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Thomas Lutze
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Frage von Jan Niklas F. •

Frage an Thomas Lutze von Jan Niklas F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Thomas (ich bleibe beim Du aus früheren politischen Begegnungen),

als Saarländer wende ich mich an Dich als "mein" Linken-Abgeordneter im Bundestag.

Die Bundesregierung hat in dieser Woche einen Referentenentwurf für eine Reform des "Transsexuellengesetzes" an die Verbände geschickt. Diese sollten sich innerhalb von zwei Tagen äußern, was an sich schon ein Unding ist. Der Entwurf enthält neben einigen wenigen Verbesserungen viele deutliche Verschlechterungen für transgender und auch intersexuelle Mitmenschen, wie den diversen Stellungnahmen zu entnehmen ist. Gegenüber dem Ideal einer repressionsfreien Selbstbestimmung bleibt er weit zurück.

(1) Wie stehst Du zum Vorgehen der Regierung und zum vorliegenden Entwurf? Welche Forderungen hast Du an eine Gesetzesnovelle? Anhand des Linken-Programms nehme ich an, dass Du meine Einschätzung im Wesentlichen stützt.

(2) Welche konkreten Maßnahmen willst und wirst Du unternehmen, um die Verschlechterung des Ist-Zustandes durch den vorliegenden Entwurf zu verhindern und auf eine Verbesserung der Situation - möglichst im Sinne einer Selbstbestimmung der direkt betroffenen Mitmenschen ohne staatliche Repressalien - hinzuwirken?

Danke schon jetzt für Deine Antwort,
J. N. F.

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Antwort von
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Lieber Jan Niklas,

zunächst möchte ich Dir zustimmen, dass die kurze Frist, welche den Fachverbänden als Reaktionsmöglichkeit gegeben wurde, völlig inakzeptabel ist. Eine Reform des TSG ist seit Jahrzehnten notwendig und wurde trotzdem ohne Einbeziehung der Fachverbände erarbeitet.
Zu Deiner ersten Frage: Ich teile Deine Einschätzung, dass die Gesetzesreform zwar marginale Verbesserungen mit sich bringt, wie zum Beispiel die Möglichkeit für die Betroffenen den Eintrag „divers“ zu nutzen oder den Geschlechtseintrag gänzlich streichen zu lassen und dem Anspruch auf (anonyme) Beratung. Jedoch bleibt die Gesetzesreform an vielen Stellen hinter den Erwartungen zurück.
Ich schließe mich in meiner Kritik dabei hauptsächlich dem Bundesverband Trans* e.V. (BVT*) und dem jugendnetzwerk:lamdba an: Die Gesetzesreform sieht weiterhin vor, dass Außenstehende die Geschlechtszugehörigkeit der Betroffenen in einer Beratung feststellen. Dies verwehrt den Betroffenen nicht nur die selbstbestimmte Erklärung vor dem Standesamt, sondern stellt auch keine Verbesserung zur aktuellen Praxis der Begutachtung dar. Zudem gibt es keinerlei Rechtssicherheit darüber, unter welchen Umständen den Betroffenen eine Beratungsbescheinigung zusteht. Des Weiteren schließen die geforderten Qualifikationen für die Berater*innen alle psychosozialen Beratungsstellen aus, welche für die Betroffenen aber die erste Anlaufstelle für Fachberatungen sind.
Neben diesen größeren Problemen des Entwurfes, die nicht den Forderungen der UN auf ein selbstbestimmtes Verfahren entsprechen, enthält er auch schlicht handwerklich verheerende Fehler: Würde man den aktuellen Entwurf wörtlich auslegen, gelten trans* Personen nach ihrer Geschlechtsangleichung nicht mehr als trans*und könnten die standesamtlichen Veränderungen gar nicht vornehmen lassen. Darüber hinaus finden sich im Entwurf Formulierungen wie „weibliches/männliches Körperbild“, die weder einen weiteren Rechtsbezug hat noch mit der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes konform ist, welches ausdrücklich auf die Geschlechtsidentität verweist. Der Verweis auf körperliche Merkmale könnte Untersuchungen zur Folge haben, die in ihrer Gänze abzulehnen sind.
Zu Deiner zweiten Frage: Aufgrund der Arbeitsteilung innerhalb der Linksfraktion des Bundestages bin ich nicht direkt für das Thema verantwortlich. Die Reform des TSG liegt im Arbeitsbereich meiner Kollegin Doris Achelwilm. Natürlich werde ich im parlamentarischen Verfahren den bisherigen Gesetzesentwurf ablehnen und die Position meiner Fraktion zum Thema unterstützen (diese lässt sich zum Beispiel hier nachlesen: https://www.linksfraktion.de/themen/a-z/detailansicht/transgeschlechtlichkeit-sexualitaet/).

Herzliche Grüße
Thomas Lutze

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