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Annika Klose
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Frage von Nils B. •

Können Sie den Freunden und Kollegen, mit denen Sie 2017 auf Sea Eye-Mission auf dem Mittelmeer waren, noch in die Augen schauen?

Wie erklären Sie den Seenotrettern, dass Sie gegen den Familiennachzug von Flüchtlingen gestimmt haben?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre sehr kritische Nachricht.

Ich kann Ihre Enttäuschung sehr gut nachvollziehen. Diese Abstimmung war vermutlich die schwerste Entscheidung in meiner Zeit als Bundestagsabgeordnete. Ich bin überzeugt, dass es vielen von unseren Genoss:innen genauso ging. Denn für uns ist klar, dass Familien zusammengehören. Die Aussetzung des Familiennachzuges für subsidiär Schutzberechtigte ist integrationspolitisch nicht richtig und darüber hinaus in seiner vermeintlichen Wirkung für die „Steuerung“ der Migration rein symbolisch. Daher war es für uns als Fraktion ein zentrales Anliegen, dass die Aussetzung des Familiennachzugs auf 24 Monate begrenzt ist und anschließend ausläuft. 

Mir ist bewusst, dass dies nur ein schwacher Trost ist, insbesondere für die betroffenen Familien. Auch weitere migrationspolitische Verschärfungen der Union, die nun auf der Tagesordnung stehen, wurden im Koalitionsvertrag als schmerzhafte Kompromisse vereinbart und entsprechen nicht meiner Haltung zu Flucht und Asyl. Diesem Koalitionsvertrag hat jedoch eine deutliche Mehrheit der SPD-Mitglieder zugestimmt, obwohl diese Maßnahmen dort verankert sind.

Die Notwendigkeit, diese Kompromisse mit der Union schließen zu müssen, resultiert aus unserem schwachen Wahlergebnis. Die Gründe für dieses schwache Abschneiden müssen wir grundlegend aufarbeiten, wofür ich meinen Beitrag im Parteivorstand leisten möchte. Wir müssen uns als Partei fundamental erneuern und unser Verständnis einer zukunftsfähigen Sozialdemokratie neu definieren. Es braucht hierbei meiner Meinung nach in diversen Bereichen, insbesondere der Verteilungs- und Migrationspolitik, eine deutliche Neuausrichtung unserer Positionen. Unser Ziel muss es sein, das Bild von einer gerechten und solidarischen Gesellschaft, zu der alle Menschen dazugehören, neu zu zeichnen. 

Diese Aufgabe zu schaffen, während wir gleichzeitig mit der Union in Regierungsverantwortung sind, wird eine sehr große Herausforderung. Sie ist aber notwendig, da ich davon überzeugt bin, dass unsere Gesellschaft eine starke Sozialdemokratie braucht und sich viele Menschen diese auch wünschen.

Gleichzeitig ist auch klar, dass eine Zusammenarbeit mit der Union notwendig ist, da dies die einzige demokratische Koalitionsoption ist. Ein Scheitern der Koalition kann keine Option sein. 

Langfristig ist es unsere Aufgabe als Sozialdemokrat:innen und progressive Kräfte, Migration wieder viel stärker als Chance und als Gewinn für unser Land zu kommunizieren, statt immer nur vermeintliche und bestehende Probleme im öffentlichen Diskurs zu verhandeln. Die allermeisten Menschen, die zu uns kommen, wollen sich integrieren, wollen hier arbeiten, wollen Teil unserer Gesellschaft werden. Wir sind als Politik gefragt, dies zu ermöglichen und Brücken zu bauen: mit ausreichend bezahlbarem Wohnraum, Sprachkursen und Schulplätzen.

Gleichzeitig müssen wir viel mehr wieder eigene Themen setzen, wie z.B. Umverteilung und gerechte Löhne. Es ist klar, dass die AfD auf diesen Gebieten keine Antworten hat. Das verstehe ich darunter, die AfD inhaltlich zu stellen – nicht in Furcht vor starken Umfragewerten die AfD-Politik selbst zu machen. 

Abschließend möchte ich mich nochmal für Ihre Nachricht bedanken. Mir liegt der Austausch mit Bürger:innen sehr am Herzen und ich betrachte diesen als große Bereicherung.

Mit freundlichen Grüßen

Annika Klose

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