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Sebastian Körber
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Frage von Thomas W. •

Frage an Sebastian Körber von Thomas W. bezüglich Wirtschaft

Hallo Herr Körber.

Warum haben SIE dem ESM Vertrag zugestimmt?

Haben SIE diesen Vertrag gelesen?

Ist Ihnen nicht bewusst, dass dieser Vertrag verfassungswidrig ist?
Ist Ihnen nicht bewusst, dass dieser Vertrag absolut undemokratisch ist, siehe z.B. Artikel 9, 10, 27 oder 30?
Und glauben Sie ernsthaft, dass SIE noch jemand, bis auf einige Unwissende,
nach diesem Abstimmungsverhalten wiederwählen wird?

Mit einem Gruß aus Bamberg

Thomas Windisch

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Antwort von
FDP

Hallo Herr Windisch, danke für Ihre Wortmeldung zum ESM. Sie besteht zwar mehr aus vorgefertigter Meinungsäußerung als einer echten Frage, was ich Ihnen als Aktivist der Piratenpartei jedoch nachsehe.

Ich respektiere Kritik am ESM, aber Protest ersetzt letztlich keine Entscheidungen und ich stehe als Parlamentarier zu meiner Entscheidung pro ESM und verantworte sie. Gerade in unruhigen Zeiten muss man den Bürgern klare Linien aufzeigen und deutlich machen, wofür die eigene Partei oder man persönlich als Mandatsträger steht. Die Messlatte ist stets die eigene Überzeugung. Politiker müssen sich immer fragen lassen, ob sie das Richtige tun, selbst wenn sie daraufhin nicht gewählt werden. Die eigene Grundüberzeugung ist mir jedenfalls dabei wichtiger als der aktuelle Beifall.

Für die von Ihnen als "einige Unwissende" bezeichneten Menschen hier nochmals meine Beweggründe in aller Kürze (und mit so wenig "Fachchinesisch" wie möglich):

Der Bundestag hat bekanntlich vor der parlamentarischen Sommerpause - auch mit meiner Stimme - die Ratifizierung des europäischen Fiskalvertrages und des Vertrages über einen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit breiter Mehrheit beschlossen. Diese Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht, zumal die Materie hochkomplex ist. Ich verrate kein Geheimnis, dass wir auch koalitions- und fraktionsintern immer gewissenhaft um den richtigen Weg gerungen haben. Es gibt halt nur leider nicht den einen Befreiungsschlag, der die Krise von einem Moment auf den anderen beendet.

Vorbehaltlich der ausstehenden Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht - dann werden sich ja auch Anwürfe von "undemokratisch" bis "verfassungswidrig" klären - kann Deutschland mit dieser Ratifizierung einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die europäische Währungsunion dauerhaft stabil zu halten. Mit dem europäischen Fiskalvertrag verpflichten sich die Staaten zu verbindlichen schuldenbegrenzenden Regeln, die der Schuldenbremse des Grundgesetzes sehr ähnlich sind. Zusammen mit den finanz- und wirtschaftspolitischen Reformen, die in vielen Euro-Staaten in Gang gekommen sind, dem „gehärteten“ Stabilitäts- und Wachstumspakt und dem neuen Überwachungsverfahren für gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte sorgt der Fiskalvertrag dafür, dass die Ursachen der Staatsschuldenkrise im Euroraum bekämpft und solche Krisen künftig besser vermieden werden. Anders als der (in sehr kurzer Zeit geschaffene temporäre Rettungsschirm) EFSF stellt der Stabilitätsmechanismus ESM zugleich ein im Vorhinein bekanntes, ausgereiftes Instrumentarium zur Bewältigung von Staatsschuldenkrisen im Euroraum bereit.

Bereits im vergangenen Jahr haben die Euro-Staaten eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Banken durch striktere Vorgaben und stärkere Überwachung widerstandsfähiger gegen Verluste zu machen. Ein erster großer Erfolg zeigte sich darin, dass der Schuldenschnitt in Griechenland ohne Verwerfungen auf den Finanzmärkten realisiert werden konnte. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass die Staatsschuldenkrise in Europa zu einem Zeitpunkt begann, als die europäischen Banken in Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2007/2008 ihren Ursprung in den USA nahm, erheblich geschwächt waren. Seither ist es ein zentrales Element der Krisenbekämpfung, darauf hinzuwirken, dass sich Banken- und Staatsschuldenkrise nicht wechselseitig verstärken.

Wir haben uns in Europa schon im vergangenen Herbst auf ein Verfahren verständigt, nach dem zunächst die großen europäischen Banken schrittweise so viel Eigenkapital vorhalten müssen, dass sie auch im Fall sehr ungünstiger wirtschaftlicher Entwicklungen ihre Verluste noch selbst tragen können. Zunächst waren die Banken gefordert, sich bis Ende Juni 2012 selbst am Markt zu rekapitalisieren. Wenn sie es nicht schaffen - wie wir heute wissen, betrifft dies nur eine Minderheit unter den großen Banken Europas - dann sollen nationale Stabilisierungsfonds nach dem Muster des in Deutschland bestehenden „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung" einspringen. Wenn ein Staat dies nicht leisten kann und die Stabilität des Euro hierdurch gefährdet ist, kann als letzte Möglichkeit der temporäre "Rettungsschirm" EFSF bzw. später der ESM dem betroffenen Staat unter Auflagen Beistand leisten. Die Möglichkeit solcher - an Bedingungen geknüpfter - Hilfen an Staaten zur Rekapitalisierung von Banken haben wir im vergangenen Jahr nach ausführlicher Bundestagsberatung geschaffen, um EFSF und ESM in die Lage zu versetzen, Ansteckungseffekten in der Eurozone nach entsprechenden Beschlüssen (unter Beteiligung des Parlaments) schnell und effizient entgegentreten zu können.

Spanien hat nun derartige Hilfen zur Rekapitalisierung seiner Banken auf der Basis dieses bestehenden Instrumentariums von EFSF/ESM beantragt. Die in der Bundestags-sondersitzung am 19. Juli auch von mir befürworteten europäischen Finanzhilfen zur Rettung der spanischen Banken bedeuten aber keine direkten Zahlungen an spanische Banken. Bevor es solche Direktzahlungen geben kann, muss eine effektive europäische Bankenaufsicht eingerichtet werden, die über direkte Durchgriffsrechte in die Mitgliedsländer der Euro-Zone verfügt. Zu dem "Pflichtenpaket", dass Spanien im Gegenzug auferlegt wurde, gehören u.a. Stresstests für den Finanzsektor und die Abwicklung maroder Banken.

Wir brauchen also eine Mindestvereinheitlichung im europäischen Bankenrecht, eine durchgreifende europäische Bankenaufsicht und klare Regeln zur Restrukturierung notleidender Banken, die von der europäischen Bankenaufsicht auch durchgesetzt werden können. Die europäische Bankenaufsicht muss dafür mit weiteren Kompetenzen ausgestattet werden. Die EU-Kommission soll bis zum September ein konkretes Modell ausarbeiten, über das der Rat dann bis zum Ende 2012 entscheiden kann. Erst nach dieser Entscheidung, der eine Befassung des Bundestages vorausgehen wird, kann eine europäische Bankenaufsicht mit wirksamen Durchgriffsrechten auf notleidende Banken in Krisenländern etabliert werden. Und erst wenn diese funktioniert, stellt sich die Frage der Finanzierung einer von der europäischen Aufsicht veranlassten Restrukturierung notleidender Banken.

Der sachliche Zusammenhang zwischen Aufsicht und Restrukturierung zeigt, dass es hier mitnichten um einen unmittelbar bevorstehenden Einsatz des ESM zur Banken-rekapitalisierung geht und dass die öffentlichen Schilderungen z.B. einiger Ökonomen, die Staats und Regierungschefs hätten eine „kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems" beschlossen, grob irreführend sind.

In diesem Sinne setze ich angesichts unsachlicher Kritik weiterhin auf die besseren Sachargumenten - auch in dem Bewusstsein, dass aus der Opposition Ideen wie die unkonditionierte Einführung von Euro-Bonds oder dem sofortigen Einstieg in eine Gemeinschaftshaftung für europäische Schulden in Höhe von 2.600 Milliarden Euro unterstützt wurden und werden. Unser Weg des Vervollständigens der europäischen Währungsunion hin zu einer Stabilitätsunion und der beschränkten Finanzhilfen nur gegen konkrete Gegenleistungen mag weniger spektakulär aussehen, aber er wird nach meiner festen Überzeugung unserer Verantwortung für Deutschland und Europa besser gerecht.

Sebastian Körber verbleibt mit freundlichen Grüßen.