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Aydan Özoğuz
SPD
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Frage von Faruk A. •

Frage an Aydan Özoğuz von Faruk A. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Özoguz,

ich bin Faruk, lebe in Hamburg-Eilbek und studiere jetzt im viertem Semester Psychologie. Ich möchte Ihnen kurz meine aktuelle Situation schildern und bin davon überzeugt, dass Sie einiges bewirken können, was uns Studierende aktuell betrifft.
Weil ich nicht BAföG berechtigt bin, habe ich bis vor kurzem mein Studium bzw. meinen Lebensunterhalt während des Studiums mit einer Werkstudentenstelle im Hamburg Airport finanzieren können. Nun ja, dank der Corona-Krise wurden meine Dienstzeiten auf Null reduziert. Aufgrund meines „Werkstudentenprivilegs“ bin ich nicht berechtigt, Kurzarbeitergeld zu beziehen. Als Vollzeitstudierender habe ich auch kein Anspruch auf ALG II. Wie Sie merken falle ich, wie auch viele andere Studierende in dieser Notsituation, kläglich durch alle Raster.
Jetzt bin ich dabei, fleißig Bewerbungen für einen Ersatzjob zu senden, aber bis jetzt kamen auch nur Absagen; vermutlich weil freie Nebenjobs zurzeit sehr begehrt sind, wenn logischerweise eine breite Masse an krisenbedingten Jobslosen sich auf die Stellenanzeigen stürzen. Die einzige Einkommensquelle, die mir jetzt noch übrig geblieben ist, ist meine überschaubare Halbwaisenrente i.H.v. 128 EUR. Mein Vater lebt nicht, meine Mutter kann mir erst recht nicht mit ihrer bescheidenen Rente helfen. Elterlicher Rückhalt ist auch schon mal für mich gegessen; ganz zu schweigen von Stipendien, für deren Bewerbungen ich eine Absage nach der anderen erhielt. Das Thema BAföG-Voraussetzungen brauche ich erst gar nicht anzusprechen (warum werden wohl nur 12% der Studierenden mit BAföG gefördert?)
Ich bin momentan wirklich am Punkt angekommen, an dem ich verzweifelt nach Hilfe rufe. Wie kann es sein, dass die Politik in diesem Land Studierende in solch einer schwierigen Situation alleine lässt? Ok, vor kurzem (was längst überfällig war) hat Frau Karliczek ganz oberflächlich die Idee angesprochen, Studierenden ohne BAföG-Berechtigung ein zinsloses Darlehen anzubieten. Natürlich, was sonst? Wir Studierende haben ja sowieso schon Schuldenberge angehäuft, da machen die von Frau Karliczek angebotenen Darlehen keinen Unterschied! Tausende Studierende sind jetzt gerade in größter Sorge um ihre Existenz; einige spielen schon mit dem Gedanken, das Studium abzubrechen, weil die finanziellen Mittel fehlen.
Das ist keine gerechte Politik, wenn Studierende mit Darlehen abgespeist werden und alle anderen Bedürftigen Zuschussspritzen bekommen.
Frau Özoguz, ich bitte Sie aufrichtig, machen Sie diese für uns Studierende äußerst belastende Situation aufmerksam. Schildern Sie es Ihren Kolleginnen und Kollegen und nutzen Sie die politische Bühne dafür, damit die Ungerechtigkeit bemerkt wird und die Politik realisiert, woran noch geschraubt werden muss, bevor das Konstrukt gänzlich auseinanderbricht.

Ich bedanke mich im Namen aller in Not geratener Studierender. Wir zählen auf Sie!

Herzliche Grüße, bleiben Sie gesund

F. A.

P.S.: Wir haben schon über 50.000 Unterschriften für eine Soforthilfe für Studierende gesammelt.
Folgen Sie dem Link: https://www.openpetition.de/petition/online/soforthilfe-fuer-studierende-jetzt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr A.,

herzlichen Dank für Ihre E-Mail, mit der Sie auf ein Problem aufmerksam machen, dass im Moment leider viele Studenten betrifft.
Seien Sie sich sicher, dass wir Sie und andere Studenten in Ihrer Situation als unterstützungsbedürftige Zielgruppe erkannt haben und uns für Ihre Belange einsetzen.
Wir haben erreicht, dass niemand aufgrund einer Corona-bedingten Zahlungsunfähigkeit aus seinem Mietvertrag gekündigt werden darf. Hier gelten die längeren Berücksichtigungszeiträume von bis zu 6 Monaten.
Wir brauchen aber weitere Schritte, damit jeder und jede unabhängig von der Corona-Krise die Ausbildung zu Ende führen kann.

Deshalb wird der Bund nun einen Nothilfefonds in Höhe von 100 Millionen Euro auflegen, um Studierende in finanzieller Not mit direkten Zuschüssen zu unterstützen. Mit der Abwicklung sollen die Studentenwerke als bewährte Orte der BAföG-Studienfinanzierung betraut werden. Statt einer reinen Kreditlösung hat die SPD unkomplizierte Hilfen zur direkten finanziellen Unterstützung der Studierenden durchgesetzt. Wir hätten uns eine Öffnung des BAFöGs gewünscht, dies ist aber am ideologischen Widerstand der Bundesministerin gescheitert. Für die SPD steht im Vordergrund, dass diejenigen Studierenden, die aktuell unverschuldet in Not gekommen sind, auf einfachem Weg einen Zuschuss für Ihren Lebensunterhalt erhalten können. Dieses Ziel haben wir nun zum Glück erreicht.

Zudem möchten wir Sie auffordern, weiterhin nach einer Möglichkeit zu einem Nebenverdienst zu schauen. Es gibt gerade aufgrund der Krise vermehrten Bedarf an Hilfskräften, zum Beispiel für Lieferungen, medizinische Dienstleistungen, in der Landwirtschaft oder im Lebensmitteleinzelhandel.
Hier können Studierende in den kommenden Monaten eine gewünschte, teils sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finden. Wir möchten Anreize schaffen, damit Studierende neue Beschäftigungen finden können. Dabei haben wir bisher erreicht, dass Studierenden mit BAföG-Bezug die Einkünfte aus Tätigkeiten in den medizinischen Dienstleistungen oder in der Erntehilfe, die über die Anrechnungsgrenzen im BAföG hinaus gehen, nur in den Monaten auf die BAföG-Leistungen angerechnet werden, in denen diese Einkünfte anfallen. Darüber hinaus bleibt der BAföG-Anspruch bestehen.
Als Anreize für die Aufnahme einer Beschäftigung in Bereichen des besonderen gesellschaftlichen Bedarfs schlagen wir darüber hinaus vor, dass Einkommen aus diesen Tätigkeiten vorübergehend gar nicht auf die BAföG-Förderung angerechnet werden. Ebenso sollten diese Einkünfte nicht als Vermögen berechnet werden. Denn es ist nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die Gesellschaft sehr wichtig, dass diese Aufgaben nun übernommen werden.

Herr A., ich wünsche Ihnen von Herzen viel Erfolg bei der Suche nach einer geeigneten Anstellung und bei der Fortführung Ihrer Ausbildung.

Zuletzt wünsche ich Ihnen in diesen Tagen vor allem eine gute Gesundheit.
Mit herzlichen Grüßen,

Aydan Özoğuz

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