Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten

Mit nahezu allen Stimmen der Regierungskoalition wurde der Gesetzentwurf mit 370 zu 279 Stimmen beschlossen. Die Oppositionsfraktionen stimmten geschlossen gegen den Entwurf.

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Dafür gestimmt
370
Dagegen gestimmt
279
Enthalten
3
Nicht beteiligt
57
Abstimmungsverhalten von insgesamt 709 Abgeordneten.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht eine Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten vor. Dieser regelt entsprechend § 104 Absatz 13 des Aufenthaltsgesetzes näher, unter welchen Voraussetzungen ab dem 1. August 2018 ausländische Familienangehörige der Kernfamilie zu subsidiär Schutzberechtigten in das Bundesgebiet nachziehen können.

Hierbei werde sowohl die individuelle Lebenssituation der Betroffenen als auch die Umstände der im Ausland befindlichen Familienangehörigen berücksichtigt. Die Begrenzung des Familiennachzugs auf 1.000 nachziehende Angehörige der Kernfamilie im Monat entspreche der Personenzahl, zu deren Übernahme sich die Bundesregierung im Rahmen von Relocation-Programmen der EU verpflichtet habe. Die Begrenzung des Nachzugs Angehöriger sei so bemessen, dass die Integration gelingen kann und die Aufnahmesysteme der staatlichen Institutionen die Aufnahme und Integration bewältigen könnten. Die gesetzliche Neuregelung enthalte zudem Fallgruppen, für die der Familiennachzug in der Regel ausgeschlossen bleibe. Ehen, die erst nach der Flucht aus dem Herkunftsland geschlossen wurden, berechtigten beispielsweise in der Regel nicht zum Familiennachzug.

Mit Berufung auf das Bundesverfassungsgericht sei dem Gesetzgeber darüber hinaus Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des rechtlichen Rahmens für den Familiennachzug gegeben. Der Staat habe dabei die verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter von Ehe und Familie, die familiären Belange und die gegenläufigen öffentlichen oder privaten Belange mit dem Ziel eines schonenden Ausgleichs gegeneinander abzuwägen.

Die FDP-Fraktion legte einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, den Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen für weitere zwei Jahre auszusetzen. Dabei sollen aber Ausnahmen für solche Fälle vorgesehen werden, in denen eine weitere Verzögerung der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft nicht gerechtfertigt sei. Die Aussetzung des Familiennachzugs sei dabei nur eine Übergangslösung, bis der Gesetzgeber das Aufenthalts- und Asylrecht in einem Einwanderungsgesetzbuch neu geregelt habe.

Außerdem forderte die FDP die Bundesregierung in ihrem Entschließungsantrag auf, bis zu einer Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zum Regelverfahren unter der sogenannten Dublin-III-Verordnung zurückzukehren. Schutzsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Staat oder in einem sicheren Nicht-EU-Staat als schutzsuchend registriert seien, solle die Einreise verweigert werden müssen. Außerdem solle die Regierung sich dafür einsetzen, dass die Gewährung internationalen Schutzes als gemeinsame Aufgabe aller EU-Mitgliedstaaten begriffen werde. Über den Entschließungsantrag wurde ebenfalls namentlich abgestimmt.

Die AfD-Fraktion legte ebenfalls einen Entschließungsantrag vor, indem sie von der Bundesregierung forderte, umfassende Grenzkontrollen so einzurichten, dass das Ergebnis eine grundsätzliche Zurückweisung von unberechtigtem Grenzübertritt bewirke. Dies solle auch für solche Geflüchtete gelten, die aus einem benachbarten sicheren Nicht-EU-Staat anreisten und sich auf Verfolgung oder Schutzgründe beruften.

Die LINKEN-Fraktion forderte in Ihrem Gesetzentwurf, die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten aus verfassungsrechtlichen, humanitären und integrationspolitischen Gründen mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Das Recht auf Familienleben für international Schutzberechtigte müsse wieder uneingeschränkt gelten.

Der Ausschuss für Inneres und Heimat hat zu den Vorlagen Beschlussempfehlungen abgegeben. Diese empfehlen mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD den Gesetzentwurf der Bundesregierung anzunehmen, mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, AfD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Gesetzentwurf der FDP sowie mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, AfD und FDP den Gesetzentwurf der LINKEN abzulehnen.

Der Parlamentarische Staatsekretär im Bundesministerium für Inneres und Heimat (BMI), Stephan Mayer (CSU), gab sich erfreut, dass es weiterhin keinen Rechtsanspruch auf den Familiennachzug für eingeschränkt schutzbedürftige Personen gebe. Dieser sei weder völker- noch europarechtlich vorgegeben. Der Gesetzenwurf sehe aber vor, im Rahmen der 1.000 zulässigen Familiennachzügler diejenigen zu bevorteilen, die besonders bedürftig seien. Der Entwurf führe außerdem zu besserer Ordnung, Steuerung und Begrenzung illegaler Migration. Ebenfalls zu begrüßen sei der Ausschluss von Gefährdern vom Familiennachzug.

Beatrix von Storch (AfD) forderte, den Familiennachzug abzuschaffen. Wenn 1.000 Nachzüge pro Monat erlaubt seien, werde jeder weitere als humanitärer Einzelfall behandelt, womit die Begrenzung nicht gegeben sei. Stattdessen müssten die Grenzen kontrolliert und illegale Migranten abgewiesen werden. Eine Schließung deutscher Grenzen hätte zur Folge hätte, dass auch Österreich den Brenner-Pass schließe und Italien im Anschluss die Schlepperboote zurückweise. Diese Reaktionskette führe schlussendlich dazu, dann vor Ort helfen und die UNHCR unterstützen zu können.

Die SPD-Abgeordnete Dr. Eva Högl betonte, die Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung geflohen seien, suchten in Deutschland Schutz und Sicherheit. Wenn sie darauf Anspruch hätte, würden sie diese auch bekommen. Der Gesetzentwurf wirke sich positiv auf das Asylrecht aus, weil die humanitäre Hilfe so den Schwächsten zugutekomme und sei ein Zeichen für verantwortungsvolle Politik. Weiterhin kritisierte sie, die Geflüchteten als "Asyltouristen" zu bezeichnen. Von diesen würden es häufig lediglich einzelne Familienmitglieder über das Mittelmeer oder die Balkanroute schaffen.

Laut Benjamin Strasser (FDP) entspreche der Entwurf der Bundesregierung nicht dem Schicksal der geflüchteten Menschen. Er frage sich, wie nach 1.000 Nachzügen erklärt werden solle, warum ein weiterer trotz gleichen Anspruchs nicht zulässig sei. Der Gesetzentwurf sei abstrus, was auch die Sachverständigen bei einer Anhörung des Innenausschusses bestätigt hätten. Stattdessen fordere seine Fraktion eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs um zwei Jahre sowie eine Härtefall-Auslegung nach klaren, vom Parlament festgelegten Kriterien. Die Frage müsse auch dauerhaft in Europa entschieden werden, wozu Strasser jedoch Initiativen der Bundesregierung vermisse.

Gökay Akbulut (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, die vorgenommene Ungleichbehandlung von Flüchtlingen nach den Genfer Konventionen und subsidiär Schutzberechtigten sei sachlich und menschlich nicht begründbar. Den Nachzug abzuschaffen, sei für die Betroffenen unerträglich. Diese seien teilweise seit Jahren zwangsweise von ihren Familien getrennt und die Fraktion aus Union und SPD wolle dies verlängern. Nach Auffassung der Linksfraktion, aber auch vieler Fachkundiger, verstoße der Gesetzentwurf gegen das Recht auf Familie, wie es im Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sei. Das Recht auf Familienleben für international Schutzberechtigte müsse wieder uneingeschränkt gelten.

Luise Amtsberg von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte, mit dem Gesetz würden Geflüchtete zweiter Klasse geschaffen. Subsidiärer Schutz bedeute ergänzend und nicht weniger wert. Mit dem Gesetz produziere man Härtefälle und den Betroffenen werde ein fundamentales Recht weggenommen. Die Ungewissheit, in der diese Menschen lebten, sei unverantwortlich.

Nach Dr. Mathias Middelberg (CDU) werde es der Asylpolitik nicht gelingen, alle Probleme der Welt auf deutschem Boden zu lösen. Deshalb würden politische Steuerung und Abwägungsentscheidungen benötigt. Es sei nicht möglich, alle Bedrohten grenzenlos aufzunehmen. In Deutschland seien 2017 mehr Asylentscheidungen getroffen worden als im gesamten Rest Europas. Man müsse sich also nicht sagen lassen, man denke nicht an die betroffenen Familien. [Anmerkung der Redaktion: Anders als von Herrn Middelberg behauptet, traf Deutschland nicht mehr Asylentscheide als sämtliche europäische Staaten gemeinsam. So wurden in Deutschland 76.440 und in den verbleibenden europäischen Staaten 122.525 Entscheide getroffen. Quelle: hier]

Mit den Stimmen der Regierungskoalition, bei drei Enthaltungen aufseiten der SPD und einer Ablehnung gegen den Fraktionszwang von Antje Tillmann (CDU), wurde der Gesetzentwurf mit 370 zu 279 Stimmen beschlossen. Die Oppositionsfraktionen stimmten geschlossen gegen den Entwurf.

Dem Entschließungsantrag der FDP-Fraktion wurde mit 577 Nein- und 73 Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt. Die 73 Ja-Stimmen kamen ausschließlich aus den Reihen der FDP-Fraktion, die der Enthaltung vonseiten der AfD-Fraktion.

Der Entschließungsantrag der AfD-Fraktion wurde mit 564 Nein- und 83 Ja-Stimmen abgelehnt. Unter den 83 Ja-Stimmen befanden sich 79 von der AfD-Fraktion sowie Marcus Weinberg (CDU), Ulrich Lechte (FDP) und die Fraktionslosen Dr. Frauke Petry und Mario Mieruch.