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Ralf Stegner
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Frage von Günther A. •

Warum stellt niemand aus der SPD bzw. ihrem Umfeld die auch so oft aus dem Bundestag verbreitete Behauptung in Zweifel, dass Russland spätestens 2029 Westeuropa angreifen will?

Zum einen sind Kriege immer politisch vermeidbar und außerdem gibt es namhafte Experten wie u.a. Jeffrey Sachs, John Mearsheimer, Glenn Diesen, Erich Vad und sogar einige US-amerikanische Analysten aus der NATO-Strategieberatung des Atlantic Council, wie Keir Lieber und Daryl Press, die einen Angriff Russlands auf einen Staat in Westeuropa für abwegig halten:

Jeffrey Sachs, https://www.youtube.com/watch?v=WCkl63N84s4

John Mearsheimer, https://www.newyorker.com/news/q-and-a/why-john-mearsheimer-blames-the-us-for-the-crisis-in-ukraine

Glenn Diesen, https://braveneweurope.com/glenn-diesen-the-us-approves-long-range-missile-strikes-on-russia?utm_source=chatgpt.com

Erich Vad, https://www.youtube.com/watch?v=aEqQrj-_RbM

Keir Lieber & Daryl Press, The Myth of the Nuclear Revolution: Power Politics in the Atomic Age (Ithaca: Cornell University Press, 2021)

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr A.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Die im Bundestag wiederholt geäußerte Einschätzung, Russland könne ab 2029 auch NATO-Staaten angreifen, geht auf Analysen von Bundeswehr, NATO und Nachrichtendiensten zurück. Dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Szenarien, die mögliche Entwicklungen aufzeigen sollen – nicht um feststehende Prognosen. Aufgabe verantwortlicher Politik ist es, solche Warnungen ernst zu nehmen und Vorsorge zu treffen, gerade nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine.

Richtig ist: Russland rüstet seit Beginn des Krieges massiv auf, hat Teile seiner Wirtschaft auf Kriegsproduktion umgestellt und investiert in moderne Waffen, Drohnen, Luftverteidigung und nukleare Kapazitäten. Präsident Putin selbst betont, die Erfahrungen aus dem Krieg für den weiteren Ausbau der Streitkräfte nutzen zu wollen. All das begründet, warum Sicherheitsbehörden mögliche Bedrohungen auch für die NATO in den Blick nehmen.

Gleichzeitig gilt: Kriege sind politisch vermeidbar. Viele internationale Expertinnen und Experten halten einen großflächigen Angriff auf Westeuropa aktuell für unwahrscheinlich – nicht zuletzt, weil Russland durch den Ukraine-Krieg personell und materiell stark belastet ist. Ein solcher Angriff wird von Fachleuten nicht völlig ausgeschlossen, erscheint nach aktueller Lage aber wenig realistisch, da Russland derzeit nicht über die notwendigen militärischen Kapazitäten verfügt.

Für mich heißt das: Vorsorge ja, Panikmache nein. Sicherheit entsteht nicht durch Alarmrhetorik oder immer größere Rüstungsprogramme, sondern durch eine Balance von Verteidigungsfähigkeit, Diplomatie und Rüstungskontrolle.

Nachhaltige Sicherheit in Europa wird nicht allein auf dem Schlachtfeld geschaffen, sondern vor allem am Verhandlungstisch. 

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Stegner

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