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Ralf Stegner
SPD
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Frage von Marcel O. •

Frage an Ralf Stegner von Marcel O. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Stegner,

die Klasse 11 b des Gymanasium Altenholz stellt sich folgende Fragen zu Ihrem Wahlprogramm und erbeten daher um Antwort.

1. Thema: Energie

Wie wollen Sie gewährleisten, dass die Strompreise trotz des Atomausstiegs und vermehrten regenerativen Energien niedrig bleiben?

2. Thema: Bildung, Schulsystem

Wird das neue Schulsystem (Regionalschule, Profiloberstufe) bestehen bleiben oder wollen Sie diese reinen Sparmaßnahmen am Schulsystem wieder rückgängig machen?

3. Thema: Mindestlohn

Denken Sie, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn überhaupt von kleinen Unternehmen tragbar ist und Sie damit nicht der deutschen bzw. der schleswig-holsteinischen Wirtschaft schaden?

Vielen Dank im Voraus
gez. die Klasse 11b

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Antwort von
SPD

Lieber Marcel Otto, liebe Klasse 11 b des Gymnasiums Altenholz,

Unsere Energiepolitik baut darauf auf, dass Strom sicher, bezahlbar und klimaschonend erzeugt und angeboten wird.
Eine dezentrale Energieversorgung stärkt die Demokratie und kommunale Verantwortung. Wir werden den Erhalt und Aufbau eigener Stadt- und Gemeindewerke fördern. Mit ihrer Hilfe können wir die kommunale Versorgung ausbauen und stärken damit Einsparung, Effizienz und erneuerbare Energien. So tragen wir zu einer wirklich kostengünstigen und nachhaltigen Energieversorgung bei.
Weiter muss eine konsequente Trennung von Netz und Stromerzeugung den Wettbewerb zwischen den Stromanbietern stärken und das faktische Kartell der vier großen Energieversorgungsunternehmen aufbrechen, das eine nachhaltige, für die Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlbare und klimaverträgliche Energieversorgung noch behindert. Wir setzen uns für eine öffentliche Beteiligung an den Netzen ein, damit diese Ziele erreicht werden.
In der Fragestellung schwingt für mich auch die These mit, dass Atomstrom günstig und Strom aus Erneuerbaren Energien teuer sei. Dazu ist anzumerken: Zur Frage der wahren Kosten des Atomstroms liegt eine neue Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace e.V Deutschland vor. Sie kommt zum Ergebnis, dass die wahren Kosten des Atomstroms bis 2,70 €/kWh betragen müssten. Aus der Studie ergibt sich, dass der Staat und damit die Bundesbürger die Atomenergie zusätzlich zu den Stromkosten seit 1950 mit mindestens 165 Milliarden Euro gefördert haben. Das entspricht einer Subventionierung des Atomstroms von 3,9 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom. Hinzu kommen zukünftige Kosten für die Gesellschaft von 92,5 Milliarden Euro, die heute bereits absehbar sind. Die Zuwendungen für die Atomkraft lägen laut Studie noch weitaus höher, wenn die Betreiber der AKW zudem für eine vollständige Haftpflichtversicherung im Fall eines nuklearen Unfalls aufkommen müssten. Würden bei Atomkraftwerken also die gleichen Haftungsregeln wie in anderen Wirtschaftsbereichen gelten, wäre Atomstrom um bis zu 2,70 Euro pro Kilowattstunde teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig.
Zu den Kosten von Strom aus erneuerbaren Energien gilt hingegen: Gestern wurden die Erneuerbaren als zu teuer belächelt, heute werden sie wettbewerbsfähig, und morgen sind sie konkurrenzlos billig. Durch steigende konventionelle Strompreise und sinkende Vergütung für Windstrom nähern sich die Preise immer weiter an. Schon heute sind tagsüber (8 bis 20 Uhr) an Werktagen alle Windenergieanlagen in Deutschland 1 bis 5 Cent billiger als durchschnittlich an der Strombörse gehandelt.

Thema: Bildung: Wir verstehen weder die große Reform der Schulstruktur noch die der gymnasialen Oberstufe als Sparmodell.
Für eine Vereinheitlichung der Schulstruktur zu einem echten „Zwei-Säulen-Modell“ bei den allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I mit Gymnasien und Gemeinschaftsschulen spricht sehr viel. Insbesondere größere Regionalschulen, die sich noch im ersten oder zweiten Jahr des Aufbaus einer Orientierungsstufe befinden (und noch nicht in die Phase der Differenzierung eingetreten sind), können noch ohne größere Probleme zu einer Gemeinschaftsschule weiterentwickelt werden. Wie so etwas funktioniert, zeigt die Holstentor-Gemeinschaftsschule in Lübeck, die erst als Regionalschule begann und dann nach dem Beschluss des Schulträgers eine Gemeinschaftsschule wurde. Es müsste dann allerdings ein Konzept für diejenigen Schulen entwickelt werden, die als Regionalschulen mit einer geringeren Schülerzahl begonnen haben.
Mit der SPD wird es keine Wiedereinführung von Haupt- und Realschule geben. Die Gesamtschulen, die bisher eigene gymnasiale Oberstufen haben und zu Gemeinschaftsschulen weiterentwickelt werden, müssen nicht mit einer Abschaffung der Oberstufen rechnen - im Gegenteil.
Wir wissen, dass das Bundesland Schleswig-Holstein neben Bayern die niedrigste Abiturquote in der Bundesrepublik hat. Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass selbst innerhalb des Landes die Chancen, eine allgemeine Hochschulreife zu erreichen, ungleich gegeben sind. Im Kreis Steinburg liegt die Abiturquote um 13 %, im Kreis Stormarn dagegen über 33%. Wir brauchen mehr Abiturienten und folglich mehr gymnasiale Oberstufen. Die SPD setzt daher stark auf die Gemeinschaftsschulen, die immer dann, wenn sie ähnliche Größenordnungen erreichen werden wie die bisherigen Gesamtschulen, auch neue gymnasiale Oberstufen aufbauen können.
Wir sehen Überarbeitungsbedarf in der Oberstufe. Wir werden dabei nicht von der Dauer der Schulzeit bis zum Abitur abgehen können; wir hatten den generellen Übergang auf das so genannte G8-System beschlossen, weil die große Mehrzahl der übrigen Bundesländer diesen Weg bereits gegangen war und wir es nicht hätten verantworten können, dass schleswig-holsteinische Schulabsolventen systematisch ein Jahr später in die Berufsausbildung oder an die Hochschulen kommen.
Wir sehen aber Verbesserungsbedarf im Bereich der Profiloberstufe, bei der wir gern wieder mehr Wahlmöglichkeiten im Sinne eines differenzierten Kurssystems einführen wollen. Das bis vor kurzem sozialdemokratisch geführte Kultusministerium hat auch bereits im Bereich der Prüfungen nachgesteuert. Auch wir haben ein großes Interesse daran, dass die Schülerinnen und Schüler nicht so überlastet werden, dass sie für Aktivitäten außerhalb der Schule und für soziale Kontakte keine Zeit mehr haben.
Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von zunächst 7,50 Euro ist ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Es kann nicht sein, dass wir Armutslöhne durch Steuergelder subventionieren. Auch ver.di und die Gewerkschaft Nahrung, Genussmittel, Gaststätten fordern einen gesetzlichen Mindestlohn. Sie vertreten meist die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von einem Mindestlohn profitieren würden, aber eben auch von den oft propagierten Arbeitsplatzverlusten betroffen wären, z. B: im Gaststättengewerbe.
Sozial angemessene Mindestlöhne und eine Stärkung des Tarifsystems sind angesichts abnehmender Tarifbindung und eines stark expandierenden Niedriglohnbereichs notwendig.
Ein universelles Mindestlohnmodell existiert mittlerweile in 20 von 27 EU Staaten. Das Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) hat in Kooperation mit ausländischen Wissenschaftlern bereits 2006 eine umfangreiche Studie zu Mindestlöhnen in Europa vorgelegt und beobachtet die Mindestlohnentwicklung und die Forschung zu Mindestlöhnen fortlaufend. In der überwiegenden Mehrzahl der Länder habe sich der allgemeine gesetzliche Mindestlohn „als effizientes Instrument zur Begrenzung von Armuts- und Niedriglöhnen bewährt, ohne dass negative Auswirkungen auf die Beschäftigung nachweisbar wären“, schreiben die Wissenschaftler. In Schleswig-Holstein war es auch das Baugewerbe, das sich dafür eingesetzt hat, öffentliche Aufträge an Tariftreue zu binden, damit seine Wettbewerbsposition nicht durch Dumpinglöhne beschädigt wird. Dies zeigt deutlich, dass der jetzt mögliche Preiskampf durch Lohndumping ein größeres Problem ist, als ein Mindestlohn, an den sich alle Betriebe halten müssen. Die Mindestlohngesetze zielen ja gerade darauf ab, dass die Tarifautonomie, die durch Tarifunterbietung und Armutslöhne ausgehöhlt wird, wieder funktionieren kann. Und der Wettbewerb kann dann wieder dort stattfinden, wo er hingehört und wo die Schleswig-Holsteinische Wirtschaft stark ist: bei Qualität, Effizienz und
Innovation.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ralf Stegner

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