Portrait von Ulli Nissen
Ulli Nissen
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ulli Nissen zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Eric M. •

Frage an Ulli Nissen von Eric M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Nissen,

Ihr Parteifreund Franz Müntefering vertrat im Jahr 2006 nach einem Bericht der ZEIT vom 17.5.06 die Auffassung "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen". Er war in jener Zeit Bundesminister für Arbeit und Soziales.[1]
Diese einigermaßen eindeutige Formulierung traf innerhalb der SPD durchaus auf gemischte Reaktionen, sowohl auf Zustimmung wie auch auf deutliche Ablehnung.

Gehen Sie wie ich davon aus, dass F. Müntefering hier ausschließlich auf Erwerbsarbeit abstellte?
Welche Position vertreten Sie in dieser Frage?

Bitte ordnen sie "wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" auch historisch ein - ausdrücklich unter Einbeziehung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Bitte gehen Sie zudem auf durch das heutige System der Sozialen Sicherung verursachte "Kollateralschäden" ein wie z.B. den Hungertod eines "Hartz IV"-Empfängers 2007 in Speyer.[2,3]

Im Voraus vielen Dank für Ihre Mühe.

Mit freundlichen Grüßen
Eric Manneschmidt

[1] http://www.zeit.de/online/2006/20/Schreiner/komplettansicht
[2] http://www.stern.de/panorama/gesellschaft/kommentar-der-hungertod-heisst-hartz-iv-3361380.html
[3] http://www.zeit.de/2007/18/LS-Hungertod/komplettansicht

Portrait von Ulli Nissen
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Manneschmidt,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 5. Juli 2015.

Ich persönlich halte es für ausgeschlossen, dass Franz Müntefering einen solchen Satz gesagt hat, denn alle Sozialgesetze in Deutschland begründen sich auf Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

In Deutschland können Sozialleistungen gekürzt werden, damit die Jobcenter und Arbeitsverwaltungen ein „Aktivierungsinstrument“ in der Hand haben. Es handelt sich um die sogenannten Sanktionen.

Bei Erwachsenen können zwar die Sozialleistungen gekürzt werden, nicht aber die Kosten der Unterkunft. Anders ist das bei den unter 25-Jährigen: Bei Verstößen erhalten unter 25-Jährige sowohl Sozialleistungen als auch die Kosten der Unterkunft gekürzt. Sie können aber ergänzende Sach- oder geldwerte Leistungen wie beispielsweise Lebensmittelgutscheine erhalten.

Insbesondere die Sanktionspraxis gegenüber unter 25-Jährigen hält die SPD für falsch. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU haben wir deshalb folgenden Passus aufgenommen:

„Wir wollen die weitgehende Sanktionierungsregelung und -praxis im SGB II für unter 25-Jährige auf ihre Wirkung und möglichen Anpassungsbedarf hin überprüfen und Lücken zwischen der Jugendhilfe und anderen Hilfesystemen weiter reduzieren.“

Das Bundesarbeitsministerium arbeitet an einem Gesetzentwurf hierzu.

Ich persönlich bin der Auffassung, dass die Sozialleistungen nur bis zum sächlichen Existenzminium gekürzt werden dürften, um Artikel 1 des Grundgesetzes zu entsprechen.

Zu dem einzigen bekannten und sehr bedauernswerten Hungertod eines Menschen im SGB II-Bezug hat die Bundesregierung ausführlich Stellung bezogen: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/055/1605550.pdf . Hier heißt es: „Die Absenkung der Leistungen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung entsprach nach Auffassung der Bundesregierung nicht der geltenden Rechtslage“.

Mit freundlichen Grüßen

Ulli Nissen, MdB