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Frage von Herbert D. •

Frage an Barbara Hendricks von Herbert D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Werte Frau Hendricks,
da derzeit die Tätigkeit der Prostitution - und andere Formen der Sexarbeit - nicht erlaubt ist, stellt sich doch die Frage, warum die Prostitution nicht wie in anderen Ländern (Frankreich, Schweden,..) verboten wird.
Es gibt dies bezüglich Bedenken, da z.B. die Sexarbeit im Verborgenen stattfinden würde und die Frauen noch mehr Gewalt ausgesetzt wären (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/107639/Verbaende-warnen-vor-Prostitutionsverbot-wie-in-Frankreich).
Dies kann aber keine Begründung sein um sich aus der politischen Verantwortung zu ziehen. Vielmehr muss das Personal (und die Technik) bei der Polizei und beim Ordnungsamt resp. Gesundheitsamt aufgestockt werden um intensiver Kontrollen durchzuführen und der organisierten Kriminalität das Leben möglichst schwer zu machen, am besten das Handwerk zu legen.
(https://www.nzz.ch/gesellschaft/20-jahre-prostitutionsverbot-in-schweden-was-hat-das-gesetz-gebracht-ld.1425003)
Zudem muss auch in der Sozialhilfe mehr getan werden, damit Frauen/Männer erst gar nicht zur Sexarbeit genötigt sind/werden.

Frau Hendricks, werden Sie sich für den Verbot der Prostitution in D und Stärkung (Personal, Technik, etc.) der Polizei, der Ordnungs- und der Gesundheitsämter einsetzen?
Welche Vorschlag haben Sie um Frauen vor sexueller Ausbeutung und Gewalt zu schützen?

Es schrieb Ihnen
H. D.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Derksen,

ich danke Ihnen für Ihre Frage.

Die Pro- und Contra-Argumente für und gegen eine liberale Prostitutionsgesetzgebung sind vielfältig. Wir sind uns sicherlich einig, dass der Wunsch nach einer grundsätzlichen Abschaffung der Prostitution illusorisch ist. Prostitution hat es in der Geschichte der Menschheit immer gegeben und es wird sie immer geben. Es ist aber die Aufgabe der Gesellschaft, sie in Bahnen zu lenken, in denen die Bedingungen für die Frauen, die in dieser Branche arbeiten, so akzeptabel wie nur irgendwie möglich gestaltet sind. Ein wesentlicher Faktor hierbei ist die Gesetzgebung. Wie Sie richtig festgestellt haben ist die Gesetzgebung in Deutschland vergleichsweise liberal: Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland entkriminalisiert (illegal war sie – anders als häufig dargestellt – auch vorher nicht), Prostitution wurde zu einer Dienstleistung mit Anspruch auf einklagbaren Lohn sowie Zugang zur Kranken- und Sozialversicherung. Mit dieser Änderung beabsichtigte die damalige rot-grüne Bundesregierung, der weitgehenden Rechtlosigkeit der Prostituierten ein Ende zu bereiten. Indem die betroffenen Frauen aus dem Untergrund geholt wurden, wurde es auch möglich, sie besser zu schützen.

Leider hat dieser Paradigmenwechsel auch unerwünschte Konsequenzen: „Flatrate-Bordelle“ und ähnliche Einrichtungen wurden zu einer höchst bedauerlichen Begleiterscheinung. Dass solche und vergleichbare Angebote widerlich und menschenverachtend sind, steht auch für mich außer Frage. Wir müssen in dieser Debatte aber aufpassen, dass wir legale Prostitution und Zwangsprostitution nicht vermischen: Der Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§232 StGB) blieb von der Liberalisierung selbstverständlich unberührt und ist und bleibt strafbar.

Leider bin ich aber davon überzeugt, dass auch ein Prostitutionsverbot viele Frauen nicht wirksam vor sexueller Ausbeutung und Gewalt schützen wird. Ich habe meine Zweifel, ob Zwangsprostitution und Menschenhandel durch strengere Prostitutionsgesetze eingedämmt werden können, denn wie weiter oben festgestellt wird sich das grundlegende Phänomen niemals gänzlich abschaffen lassen. Die Konsequenz wäre, dass sich das Geschäft mit dem käuflichen Sex wieder in den Untergrund – und damit in den rechtsfreien Raum – verlagert. Damit würden nicht nur Zwangsprostituierte, sondern auch freiwillig agierende Sexarbeiterinnen erneut den Schutz vor Gewalt, Krankheiten und gesellschaftlicher Ächtung verlieren. Prostitution wäre zwar nicht mehr sichtbar, aber sie wäre nach wie vor da. Das schwedische Modell, das die Freier bestraft, mag zu einem signifikanten Rückgang der Prostitution geführt haben, aber bei diesen Zahlen kann man nur von den Fällen ausgehen, die auch öffentlich sichtbar waren – daneben ist jedoch von einer enormen Dunkelziffer auszugehen.

Grundsätzlich halte ich die Frage nach einer liberalen oder illiberalen Prostitutionsgesetzgebung für eine Gewissensentscheidung, in der es kein „Richtig“ oder „Falsch“, keinen goldenen Mittelweg gibt. Beide Wege bringen unintendierte, dramatische Konsequenzen mit sich, die allesamt zulasten der Frauen gehen. Breite Einigkeit besteht aber doch in der Frage, was unbedingt bekämpft werden muss, und das ist der Menschenhandel, die Zwangsprostitution und die kriminellen Strukturen, die dahinter stecken. Dagegen muss mit allen Mittel, die rechtlich zur Verfügung stehen, vorgegangen werden.

Gleichermaßen muss den Frauen, die freiwillig als Sexarbeiterinnen tätig sind, alle nur mögliche Hilfe und Unterstützung zur Verfügung stehen, damit sie ihrer Arbeit mit größtmöglicher Sicherheit nachgehen können, oder aber damit sie aus dem Gewerbe aussteigen können wenn sie es wünschen.
Dies sind Punkte, auf die sich meines Erachtens alle einigen können, und hier sehe ich meine Aufgabe und die Aufgabe der Politik.

Mit freundlichen Grüßen

Barbara Hendricks