Victor Perli
Victor Perli
DIE LINKE
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Frage von Frank C. •

Frage an Victor Perli von Frank C. bezüglich Soziale Sicherung

Meine Frage ist mehrteilig:

1. Was qualifiziert sie, als potentieller Mandatsträger für Leute ´Ü40´ wählbar zu sein?

2. Unser Gesellschaft ist nominal eine ´soziale Marktwirtschaft´-das soll so bleiben-Wie sollen Sie es schaffen, als gewählter Vertreter soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen ohne neue Schulden zu machen?

3. Was ist Ihr Konzept der wachsenden Wertelosigkeit in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken und gleichzeitig eine Polarisierung zu vermeiden?

Gruss
Frank Cizewitz

Victor Perli
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Frank Cizewitz,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich auf diesem Wege gerne beantworte. Aufgrund der Komplexität der Themen bitte ich jedoch um Verständnis, wenn meine Antworten nicht auf alle Aspekte eingehen können. Ich stehe Ihnen selbstverständlich für Nachfragen oder ein persönliches Gespräch zur Verfügung. Weitere Informationen erhalten Sie außerdem auf meiner Webseite www.perli.de.

1. Was qualifiziert sie, als potentieller Mandatsträger für Leute ´Ü40´ wählbar zu sein?

Von den großen sozialen und politischen Veränderungen der letzten Jahre, die für die Mehrheit der Bevölkerung in erster Linie soziale Einschnitte und Lohneinbußen waren, sind junge und alte Menschen in ähnlicher Weise betroffen. Auch wenn ich durch mein Amt als Bundessprecher der Linksjugend [´solid], des Jugendverbandes der LINKEN, in meiner politischen Arbeit einen besonderen Schwerpunkt auf die Lebenssituationen junger Menschen lege, steht hinter meinem Engagement das grundsätzliche Anliegen, dass jeder Mensch dieses eine Leben, welches er geschenkt bekommen hat, würdig, sozial abgesichert und nach eigenen Interessen gestalten kann. Deshalb spreche ich mich auch immer wieder vehement gegen die in anderen Parteien mehrheitsfähige Position aus, dass in diesem Land die älteren Generationen auf Kosten der jüngeren leben würden.

Die großen Probleme, die wir in unserer Gesellschaft haben, sind nicht speziell diejenigen einer bestimmten Altersgruppe. Heute ist jedes fünfte Kind unter 15 Jahren von Kinderarmut betroffen und etwa jeder dritte Ü50-Jährige von Altersarmut bedroht. Andererseits hat auch ein fünfzigjähriger Landwirt nicht die gleichen Interessen wie ein gleichaltriger Erwerbsloser. Entscheidend ist, ob die Vorschläge geeignet sind, um die Missstände in der Gesellschaft zu beheben.

Sie können von mir erwarten, dass ich mich als Mandatsträger entsprechend dieser Bemerkungen genauso für die Belange der Ü40-jähigen einsetzen würde, wie für jene von jungen Beschäftigten, Schüler/innen und Studierenden. Sie brauchen sich aber auch sonst keine Sorgen machen, denn der LINKEN wird des Öfteren bescheinigt eine Partei zu sein "in der die Über-40-jährigen dominieren" (so der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter). Vom Austausch zwischen Alt und Jung lebt die Gesellschaft, er ist auch in Parteien produktiv und mir persönlich wichtig.

2. Unser Gesellschaft ist nominal eine ´soziale Marktwirtschaft´-das soll so bleiben-Wie sollen Sie es schaffen, als gewählter Vertreter soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen ohne neue Schulden zu machen?

Erlauben Sie mir bitte eine Vorbemerkung. Leider wird in den Medien nur selten darauf hingewiesen, dass die "Soziale Marktwirtschaft" keinen Verfassungsrang hat, sondern in den 1950er Jahren von der Adenauer-Regierung in Abgrenzung zu den wirtschaftsdemokratischen Vorstellungen der SPD und des Arbeitnehmerflügels in der CDU/CSU aufgebaut wurde. Mir ist u.a. deshalb der Auftrag durch die Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes näher, wonach die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat ist. Dem Rechtswissenschaftler Wolfgang Abendroth zufolge sollte damit zum Ausdruck kommen, dass "eine Demokratie nur funktionieren könne, wenn sie sich in die Gesellschaft selbst hinein erstrecke und allen sozialen Schichten die gleiche Chance im Wirtschaftsprozess biete". Meines Erachtens ist das heute nicht mehr gegeben.

Wir sind sicher einer Meinung, dass das soziale in der Marktwirtschaft mehr sein muss, als eine Begrifflichkeit für Sonntagsreden. Doch leider wurden in den letzten Jahren wesentliche Pfeiler des Sozialstaats, etwa die Grundsicherung und die Sozialversicherungen, weitgehend zerschlagen und teilprivatisiert. Das hat die Lebensverhältnisse und Zukunftsperspektiven vieler Menschen verschlechtert. Laut OECD haben Menschen mit niedrigem Einkommen in Deutschland heute die schlechteste Rentenerwartung aller Industriestaaten. Ihre Lebenserwartung ist um zehn Jahre geringer als die von Vermögenden.

DIE LINKE tritt dafür ein die positiven Traditionen des Sozialstaats wieder herzustellen, den Sozialabbau und die Privatisierungen zu stoppen und jedem Menschen soziale Sicherheit zu garantieren. Wir leben nicht in einem armen Land. Deutschland ist seit Jahren Exportweltmeister und die privaten Haushalte besitzen ein Nettovermögen von 5,4 Billionen Euro. Die reichsten zehn Prozent besitzen dabei fast sechzig Prozent dieses Vermögens, auf der anderen Seite sind mehr als ein Viertel aller Menschen verschuldet. Das ist purer Kapitalismus und hat mit einer sozialen Orientierung nicht mehr viel zu tun.

Wer Gerechtigkeit herstellen will, muss sich deshalb zwei Problemen zuwenden: Einerseits der extrem ungleichen Verteilung dieses Reichtums und andererseits der mangelnden Beteiligung Vermögender an der Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und Haushalte. Beides ist politisch gewollt und eine Konsequenz der katastrophalen Steuerpolitik, die die Masse belastet (zuletzt z.B. die Mehrwertsteuererhöhung) und die Reichsten entlastet (jüngst z.B. Unternehmens- und Erbschaftssteuerreform sowie die Abgeltungssteuer).

Alle Gesetzesinitiativen der Linksfraktion im Bundestag, die Einnahmeseite des Staates durch eine höhere Besteuerung von Kapitalrendite und großem Vermögen stärken wollten, wurden von den anderen Parteien abgelehnt. Sie machen das Gegenteil: Allein die Unternehmenssteuerreform führt 2008 zu Mindereinnahmen für die öffentlichen Haushalte in Höhe von circa 6,6 Milliarden Euro.

DIE LINKE hat mit ihrem Landtagswahlprogramm Konzepte und parlamentarischen Initiativen beschlossen, die einen Ausweg aus der Misere ermöglichen. Alle Wähler/innen haben die Chance mit ihrer Zweitstimme für DIE LINKE Druck auf die anderen Parteien auszuüben: Für eine stärkere Besteuerung der Vermögenden und für eine Entlastung der unteren siebzig Prozent der Privathaushalte sowie der Kleinbetriebe.

3. Was ist Ihr Konzept der wachsenden Wertelosigkeit in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken und gleichzeitig eine Polarisierung zu vermeiden?

Mein Eindruck ist, dass die soziale Polarisierung hierzulande durch Sozialabbau und Ausgrenzung bereits deutlich zugenommen hat. Der Wertewandel und insbesondere die mehr oder minder auffällige, soziokulturelle Verrohung der Gesellschaft sind Konsequenzen dessen. Die Zunahme von Gewalt, überforderte Elternhäuser bis hin zu Kindstötungen sind oft das Resultat von Perspektivlosigkeit, Frust über sozialen Abstieg oder Stigmatisierungen, die in den genannten Fällen einen ebenso traurigen und beschämenden Verlauf nehmen.

Die grundlegenden Wertorientierungen der LINKEN sind Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Internationalismus und Solidarität. Diese sind die Basis für unsere Vorstellungen von einem demokratischen Sozialismus. Da sich dieses Konzept in der hier gegebenen Kürze nicht umfassend darstellen lässt, empfehle ich Ihnen einen Blick in die Programmatischen Eckpunkte der LINKEN: http://die-linke.de/partei/dokumente/programmatische_eckpunkte/

Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung und wünsche auf diesem Wege alles Gute für 2008.

Mit freundlichen Grüßen,
Victor Perli

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