen Verjährungsregeln an. Darüber hinaus müssen Finanzdienstleister seit 01.01.2010 jede Anlageberatung bei Finanzinstrumenten gegenüber Privatkunden schriftlich protokollieren und eine Ausfertigung des Protokolls aushändigen.

Wie geht es weiter?

Unser Ziel ist es, dass der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher bei Finanzdienstleistungen einen höheren Stellenwert bekommt und unabhängig von Produktart oder Vertriebsweg ein einheitliches Schutzniveau erreicht wird. Wir nehmen dabei die gesamte Bandbreite von Anlageprodukten in den Blick. Das einerseits deshalb, weil der Trend bei der privaten Altersvorsorge weg vom Sparkonto hin zu komplizierten und beratungsintensiven Kapitalmarktprodukten geht. Ferner auch weil die Riester-Produkte letztlich nichts anderes sind als geförderte Fonds oder andere kapitalmarktbasierte Produkte.

Darüber hinaus ist an den Rahmenbedingungen von geförderten Altersvorsorgeprodukten selbst anzusetzen. Schließlich darf es nicht sein, dass ineffiziente -weil überteuerte- Altersvorsorgeprodukte auch noch mit Steuermitteln gefördert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Beate Müller-Gemmeke

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