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Reinhard Bütikofer
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Frage von Thomas B. •

Frage an Reinhard Bütikofer von Thomas B. bezüglich Finanzen

Guten Tag Herr Bütikofer,

Als Bedingung für weitere EU Hilfen für Griechenland ist unter anderem die Privatisierung von vielen öffentlichen Einrichtungen.

Ich habe zwei Fragen an sie.

1. Was halten generell sie von dem Konzept öffentliche Einrichtungen zu privatisieren bzw. in PPP´s zu unterhalten.

2. Denken Sie, dass es langfristig Griechenland hilfreich ist diese Einrichtungen zu Verkaufen bzw. in PPP´s zu unterhalten.

Mit freundlichen Grüssen

Thomas Bartelmess

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Sehr geehrter Herr Barthelmess,

Sie haben mir zwei Fragen gestellt, die beide nicht leicht zu beantworten sind, und schon gar nicht mit einfachen Ja-Nein-Antworten.

Ein einheitliches "Konzept", öffentliche Einrichtungen zu privatisieren, kenne ich nicht. Ich kenne allerdings die - neoliberale - Ideologie "Privat vor Staat", für die jede Privatisierung grundsätzlich richtig ist; und die lehne ich ab. Genau so wenig allerdings bin ich dafür zu haben, nun eben im Gegenzug jegliche Privatisierung zu dämonisieren. Es kommt auf den konkreten Fall an und auf die Umstände. Kann man sich eventuell mit einer Privatisierung Spielräume verschaffen, die man dringend für andere Prioritäten braucht? Oder gibt man mit einer Privatisierung auf Dauer Handlungsoptionen aus der Hand? Nicht vorstellen kann ich mir, dass Privatisierung dort sinnvoll ist, wo ein natürliches Monopol besteht; denn in Privathand ist ein natürliches Monopol noch schwerer zu kontrollieren als ohnehin.

Nehmen wir Beispiele. Die französische EDF ist staatlich. Ist sie ökologisch fortschrittlicher als die deutschen Atomkonzerne E.on und RWE? In Spanien ist das Stromnetze eine PPP, mit 25% Staatsanteil, die von den privaten Anteilseignern in entscheidenden Fragen nicht überstimmt werden können. Warum nicht, wenn es funktioniert? Privatisierung von öffentlicher Wasserversorgung finde ich nicht richtig. Aber dann gibt es auch viele Einzelfälle, in denen nur konkrete Untersuchung hilft. Ich erinnere mich noch gut an Berichte des Landesrechnungshofes Baden-Württemberg aus den neunziger Jahren, in denen er detailliert vorrechnete, dass eine Privatisierung - ich glaube, es ging um Klinikwäschereien - für die öffentliche Hand am Ende teurer käme, und daß public private partnerships (PPP) keineswegs immer vorteilhaft seien. Umgekehrt finde ich aber kein grundsätzliches Argument dafür, dass die staatliche Rothaus-Brauerei in Südbaden unbedingt in Landeshand bleiben müsste.

Was den griechischen Fall betrifft, muss ich zunächst gestehen, dass ich nicht weiß, was alles dort auf der Privatisierungsliste steht. Allerdings weiß ich nicht, ob der griechische Staat ganz ohne Privatisierungen aus seinem Defizit heraus finden kann. Sicher: Ich fürchte, die Privatisierungsliste wird zu lang, weil die Liste der Beiträge, die diejenigen zu leisten haben, die von Korruption und sozialem Ungleichgewicht am meisten profitiert haben, zu kurz wird. Aber adressiere ich diese Frage ausreichend, wenn ich nur ins Auge gefasste Privatisierungen kritisiere?

Insgesamt attestiert die OECD dem derzeitigen Kurs der griechischen Regierung, dass er das Land mittel- und langfristig aus der Misere führen könne. (Wenn der Rest Europas solidarisch ist und die Menschen in Griechenland nicht von der Fahne gehen, sollte man wohl hinzufügen.) Ich würde lieber eine Orientierung der griechischen Politik am Konzept eines Green New Deal sehen. Darin sähe ich mehr Chancen für das Land. Aber kann ich versprechen, dass das ganz ohne Privatisierungen ginge? Nein.

Mit freundlichen Grüßen,

Reinhard Bütikofer

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