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Theresia Bauer
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Frage von Rhea N. •

Frage an Theresia Bauer von Rhea N. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Ministerin,

im Schwäbischen Tagblatt habe ich heute gelesen, dass Sie Tierversuche für ethisch vertretbar halten. Nun würde mich interessieren, welche Gründe Sie hierfür anführen. Zudem stellt sich mir die Frage, ob Sie wirklich der Ansicht sind, dass die in Tübingen betriebene Grundlagenforschung Erkenntnisse hervorbringt, die der Behandlung schwerer Erkrankungen des Menschen dienen. Ein Argument ihrerseits, warum die Versuche fortgeführt werden sollten. Meiner Kenntnis nach handelt es sich um Versuche, die keinen medizinischen Nutzen haben, eine große Qual für die Affen bedeuten und einzig und allein der Profilierungssucht der Wissenschaftler*innen dienen. In München, Berlin und Bremen wurden Tierversuche im Bereich der Hirnforschung an Affen von den zuständigen Behörden abgelehnt.
Ich hoffe, dass Sie im Zuge der Beantwortung dieser Fragen, die Legitimität der Versuche nochmals überdenken.

Mit freundlichen Grüßen

Rhea Niggemann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Niggemann,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Die Landesregierung setzt sich für eine Reduzierung von Tierversuchen im Rahmen des geltenden Rechts ein. Hierfür wurde innerhalb der von der Landesregierung neu geschaffenen „Stabstelle Landesbeauftrage für Tierschutz (SLT)“ ein „Fachforum Primaten“, das sich speziell mit den Tierversuchen in Tübingen beschäftigt, eingerichtet. Die Stabsstelle hat im Januar 2013 ihre Arbeit aufgenommen und dient als Plattform, welche für die Landesregierung Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben erarbeitet und Anlaufstelle für Fragen von Bürgern und Bürgerinnen ist. Sie bündelt außerdem die verbändeübergreifende Zusammenarbeit im Tierschutz. Es fanden bereits Vorgespräche zwischen den Tierschutzbeauftragten, der Einrichtungen, die Primaten halten und der Genehmigungsbehörde statt, um weitere Maßnahmen auszuloten. Dabei ist die Erfassung der Belastung bei Primaten im Experiment ein wichtiger Kernbereich.

Ein weiterer Baustein, um Tierversuche verringern zu können, steckt in der Förderung der Erforschung tierversuchsfreier Ersatzmethoden. Die Landesregierung fördert diesen Forschungs-zweig mit derzeit 400.000 Euro im Jahr. Personelle Verstärkung bekommt der Tierschutz außerdem in den Ethikkommissionen, die bei den Antragsverfahren für Tierversuche eine beratende Funktion innehaben. Ein Preis für tierversuchsfreie Forschung ist mit 25.000 Euro dotiert.

Allerdings möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die auch im Grundgesetz festgelegte Forschungsfreiheit dabei gewährleistet sein muss und Tierversuche in der Grundlagenforschung und der angewandten biomedizinischen Forschung prinzipiell zulässig sind, sofern sie unerlässlich und ethisch vertretbar sind. Nur dann sind sie genehmigungsfähig. In Tübingen werden durch Versuche an den Primaten u.a. Kleinhirnfunktionsstörungen und spezifische Schwindelerkrankungen untersucht und ferner die Aufklärung von neuronalen Vorgängen im Gehirn, die bei Autismus oder Schizophrenie gestört sind. Die neurowissenschaftlichen Arbeitsgruppen an den Einrichtungen in Tübingen, arbeiten also grundlagenwissenschaftlich an Themen, die zu neuen Ansätzen in der Medizin und zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise auch des menschlichen Gehirns beitragen sollen. Weiterhin kann ein kurzfristiger Ausstieg aus der Primatenforschung auch aus rechtlichen Gründen nicht umgesetzt werden, insbesondere können bestehende Genehmigungen nicht zurückgenommen werden. Der Schutz von Versuchstieren wurde durch die EU-Richtlinie 2010/63 gemeinschaftsrechtlich neu geregelt. Die europäischen Institutionen haben während des Verfahrensverlaufs davon abgesehen, einen Verzicht auf Tierversuche an nichtmenschlichen Primaten zu beschließen. Die EU-Richtlinie versagt den Mitgliedsstaaten den Erlass strengerer einzelstaatlicher Regelungen. Zuständig für die konkrete Umsetzung des neuen Tierversuchsrechts ist die Bundesregierung. Über Anträge zur Genehmigung von Tierversuchen - auch unter Verwendung von Primaten - entscheiden in Baden-Württemberg die Regierungspräsidien auf der Grundlage der tierschutzrechtlichen Vorschriften und Verfahrensregeln. Im Rahmen der anstehenden Änderung des Tierversuchsrechts wird die Genehmigungspraxis der Regierungspräsidien an die strengeren Vorgaben der neuen EU-Tierversuchsrichtlinie angepasst.

Mit freundlichen Grüßen
Theresia Bauer

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