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Alexander Graf Lambsdorff
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Frage von Daniel E. •

Frage an Alexander Graf Lambsdorff von Daniel E. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Graf Lambsdorff,

in der Antwort auf Corinna Müller am 26.5 sprechen sie sich für eine staatlich geregelte Kennzeichnung von Lebensmitteln aus.

Warum ist das nötig? Bereits heute werben viele Produkte mit gesunden Inhaltsstoffen und in Verbraucherzeitschriften werden diese Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt und Nutzen geprüft. Der Markt stellt also durchaus effizient die Daten zur Verfügung, wenigstens in den Fällen, in denen die Inhaltsstoffe ein wesentliches Verkaufsargument sind.

Warum bevorzugen Sie und die FDP weitere Bürokratie und Staatseinmischung in diesem Bereich? Ist es ihrer Ansicht nach ein Recht zu erfahren, was die Inhaltsstoffe von diversen Produkten sind? Woher kommt dieses Recht? Eines der klassischen Rechte, die der Staat verteidigen sollte (Recht auf Leben, Eigentum ...) ist es schließlich nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Engel

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Antwort von
FDP

Bürgeranfrage Liberalismus und Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln

Sehr geehrter Herr Engel,

Ihre Rückfrage auf meine Antwort an Frau Möller ist ungemein interessant, denn sie ruft dazu auf, sich nicht im Wust neuer Gesetzesideen zu verheddern sondern zur ursprünglichen, grundsätzlichen Frage zurückzukehren: Warum sollte ein liberaler Mensch (und Politiker) sich für eine staatlich geregelte Kennzeichnung von Lebensmitteln aussprechen? Nun, gehen wir dieser interessanten Frage einmal systematisch von vorne an.

Liberales Denken über die Ordnung innerhalb einer Gesellschaft beginnt mit der Überzeugung, dass Freiheit nicht nur ein Menschenrecht sondern auch des Menschen höchstes Gut ist, welches dem Staat nur in Bereichen überschrieben werden sollte, wo dieser zugunsten Aller besser wirken kann als der Einzelne für sich selbst - zum Beispiel, wie sie erwähnen, beim Schutz des Rechts auf Eigentum und andere Grundrechte.
Haben wir es hier mit einem Grundrecht zu tun? Diese Frage führt uns zur zweiten Prämisse - und auch dort stimmen wir überein. Es ist zwar wünschenswert, zu wissen, was wir essen. Der Mensch kann aber kein Grundrecht darauf haben, über die Inhaltsstoffe von Produkten seiner Umwelt in Kenntnis gesetzt zu werden - woher sollte dieses Grundrecht kommen? Aber - auch wenn es sich hier um kein Grundrecht handelt - eine Gesellschaft kann sich natürlich trotzdem darauf einigen, im Interesse der Allgemeinheit die Hersteller von Lebensmitteln zur Kennzeichnung von Inhaltsstoffen zu verpflichten. Dies ist bereits vor längerer Zeit und zwar in weiten Teilen der Welt geschehen: fast global haben sich Gesellschaften auf solche Gesetze geeinigt.

Derzeit wird eine Änderung dieser Verpflichtung auf europäischer Ebene debattiert - und somit stellt sich die Frage etwas anders. Sie lautet nämlich: Soll sich ein liberaler Politiker an der Änderung der bereits existierenden Pflicht zur Kennzeichnung von Inhaltsstoffen von Lebensmitteln beteiligen, und wenn ja, wie? Wenn man die Kennzeichnungspflicht durch den Staat pauschal ablehnt kann man diese Frage einfach verneinen. Nur legt man damit jeglichen Einfluss auf die kommende Veränderung nieder. Hier erscheint es mir besser, am Ball zu bleiben und sich dafür einzusetzen, dass die Änderung so sinnvoll wie möglich ist. Wenn man andererseits der Meinung ist, dass eine maßvolle Kennzeichnungspflicht im Sinne der Allgemeinheit ist, dann muss man sich ganz konkret fragen, wie diese aussehen soll.

Laut Kinder- und Jugendärzten sind etwa ein Viertel der Kinder zwischen sieben und 17 Jahren in Deutschland übergewichtig oder fettsüchtig. Das gibt einem schon zu denken. Sie haben aber völlig recht: das heißt noch lange nicht, dass der Staat die Menschen in der Wahl ihrer Lebensmittel bevormunden darf. Eine klare Kennzeichnungspflicht ist aber keine Bevormundung, sondern lediglich eine verlässliche Grundlage bei der Wahl von Lebensmitteln, auf die sich eine Gesellschaft einigt.

Konkret: Wenn diese Kennzeichnungspflicht weiter verändert wird, werde ich mich im Europäischen Parlament dafür einsetzen, dass diese einerseits verständlich und sinnvoll wird - wie es Frau Möller als besorgte Mutter wünscht - und andererseits maßvoll bleibt und den Menschen nicht bevormundet.

Beste Grüße aus Brüssel,

Ihr

Alexander Graf Lambsdorff