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Thekla Walker
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Frage von Emil W. •

Frage an Thekla Walker von Emil W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Bild-Online hat gestern gemeldet; "In 2016 sind weitere 100000 Flüchtlinge eingetroffen - werden es 2016 mehr Flüchtlinge als 2015 ?" Deshalb die Frage an Sie: Gilt Ihre uneingeschränkte Willkommenskultur weiterhin und schaffen Sie das ? Ich sage Sie und Ihre Grünen, weil sich Europa und die überwiegende Mehrheit der Bürger von der Willkommenskultur verabschiedet hat. Warum protestieren Sie nicht energisch gegen das falsche Spiel von CDU und SPD, die EU - Aussengrenzen dicht machen zu wollen, aber an den EU-Innengrenzen das menschliche Gesicht zeigen ? Oder sind Sie klammheimlich froh, dass die CDU und die SPD die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschlanf kommen dürfen, reduziert. während Sie weiter vom unbegrenzten Zuzug schwärmen können ? Also nochmals die Frage: ist eine weitere Million Flüchtlinge bei den Grünen (ohne Boris Palmer) willkommen ?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

die von einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gelebte Willkommenskultur hat nichts mit der Zahl der Flüchtlinge zu tun oder gar dem Wunsch, dass es möglichst viele sein sollen. Wir Grünen schwärmen jedenfalls nicht vom unbegrenzten Zuzug, wie Sie das unterstellen. Es geht bei der Willkommenskultur schlicht um die Haltung denjenigen Menschen gegenüber, die als Schutzsuchende zu uns kommen.

Natürlich sind darunter auch Menschen, die aus wirtschaftlicher Not oder auf der Suche nach einem besseren Leben zu uns kommen. Das ist für mich aber weder ein Grund, alle über einen Kamm zu scheren oder gar alle unter Generalverdacht zu stellen, noch Menschen schlecht zu behandeln.

Wir Grünen stehen zum Grundrecht auf Asyl und zur humanitären Verpflichtung gegenüber Schutzsuchenden. Ich bin froh, dass eine große Mehrheit in unserer Gesellschaft das genauso sieht und allen Flüchtlingen gegenüber ein freundliches Gesicht zeigt und sie nicht bei ihrer Ankunft beschimpft, bedroht oder ihnen gar das Dach über dem Kopf anzündet.

Selbstverständlich betrachten auch viele dieser breiten Mehrheit von freundlichen Menschen, viele der Helfer und Ehrenamtlichen die Entwicklung der Flüchtlingszahlen mit Sorge. Das tue auch ich und selbstverständlich setzen auch wir Grünen uns dafür ein, dass die Zahl der Flüchtlinge kleiner wird. Auch besteht kein Zweifel, dass diejenigen, die ohne anerkannten Asylgrund zu uns kommen, wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen.

Abschreckung über Hass, Ausgrenzung oder gar Gewalt (Stichwort Schusswaffengebrauch an der Grenze) ist aber der falsche Weg, weil er unseren Grundwerten, unserer Verfassung und fast allem widerspricht, was unser Gemeinwesen zusammenhält. Und auch der Versuch, die Flüchtlingskrise dadurch zu lösen, dass wir in Europa in nationalstaatliche Egoismen zurückfallen und die Binnengrenzen schließen, wird uns schon bald mehr schaden als nutzen.

Gerne verweise ich Sie auf die Haltung des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, der es klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringt und der nicht dafür bekannt ist, ein Hort grüner "Schwärmer" zu sein: "Verlieren wir Schengen, verlieren wir unsere Wirtschaftskraft". Es ist auch deshalb richtig, nach gesamteuropäischen Lösungen zu suchen, die Fluchtursachen zu bekämpfen, die Lebensbedingungen der Menschen außerhalb der EU-Außengrenzen zu verbessern, für europaweit einheitliche und klare, aber auch faire und solidarische Regeln zu sorgen und die Nachbarländer von Bürgerkriegs- und Krisenherden zu stabilisieren und zu unterstützen.

Das ist alles viel schwieriger und komplizierter als einfach Obergrenzen und Kontingente zu postulieren. Es sind aber im Unterschied zu den populistischen Sprüchen ehrliche und realistische Lösungsansätze. Und es sind Lösungsansätze, die mit unseren Werten und unserer Rechtsordnung und auch dem europäischen Gedanken vereinbar sind. Und nur für solche Lösungsansätze setzen wir Grünen uns ein.

Ich bin aber überzeugt, dass wir auf diesem Weg - und zwar nur auf diesem Weg - zu einer tragfähigen Reduzierung der Flüchtlingszahlen kommen können.

Mit freundlichen Grüßen

Thekla Walker

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