Portrait von Uwe Schünemann
Uwe Schünemann
CDU
0 %
/ 2 Fragen beantwortet
Frage von Klaus H. •

Frage an Uwe Schünemann von Klaus H. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Minister Schünemann,

in einem Artikel der Wochenzeitung der landwirtschaftlichen Ständevertretungen (Landesbauernverband, Landvolk und Landwirtschaftskammer Niedersachsen) "Land und Forst, Nr. 39, Seite 10" mit der Überschrift "Tierschützer im Fokus des Verfassungsschutzes" werden Sie mit folgender Bemerkung zitiert: „Zu den Gruppen und Organisationen, die linksextremistische oder derart beeinflusste Positionen vertreten, zählte Schünemann die Animal Liberation Front (A.L.F.), PETA sowie einige regionale Tierschutzorganisationen, u.a. in Hannover, Göttingen und Osnabrück.“

Ich bitte Sie, mir im Hinblick auf die genannte Organisation PETA folgende Fragen zu beantworten:

1.) Ist dieses Zitat richtig, d. h. haben Sie diese Aussage tatsächlich gemacht? Wenn ja, ergibt sich daraus Frage

2.) Was ist Ihre genaue Definition von „linksextremistisch“ und worauf gründet sich Ihre Erkenntnis, dass die nach meinem Kenntnisstand nicht primär politisch ausgerichtete Tierschutzorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) diesem Begriff, der eine politische Grundeinstellung charakterisiert, zuzuordnen ist?

Falls Sie die Frage zu 1.) allerdings mit „nein“ beantworten müssen, ergibt sich daraus Frage

3.) Was sind Sie gewillt zu unternehmen, um zu verhindern, dass die Redaktion der „Land und Forst“ solche Aussagen verbreitet (Gegendarstellung, Abmahnung etc.?). Es könnte ja durchaus sein, dass die Redaktion der „Land und Forst“ Sie aus wohlfeilen Gründen (PETA hat in der Vergangenheit immer wieder dafür gesorgt, dass grauenvolle Missstände in der agro-industriellen Intensiv-Tierhaltung - z. B. Stichwort Wiesenhof - an die Öffentlichkeit gelangt sind) instrumentalisiert hat, zumal die Überschrift den Inhalt des Artikels in keiner Weise widerspiegelt, sondern ganz im Gegenteil explizit festgestellt wird: „Eine gesonderte Beobachtung der Tierschutzszene gebe es nicht“.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Hamper

Portrait von Uwe Schünemann
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hamper,

das Thema „Radikale Tierschützer im Fokus des Verfassungsschutzes“ war am 16. September 2011 Thema im niedersächsischen Landtag. Namens der Landesregierung habe ich eine mündliche Anfrage hierzu beantwortet (vgl. Stenografischer Bericht zur 115. Sitzung des niedersächsischen Landtags, ausgegeben am 10. Oktober 2011, Anlage 4; Möglichkeit zum Download auf http://www.landtag-niedersachsen.de/stenoberichte_2011 ). Erlauben Sie mir daher, mich zur Beantwortung Ihrer Frage an dieser umfassenden Antwort zu orientieren.

Die Tierschutzszene insgesamt lässt sich grob in Tierschützer, „Tierrechtler“ und „Tierbefreier“ unterscheiden. Während es Tierschützern in erster Linie um das einzelne Tier und seine Unversehrtheit, d.h. um ein artgerechtes Leben ohne Zufügung von unnötigen Leiden, Schmerzen und Schäden geht, räumen „Tierrechtler“ und „Tierbefreier“ den Tieren unveräußerliche und weitgehende Rechte ein. Aus diesen Rechten leiten sie Forderungen zum gesellschaftlichen Umgang mit Tieren her. Sie fordern die Anerkennung „nichtmenschlicher Tiere“ als den Menschen im Wesentlichen gleichberechtigte Wesen. In Deutschland sind insbesondere seit Anfang der 1980er Jahre Aktionen militanter Tierschützer festzustellen. Durch die Begehung von Straftaten, wie z.B. Tierbefreiungen, Brandanschläge oder Sachbeschädigungen, verursachten sie Sachschäden bis in Millionenhöhe. Die Bezüge von „Tierrechtlern“ zur linksextremistischen Szene verdeutlicht vor allem die Internetseite http://www.veganelinke.antispe.org . Auf dieser Webseite werden neben Tierrechtsaktionen auch die von Linksextremisten besetzten Themenfelder Antikapitalismus, Antisexismus, Antirassismus und Antifaschismus thematisiert. Logos mit den Bezeichnungen „vegantifa“ sowie „veganarchist“ und Aufrufe, die mit der Losung „fight capitalism!“ enden, unterstreichen, dass sich militante Aktionen zur Tierbefreiung oder gegen Tierhaltung und Tiernutzung immer auch als Kampf gegen das zu überwindende politische System verstehen.

Nach Erkenntnissen der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde existieren bundesweit und in Niedersachsen Gruppen und Organisationen militanter Tierschützer, die linksextremistische bzw. linksextremistisch beeinflusste Positionen vertreten. Eine dem militanten Tierschutz zuzuordnende Organisation ist die „Animal Liberation Front“ (A.L.F.). Diese internationale Gruppe militanter Tierbefreier wurde im Jahre 1976 in Großbritannien gegründet. Ziel der A.L.F. ist es, durch Anschläge auf Einrichtungen und Personen und durch „Tierbefreiungen“, Tierversuche und Tötung von Tieren zu verhindern. Es handelt sich um eine der bedeutendsten Gruppierungen und Sammlungsbewegungen der militanten und extremistischen Tierrechtsszene in Deutschland sowie weltweit. Nach eigenen Angaben kann jeder durch die Ausführung von entsprechenden Aktionen Mitglied bei A.L.F. werden, eine offizielle Mitgliedschaft existiert dagegen nicht. Insofern besteht die A.L.F. aus kleinen, anonymen und unabhängig voneinander agierenden Zellen oder Einzelpersonen ohne zentrale Führung. Seit Mitte der 1990er Jahre wurden im Namen der A.L.F. zahlreiche Brandanschläge und Sabotageaktionen in Deutschland durchgeführt. Bereits das Logo der A.L.F., u. a. ein großes A im Kreis, weist eine Nähe zum Anarchismus auf. Ihre linksextremistische Einstellung wird aber vor allem anhand ihrer Selbstbezichtigungsschreiben für die in Niedersachsen begangenen Taten deutlich. So heißt es in einem von der A.L.F. im Zusammenhang mit dem Brandanschlag vom 30. Juli 2010 auf eine im Bau befindliche Hähnchenmastanlage in Sprötze bei Buchholz i.d.N. auf der Internetseite www.tierbefreier.de veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben: „Herrschaftskritik muss eine Auseinandersetzung mit Speziesismus, Kapitalismus, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, etc. beinhalten. Wir möchten jeden dazu ermutigen für die Befreiung aller Individuen von jeglicher Form der Herrschaft auf seine/ihre Weise zu kämpfen. Für die Freiheit aller Tiere!“

Am 23. August 2010 haben unbekannte Täter im Namen der A.L.F. die Grundstückseinfahrt des Eigentümers einer im Bau befindlichen Hähnchenmastanlage in Alvesse in der Gemeinde Vechelde (Landkreis Peine) mit dem Spruch besprüht: „….., , noch hast du die Wahl, deine Taten haben Konsequenzen! A.L.F.“ Ein knappes Jahr später, am 16. Juli 2011, folgte ein Brandanschlag auf die Alvesser Hähnchenmastanlage. In einer auf dem linksextremistischen Informationsforum linksunten.indymedia1 verbreiteten Bekennung (ohne Nennung einer verantwortlichen Gruppe) zu dem Brandanschlag heißt es, dass „legaler Protest“ den Bau der Anlage nicht verhindern konnte, daher habe man sich für diese Aktionsform entschieden. Neben den Folgen für die Umwelt durch die Massentierhaltung wird in dem Schreiben Kapitalismus- und Systemkritik geübt.

Eine weitere Organisation mit Verbindungen zu militanten Tierschützern ist die „People for the Ethical Treatment of Animals” (PETA). Diese nach eigenen Angaben mit mehr als zwei Millionen Unterstützern weltgrößte Tierrechtsorganisation wurde 1980 in Norfolk, USA, gegründet. Weltweit unterhält PETA in vielen Städten Büros, ist als gemeinnützig anerkannt. PETA lehnt die Vorstellung, dass Tiere als Eigentum betrachtet werden, ab. Die Organisation kämpft sowohl gegen Massen- und Pelztiertierhaltung, als auch gegen Tierversuche und jeglichen Fleischverzehr. Sie beteiligt sich nach eigenen Angaben zwar nicht an Tierbefreiungen, veröffentlicht aber Videobänder, die von der A.L.F. bei Aktionen aufgenommen wurden.

In Hannover existiert eine militante Tierschutzorganisation: die Herrschaftskritischen AntispeziesistInnen Hannover (HAH). Sie sind im November 2006 aus der autonomen Tierbefreiungsorganisation Hannover hervorgegangen. Auch die Antispeziesistische Offensive Göttingen setzt sich nach eigenem Bekunden für die Überwindung der Herrschaft von Menschen über Tiere inklusive des Menschen und der Natur ein. Dabei ist deren Ziel, die Tierbefreiung, nur Teil einer grundlegenden Herrschaftskritik. So heißt es in einer Mitteilungen: „Unser Ziel ist es, den Kapitalismus mit seiner Totalität und all seinen Widerwärtigkeiten abzuschaffen, um in einer freien Gesellschaft - hier in aller Kürze Kommunismus genannt - zu leben! …“ Mit der Tierrechtsinitiative Osnabrück (TRIOS) betätigt sich in Niedersachsen eine weitere Organisation auf diesem Themengebiet. Über Internetseiten sind die genannten Organisationen mit Gleichgesinnten sowie zum Teil auch mit denen des allgemeinen linksextremistischen Spektrums verlinkt. Zudem solidarisieren sich Teile der autonomen Szene mit militanten Tierschützern, insbesondere, wenn Polizei und Justiz gegen sie vorgehen.

Gleichwohl erfolgt keine gesonderte Beobachtung oder eine explizite Nennung extremistischer Tierrechtler in den jährlichen Verfassungsschutzberichten von Bund und Ländern. Sofern tierrechtliche Aktivisten jedoch Bezüge zu verfassungsfeindlichen Bestrebungen, insbesondere in die linksautonome Szene aufweisen, werden sie von den Verfassungsschutzbehörden im Phänomenbereich Linksextremismus erwähnt.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Uwe Schünemann

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Uwe Schünemann
Uwe Schünemann
CDU