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Sigrid Beer
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Frage von Hubertus W. •

Frage an Sigrid Beer von Hubertus W. bezüglich Familie

Betriebsrente: Merkel verhindert Entlastung

Sehr geehrter Frau Beer,
durch Betriebsrenten und betriebliche Lebensversicherungen bauen vielen Arbeitnehmern eine finanzielle Brücke in den Ruhestand. Dass dem Arbeitnehmer nahezu ein Fünftel des Gesamtbetrags als Krankenkassenbeitrag abgezogen wird, empfinden ich als bald Betroffener sehr ungerecht. Die SPD hätte die Halbierung der Abzüge am liebsten schon im Koalitionsvertrag vereinbart, in der CDU gibt es vor allem wegen des Drängens von Mittelstandsvereinigungs-Chef Carsten Linnemann einen dahingehenden Parteitagsbeschluss. Da mutet es merkwürdig an, dass Kanzlerin Angela Merkel plötzlich auf der Bremse steht.

Frage: Wollen Sie endlich für eine schnelle und gerechte Lösung kämpfen. Wenn nein, dann stehen Sie auch öffentlich dazu. Kämpfen und widersprechen Sie der Kanzlerin und sorgen Sie für eine zeitnahe Umsetzung

LG

H. W.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Diese berührt nicht die Landesebene, sondern Regelungen auf der Bundesebene. Aber gern stelle ich Ihnen die Position der Bundestagsfraktion dazu dar:

Die von Ihnen kritisierte Regelung geht zurück auf die Gesundheitsreform 2004.
Zu dieser Neuregelung hat es in den nachfolgenden Jahren verschiedene Klagen gegeben, die bis vor das Bundesverfassungsgericht gegangen sind. In diesen Verfahren haben die Karlsruher Richterinnen und Richter jeweils entschieden, dass die Ausweitung der Beitragspflicht einschließlich der auf die einmalig ausgezahlten Lebensversicherungen bis auf wenige Ausnahmen rechtens ist. Auch das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip sei nicht verletzt worden.
Neben der Bestätigung durch die Gerichte ist aber natürlich die Frage wichtig, ob diese Regeln als "gerechter" empfunden werden als die bis dahin geltenden Regelungen. Die Grüne Bundestagsfraktion würde diese Frage auch in der Rückschau grundsätzlich mit einem "Ja" beantworten. Zum einen, weil die Rechtsänderung im Hinblick auf die Direktversicherungen zu mehr Beitragsgerechtigkeit zwischen älteren und jüngeren Versicherten geführt hat. Aber auch, weil in der gesetzlichen Krankenversicherung der Grundsatz gilt, dass die Beiträge nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zu dieser Leistungsfähigkeit tragen aber auch die Bezüge bei, die Versicherte neben ihren Renteneinkommen erhalten. Dies gilt selbstverständlich auch für einmalig ausgezahlte Geldsummen die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen auch über den Monat der Auszahlung hinaus verbessern.
Trotzdem - da sind wir uns in der Bewertung wahrscheinlich einig - sind die beschlossenen Regelungen nicht komplett befriedigend.
Unbefriedigend sind diese Regelungen auch deshalb, weil Beiträge zur Altersversorgung nach wie vor völlig unterschiedlich behandelt werden. So sind Beiträge, die der Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung zahlt, bis zu einer bestimmten Grenze beitragsfrei. Das gleiche gilt für Beiträge, die der Arbeitnehmer im Wege der Entgeltumwandlung aus seinem Bruttoentgelt zahlt. Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung, die der Arbeitnehmer aus seinem Nettoeinkommen zahlt, sind hingegen nicht beitragsfrei. Beiträge des Arbeitnehmers für eine private Altersversorgung sind hingegen wiederum beitragsfrei.
Das Durcheinander geht weiter in dem Moment, wenn es im Alter zur Auszahlung der angesparten Beiträge kommt. Auch hier werden Rentner völlig unterschiedlich behandelt, je nachdem um welche Einkunftsarten es sich handelt. Auf Einkünfte aus Direktversicherungen müssen in der Regel Beiträge gezahlt werden, aber auch hiervon gibt es Ausnahmen. Auf Erträge aus privater Altersversorgung hingegen müssen keine Beiträge gezahlt werden.
Dass ein solches Kuddelmuddel bei den Betroffenen die Zustimmung zu der Regelung nicht erhöht, ist nachvollziehbar. Hier müssen wir für eine gleichmäßige und damit für die Betroffenen auch eher nachvollziehbare beitragsrechtliche Behandlung sorgen. Des Weiteren hat die Grüne Bundstagsfraktion die Bundesregierung in einem Antrag aufgefordert, zu prüfen, inwieweit Personen mit einer betrieblichen Altersversorgung bei der Beitragstragung unterstützt werden können. Leider wurde dieser Antrag abgelehnt.
Es gibt Vorschläge, die so genannte Doppelverbeitragung bei der Betriebsrente völlig abzuschaffen. Das unterstützen wir so nicht. Allerdings empfinden viele Versicherte, die ihren Vertrag vor Einführung der kritisierten Regelung abgeschlossen hatten, die bestehende Rechtslage verständlicher Weise als ungerecht. Sie haben sich damals im Glauben an eine dauerhafte Beitragsfreiheit für diese Form der Alterssicherung entschieden. Deshalb unterstützen wir Vorschläge, die bisherigen Freigrenzen von rund 152 Euro für die Verbeitragung der betrieblichen Alterssicherung in einen Freibetrag umzuwandeln. Damit würden wir gezielt Rentnerinnen und Rentner mit geringen Betriebsrenten entlasten.
Angesichts bestehender gesundheitspolitischer Reformbedarfe wie etwa einer besseren Vergütung von Therapeutinnen und Therapeuten sowie Verbesserungen in der Pflege sollen die Kosten dieser Änderung jedoch nicht auf die Versichertengemeinschaft der gesetzlich Versicherten übergewälzt werden. Die entstehenden Mindereinnahmen durch eine Einführung eines Freibetrages wären aus dem Bundeshaushalt auszugleichen. Es ist deshalb mehr als bedauerlich, dass die Bundesregierung die ohnehin knappen Spielräume im Bundeshaushalt etwa durch die geplante Abschaffung des Solidaritätszuschlags weiter einzuschränken droht.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid Beer MdL