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Frage von Bastian F. •

Frage an Ulli Nissen von Bastian F. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Nissen,

die SPD behauptet an vielen Stellen sich einzusetzen um den Klimawandel einzugrenzen. Leider fühlen sich für mich alle Ansätze als wenig konkret und viel Schaufensterpolitik an. Viel wird sich vorgenommen, einiges geplant, aber wirklich konkret und kurzfristig hilfreiches fehlt.
Umso mehr wundere ich mich, das Sie und auch die ganze SPD sich gegen den Antrag der Grünen für ein Tempolimit ausgesprochen haben.
Das kann ich nicht verstehen! Dies wäre ein sehr einfach umzusetzendes Mittel, das zwar nicht viel aber sehr kurzfristig den Willen zum Klimaschutz hätte zeigen können. Auch hätte ein Beschluss hier weitere positive Aspekte wie Lärmschutz und Unfallreduktion gehabt. Aber die Koalitionsdisziplin mit dem sicherlich sehr fähigen CSU Verkehrsminister ist scheinbar wichtiger als konkrete und sinnvolle Politik?

Meine ganz konkrete Frage: Wie können Sie mir als Wähler aus Ihrem Wahlkreis erklären, das Sie hier mit Nein gestimmt haben?

Vielen Dank für eine Antwort!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr F.,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 3. November 2019.

Im Herbst 2019 hat sich die Große Koalition auf ein umfassendes Maßnahmepaket für den Klimaschutz geeinigt. Ziel ist es, einen deutlichen Beitrag im Kampf gegen die globale Erwärmung zu leisten, den Ausstoß an Treibhausgasen in Deutschland bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und Mitte des Jahrhunderts ein klimaneutrales Land zu sein. So wie wir es der Weltgemeinschaft und unseren europäischen Partner zugesagt haben.

Wir fördern klimafreundliche Investitionen, erneuerbare Energien und klimaschonendes Verhalten Wir schaffen neue Regeln zur Vermeidung von Kohlendioxid, organisieren den Kohleausstieg und machen den Ausstoß von CO2 schrittweise teurer. Dabei sorgen wir für sozialen Ausgleich und einen sozialverträglichen Strukturwandel. Den Rahmen bildet ein neues Klimaschutzgesetz, mit dem die Vorgaben zur CO2-Einsparung erstmals verbindlich per Gesetz festgelegt werden. Die Maßnahmen beraten wir jetzt im Bundestag. Am 6.11.2019 hat dazu eine Öffentliche Anhörung des Umweltausschusses stattgefunden, die Sie bei Interesse hier sehen können:

https://www.bundestag.de/umwelt#url=L2Rva3VtZW50ZS90ZXh0YXJjaGl2LzIwMTkva3c0NS1wYS11bXdlbHQta2xpbWFzY2h1dHpwcm9ncmFtbS02NjQwMDA=&mod=mod539226

Mit dem Klimaschutzgesetz schreiben wir die Klimaziele verbindlich ins Gesetz und schaffen zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes verpflichtende Vorgaben für die Verringerung von Treibhausgasen. Wir legen für alle Bereiche - Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft - verbindlich fest, wieviel Treibhausgas Jahr für Jahr jeweils ganz konkret eingespart werden muss. Und wir verpflichten die Bundesregierung, die Fortschritte jedes Jahr durch unabhängige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überprüfen zu lassen. Wo die Vorgaben verfehlt werden, muss umgehend mit Sofortprogrammen nachgesteuert werden.

So schaffen wir Transparenz in der Umsetzung des Klimaschutzprogramms, vor allem aber ein hohes Maß an Verbindlichkeit, um die Einhaltung der Klimaziele auch tatsächlich zu erreichen.

Die Experten in der Anhörung waren sich einig, das Bundes-Klimaschutzgesetz ein Schritt in die richtige Richtung ist. Weitere Schritte müssen folgen.

Sehr geehrter Herr F., zum allgemeinen Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland. Sie haben mit Ihrer Forderung Recht, auch meine Partei, die SPD, hat bereits 2007 einen entsprechenden Beschluss für ein Tempolimit gefasst. Leider wird diese Meinung aber nicht von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer geteilt. Er hat eine aufkeimende Diskussion in den entsprechenden Fachgremien darüber Anfang des Jahres unverzüglich beendet und damit eine auch mir unverständliche rote Linie gezogen.

Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU haben wir uns darauf geeinigt, dass über das Verfahren und die Arbeit im Parlament Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen hergestellt wird. Beim Thema Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Bundesautobahnen ist dies aber nun nicht der Fall, deshalb habe ich den Antrag der Grünen abgelehnt und so den Koalitionsvertrag eingehalten.

Dennoch gibt es auch aus meiner Sicht nur Argumente für ein allgemeines Tempolimit:

Derzeit sind etwa 70 Prozent aller Bundesautobahnen (BAB) ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Im Jahr 2018 ereigneten sich auf allen BAB 20.537 Unfälle mit Personenschaden. Dabei starben 383 Personen. Die Unfallzahlen stagnieren seit Jahren. Eine genaue Prognose der Effekte eines allgemeinen Tempolimits auf die Unfallzahlen ist zwar nicht möglich, allerdings gibt es klare Hinweise auf einen positiven Effekt eines allgemeinen Tempolimits auf die Verkehrssicherheit. So kommt eine Untersuchung des Landes Brandenburg aus dem Jahr 2007 zu dem Ergebnis, dass die Einführung eines Tempolimits auf der A24 zwischen Wittstock/Dosse und Havelland eine effektive Reduktion der Unfallzahlen von 26,5 Prozent bewirkt habe. Ähnliche Effekte seien auch in Nordrhein-Westfalen zu beobachten gewesen.

Diese Zahlen lassen sich zwar nicht ohne weiteres auf das Gesamtnetz der Autobahnen übertragen, da die Effekte eines nicht nur streckenabschnittsweise-begrenzten Tempolimits nicht kalkuliert werden können. Dennoch gehen seriöse Schätzungen davon aus, dass ein allgemeines Tempolimit die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten um 80 bis 140 Fälle reduzieren könnte. Fakt ist, dass 42 Prozent aller schweren Unfälle auf Autobahnen sogenannte Geschwindigkeitsunfälle sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl der schweren Unfälle stark rückläufig wäre, ist damit hoch. Neben der Zahl der Getöteten ist auch die Zahl der Schwerverletzten durch Unfälle auf Bundesautobahnen ein wichtiger Faktor, der durch die Geschwindigkeitsbegrenzung reduziert werden könnte.

Festzustellen bleibt, dass keine Studie bislang zu dem Ergebnis gekommen ist, ein Tempolimit hätte insgesamt negative Effekte auf die Unfallzahlen. Deshalb ist davon auszugehen, dass ein Tempolimit in jedem Fall positive Effekte auf die Unfallzahlen hätte.

Auch mit Blick auf den Klimaschutz ist ein großes Einsparpotential von CO2-Emmissionen zu erwarten. Der Kraftstoffverbrauch hängt exponentiell mit der Geschwindigkeit zusammen. Ein Pkw verbraucht bei 160 km/h bis zu 35 Prozent Kraftstoff mehr als bei 130 km/h. Die AG1 der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität kommt zu dem Schluss, dass 1,2 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden könnten, der ADAC spricht sogar von „bis zu 2 Millionen Tonnen“ - und all dies, ohne nennenswerte Kosten. Gemessen am Gesamtvolumen der angestrebten Minderung im Verkehrssektor bis 2030 von ungefähr 60 Mio. Tonnen wäre dies ein erheblicher Beitrag.

Ich kann Ihnen versichern, dass sowohl meine Fraktion und auch ich mich persönlich für ein allgemeines Tempolimit einsetzen werden. Ohne die Unionsparteien wird es allerdings in dieser Legislaturperiode allerdings keine Mehrheit für ein Tempolimit geben können, da auch FDP und AfD dagegen sind. Deshalb möchte ich Ihnen empfehlen, sich mit Ihrem Anliegen auch direkt an die Abgeordneten von CDU und CSU zu wenden.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihr Engagement.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre

Ulli Nissen