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Frage von Sebastian F. •

Frage an Anton Hofreiter von Sebastian F. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Dr. Hofreiter,

ich möchte Sie befragen, wie Sie persönlich und wie der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu der von der Deutschen Flugsicherung geplanten Müggelsee-Flugroute stehen. Diese wurde Anfang Juli 2011 plötzlich und aus "heiterem Himmel" für den Start vom neuen Hauptstadt-Flughafen BER in Schönefeld empfohlen.

Die Müggelsee-Route für BER war jedoch niemals Gegenstand von Planfeststellungsverfahren, uns Bürgern wurde von Politik und Verwaltung immer gebetsmühlenartig und noch in diesem Sommer gesagt, wir seien nicht von der Flugroute, oder besser, dem Flugkorridor betroffen, da die Flieger von Schönefeld "geradeaus" starten würden und um Berlin "einen großen Bogen" machen würden. Tausende von Menschen haben darauf vertraut und ihre Existenzen in Berlin-Friedrichshagen, -Rahnsdorf, Schöneiche und anderenorts aufgebaut.

Hinzu kommt: Der Müggelsee ist eigentlich strikte Naturschutzregion nach europäischen FFH-Richtlinien und Wasserschutzgebiet. Beispiel: Ein Auto darf hier nicht ohne Schutzmaßnahme gewaschen werden, aber über 100 Flieger dürfen hier pro Tag durchstarten - nach Willen der DFS.

Von dem erwarteten, permantenten Fluglärm wären ca. 100.000 Menschen in Berlin und Brandenburg neu betroffen.

Ich frage Sie, wie steht es angesichts dieses Vorhabens der DFS mit dem in einer Demokratie so grundlegenden Vertrauensschutz der Bürger? Darf man als Bürger der Politik überhaupt noch trauen, wenn sich Funktionäre der Deutschen Flugsicherung über demokratische Grundsätze wie "Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit", "Vertrauensschutz", "Naturschutz" und "Gleichbehandlung" ohne weiteres hinwegsetzen können ohne sich dafür vor gewählten Volksvertretern rechtfertigen zu müssen?

Ich freue mich auf ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sebastian Fasbender
Berlin-Friedrichshagen

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Sehr geehrter Herr Fasbender,

Wir Grünen stehen nach wie vor zu der Entscheidung für den Flughafenstandort Schönefeld. Berlin braucht einen leistungsstarken Flughafen mit interkontinentalen Verbindungen. Durch die Schließung der beiden innerstädtischen Flughäfen Tempelhof und Tegel werden Tausende von BerlinerInnen von extremem Fluglärm entlastet. Gleichwohl setzen wir uns weiterhin für eine möglichst verträgliche Gestaltung des Flughafens BER ein, etwa für ein striktes Nachtflugverbot von 22-6 Uhr. Auch in der Frage der besten Flugrouten muss Lärmschutz für ganz Berlin gelten - was für den Wannsee unzumutbar war, darf am Müggelsee nicht plötzlich zumutbar sein. Es bleibt ein Skandal, wie der rot-rote Senat mit den im September letzten Jahres vorgestellten Flugrouten umgegangen ist: über Jahre hinweg wurde verschwiegen, dass die kommunizierten Flugrouten aufgrund internationaler Bestimmungen nicht haltbar sein werden und die bis 2010 in der Öffentlichkeit dargestellten Flugrouten abgeändert werden müssen.

Bei der Festlegung der Flugrouten muss an erster Stelle die Verkehrssicherheit stehen, an zweiter Stelle der Lärmschutz, damit gesundheitsgefährdende Belastungen minimiert werden, und an dritter Stelle die Interessen der Flughafenbetreiber und Airlines. Mit dem Eindruck, Sicherheit und Gesundheit der Anwohner würden hier nicht ganz vorne stehen, sondern vielmehr die Interessen der Airlines und Flughafenbetreiber, verspielt man sich wie Sie sagen das Vertrauen vieler Bürger.

Für die Müggelseeregion gibt es eine alternative Flugroute südlich von Erkner über die Gosener Wiesen. Die grüne Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat sich in einem Änderungsantrag zum Entschließungsantrag der rot-roten Koalition für diese Route ausgesprochen und zusätzlich die Prüfung gefordert, ob außerhalb der Spitzenzeiten im abhängigen Parallelbetrieb geflogen werden kann (dann wären in diesen Zeiten noch verträglichere Routen möglich, da das Abknicken um 15 Grad wegfiele). Diesen Änderungsantrag finden Sie unter:
http://www.parlament-berlin.de/ados/16/IIIPlen/vorgang/d16-4388-1.pdf

Das grüne Positionspapier zum Flughafen BER finden Sie unter:
http://www.gruene-fraktion-berlin.de/cms/verkehr/dok/383/383443.positionspapier_der_fraktion_buendnis_90.html

Diese grüne Position korrespondiert auch mit meiner persönlichen Meinung, nach der Sie mich gefragt hatten. Nicht beantworten kann ich leider die Fragen nach der Position des Verkehrsausschusses des Bundestages, da dies nicht Thema im Ausschuss war und jede Partei und die jeweiligen Abgeordneten hier sicher unterschiedliche Meinungen vertreten, für die ich als Vorsitzender des Gremiums nicht stehe.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Anton Hofreiter MdB
Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

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