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Anja Weisgerber
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Frage von Manfred G. •

Frage an Anja Weisgerber von Manfred G. bezüglich Recht

Eigentumswohnung gekauft, Wohnfläche fehlt, Käufer haftet. Warum haftet nicht der Verkäufer? Warum verweigert die Politik den Verbraucherschutz?

Sehr geehrte Frau Dr. Weisgerber,

im Rahmen der Gespräche über Baumängel wurden wir gefragt, ob wir unsere Wohnfläche schon überprüft haben. Wir haben einen Sachverständigen mit der Überprüfung beauftragt. Die von uns bewohnte Wohnung war um 3,36 % und die im Nachbarblock war um 2,11 % kleiner. Das Aufmaß hat der Sachverständige jeweils in jedem Raum unterhalb der Wohnraumdecke genommen, sodass die korrekte Nutzfläche ermittelt wurde. Leider haben wir im guten Glauben einem Bauträgervertrag unterschrieben, der eine Toleranzgrenze von 2 % und den Hinweis auf die Wohnflächenverordnung beinhaltet.
Der Investor wollte uns die über der Toleranzgrenze liegende Fehlmenge ersetzen, sich das Geld aber bei der Baufirma wieder holen. Diese verwies auf die Wohnflächenverordnung, die Türschwellen und Mauereinlassungen zum Balkon etc. als Wohnfläche hinzuaddiert.
Da wir in den Notarverträgen die Berücksichtigung von Toleranzgrenze und Wohnflächenverordnung unterschrieben haben, konnte sich der Bauherr als Verkäufer schadlos halten. Die Haftung für fehlende Wohnfläche gegenüber Mieter und künftigen Käufer bleibt Dank dieser vertraglichen Regelungen beim Käufer.
Ein Vertrag zwischen Bauherrn und Architekten, wonach dieser bei weniger angefallenen Baukosten ein zusätzliches Honorar bekommt, ist eine weitere Aufforderung zum Material sparenden Bauen auf Kosten des Käufers, der die fehlende Wohnfläche in der Regel gar nicht bemerkt.
Wir haben geglaubt, der Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen sieht hier wie wir eine gesetzliche Fehlentwicklung zu Lasten des unbeteiligten Käufers.
Vor einem Jahr haben wir deshalb die Obleute im Ausschuss informiert, später die Mitglieder und Stellvertreter. Leider war das zu unserer Enttäuschung eine falsche Annahme. Bis heute erfolgte keine Reaktion!
Zwei Landtagsabgeordnete haben uns empfohlen eine Petition im bayerischen Landtag einzureichen, die aus unserer Sicht überhaupt nicht beachtet wurde.
Für uns gewinnt die Frage immer mehr an Bedeutung, ob es an der Arroganz der Abgeordneten gegenüber dem Bürger liegt, ist es die Angst eine große Wählerschicht aus der Bauwirtschaft einschließlich Vertriebsgesellschaften zu verprellen? Selbst die im Vertrieb tätigen Sparkassen und Banken wollen davon nichts wissen, weshalb auch diese in die Haftung einbezogen werden sollten. In der Regel merkt erst ein Mieter, dass seine Quadratmeterzahl im Mietvertrag nicht stimmt, die Baufirma aber nicht mehr greifbar ist.
Der Verbraucherschutzverband WOHNEN IM EIGENTUM hat den Vorschlag gemacht am Ende der Bauphase die Wohnfläche zu überprüfen, damit hätte der Eigentümer, Vermieter und Mieter eine von allen Seiten anerkannte Wohn-/Nutzfläche.
Bitte setzen Sie sich als MdB oder als Fraktion für eine Änderung der derzeitigen Rechtslage im Sinne der Käufer von Eigentumswohnungen ein.
Eine gesetzliche Regelung zum Schutz des Käufers würde dem Steuerzahler keinen Cent kosten.
Ihrer Stellungnahme sehen wir mit Interesse entgegen und bedanken uns im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara und Manfred Güntsch

P.S: Gerne senden wir Ihnen auch weitere Informationen (Petition, Literatur).

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Familie Güntsch,

vielen Dank, dass Sie sich mit Ihrem persönlichen Anliegen an mich gewandt haben. Allerdings möchte ich vorab erwähnen, dass ich als Bundestagsabgeordnete keine Rechtsberatung geben kann. Deshalb würde ich Sie bitten, dass Sie meine Ausführungen als Information zur Kenntnis zur nehmen.

In Deutschland gibt es keine allgemeingültige oder gar gesetzlich vorgeschriebene Berechnungsgrundlage für den freien Wohnungsmarkt. Es gibt jedoch verschiedene Verfahren, um die Wohnfläche einer Immobilie zu berechnen: Die gängigsten Modelle sind die von Ihnen genannte Wohnflächenverordnung (WoFIV) und die Wohnflächenberechnung nach DIN-Norm 277. Beide kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Grundlage für die Berechnung nach der Wohnflächenverordnung ist die Fläche, die sich als Wohnraum nutzen lässt. Die Verordnung definiert dabei genau, welche Räume in welchem Umfang anzurechnen sind. Die Wohnfläche entspricht dabei nicht automatisch der Grundfläche der Räume, denn für die Berechnung nach der Wohnflächenverordnung spielt auch die Raumhöhe eine wesentliche Rolle. So ist die Grundfläche nach § 4 WoFIV bei Räumen und Raumteilen, die mindestens zwei Meter hoch sind, zu 100 Prozent anzurechnen. Bei Räumen und Raumteilen, die mindestens einen Meter hoch, aber niedriger als zwei Meter sind – beispielsweise bei Dachschrägen –, zählen nur 50 Prozent der Grundfläche. Liegt die Raumhöhe unter 100 Zentimetern, zählt sie laut Wohnflächenverordnung zu 0 Prozent. Die entsprechende Grundfläche fließt also nicht in die Berechnung der Wohnfläche ein. Das Gleiche gilt für die Fläche unter Treppen. Die Wohnflächenverordnung gilt nach ihrem Wortlaut (§1 Anwendungsbereich) eigentlich für Sozialen Wohnungsbau und hier speziell für alle Gebäude, die nach dem 1. Januar 2004 entstanden sind. Jedoch findet sie nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH v. 22.4.2009 – VII ZR 86/08) auch immer häufiger im freifinanzierten Wohnungsbau Anwendung. Auch Gerichte berechnen die Wohnfläche nach der WoFIV, wenn der Mietvertrag nichts anderes vorsieht.

Eine pauschale Regelung für die falsche Wohnflächenberechnung beim Immobilienkauf gibt es zwar nicht. Allerdings gab es in der Vergangenheit hierzu einige Gerichtsurteile, die als Orientierung dienen können. So konnte beispielsweise ein Käufer nach dem Urteil des OLG Saarbrücken vom 1. Dezember 2011 einen Teil seines Kaufpreises zurückfordern, weil der Verkäufer die Wohnfläche seiner Eigentumswohnung um 10,17 Quadratmeter größer angegeben hatte. Das Gericht wertete dies als einen Sachmangel nach § 437 BGB.

D.h. beim Immobilienverkauf kann der Käufer den Preis nachträglich also reduzieren, denn wahrscheinlich wird eine falsche Angabe durch das Gericht als Sachmangel bewertet. Ich würde Ihnen in Ihrem Fall raten, dass Sie sich am besten von einem Experten im Rahmen einer Vertragsprüfung beraten lassen.

Ich wünsche Ihnen bleibende Gesundheit.

Mit freundlichen Grüßen
Anja Weisgerber

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