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Thorsten Frei
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Frage von Michael Q. •

Sie forderten in Ihrer Rede am 23.6.21 im Bundestag, dass im Einzelnen die persönliche Gefährdungslage einer afghanischen Ortskraft geprüft werden muss. Was für Beweise fordern Sie da ein?

Sehr geehrter Herr F.,

Sie und die Union haben am 23. Juni den Antrag der Grünen abgelehnt, durch ein Gruppenverfahren schnellstmöglich Ortskräfte aus Afghanistan auszufliegen.
Sie forderten stattdessen in Ihrer Rede, dass die persönliche Gefährdungslage jeder Ortskraft einzeln geprüft werden muss, was viel Zeit beansprucht. Was für Beweise fordern Sie da überhaupt ein?

In Ihrer Rede behaupten Sie, dass man allein aus der Tätigkeit einer Ortskraft für Deutschland keine Rückschlüsse auf eine lebensgefährliche Situation schließen kann. Wieso halten Sie Kollaboration mit der NATO und dem Westen nicht grundsätzlich für lebensgefährlich für eine Ortskraft?

Sie behaupteten in Ihrer Rede, dass die Taliban lediglich in 10 von 400 Distrikten vorgedrungen sei. Am Vortag dem 22.6. hat die UN allerdings schon gemeldet, dass über 50 von 400 Distrikten von der Taliban erobert sind. Können Sie Ihre falsche Zahlen erklären?

Mit freundlichen Grüßen

Michael Quien

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Sehr geehrter Herr Q.,

wenn Sie meine Rede vom 23. Juni vollständig lesen oder ansehen, dann sehen Sie auch, dass ich immer betont habe, dass Deutschland ein verlässlicher Partner sein muss: Wer an unserer Seite in Afghanistan gekämpft und für Frieden und Demokratie eingesetzt hat, muss sich auf uns verlassen können. Menschen, denen aus ihrer Arbeit für Deutschland eine persönliche Gefährdung erwachsen ist, wollen wir nicht schutzlos zurückzulassen. Der Antrag der Grünen zielte jedoch auf eine unterschiedslose Aufnahme, gleichgültig ob eine Bedrohung vorlag oder nicht. Vor dem Hintergrund der damaligen Einschätzung der Sicherheitslage war das nicht gerechtfertigt. Ein solcher Weg ist auch international nicht üblich. Vielmehr war und ist es üblich, die Gesamtumstände anhand einer Einzelfallprüfung zu bewerten. So geschieht es doch auch in unserem Asylsystem in Deutschland. Jede Ortskraft hatte die Möglichkeit, auf die deutschen Institutionen vor Ort zuzugehen, eine individuelle Gefährdung anzugeben und die Gründe dafür darzulegen. Die jeweiligen Bundesministerien haben dann eine Einzelfallentscheidung getroffen. Ich gehe davon aus, dass dort geschulte landeskundliche Experten sehr gut in der Lage sind, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dieses Vorgehen erachte ich prinzipiell und auch vor dem Hintergrund der Gesamtlage Ende Juni für richtig.

Dabei spielt natürlich auch die Differenzierung des Arbeitgebers eine Rolle. Es macht schon einen erheblichen Unterschied, ob man für die Bundeswehr oder die Entwicklungshilfe – die Taliban wollen ja sogar, dass diese weitergeführt wird und schützen m.E. sogar diese Einrichtungen – gearbeitet hat. Ebenso ist der Zeitpunkt des Engagements wichtig. Wenn jemand bereits vor Jahren aus dem Dienst für Deutschland ausgeschieden ist und seit dem keine Bedrohung gespürt hat, obwohl er danach ganz normal weiter in Afghanistan gelebt hat, zeigt doch, dass es durchaus Fälle ohne besondere Bedrohungslage gibt. Zumal die Taliban ja nie verschwunden sind und Rache immer ausgeübt haben. Am Ende sehen wir dies auch daran, dass viele Ortskräfte bis dato überhaupt nicht auf Deutschland zugegangen sind und eine solche Anzeige gestellt haben.

Unabhängig davon haben wir aufgrund der sehr dynamischen Lageentwicklung in Afghanistan auch die Verfahren immer wieder beschleunigt und unbürokratischer gestaltet. Dennoch bleibe ich dabei, dass der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 23. Juni richtig war, da die afghanische Regierung zu diesem Zeitpunkt – egal ob es 350 oder 390 von 400 Distrikten waren - noch sehr große Teile des Landes kontrollierte. Vor allem sollten wir nicht außer Acht lassen, dass es gerade die Grünen und Linken waren, die sich mit großer Mehrheit bereits im März gegen eine Verlängerung des Bundeswehrmandates in Afghanistan gestellt haben. Insofern sind die heutigen Vorwürfe, man hätte das Land zu früh allein gelassen, eine fadenscheinige Nebelkerze.

Mit freundlichen Grüßen

Thorsten Frei

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