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Rainer Spiering
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Frage von Peter M. •

Frage an Rainer Spiering von Peter M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Guten Tag Herr Spiering,

mich würde interessieren, wie Sie sich bei einer Abstimmung zur Fristverlängerung der betäubungslosen Kastration bei Ferkeln verhalten werden.

Vielen Dank und viele Grüße
P. M.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr M.,

gerne antworte ich auf Ihre Frage, in welcher Sie meine Meinung zur geplanten Fristverlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration erfragen.

Wir wurden von der Dreistigkeit der CSU überrascht, dieses Thema in den Koalitionsausschuss zu ziehen und mit den Themen Diesel und Einwanderungsgesetz zu verknüpfen. Vor allem auch, weil es der zuständige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) war, der über Jahre die Einführung von schmerzfreien und unter Betäubung vorgenommenen Methoden zur Ferkelkastration verschleppt hat.

Zur Vorgeschichte:

Im Jahr 2013 hat die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP im Tierschutzgesetz das Ende der betäubungslosen Ferkelkastration zum 31.12.2018 beschlossen. Diese lange Übergangsfrist sollte genutzt werden, den Landwirten alternative Methoden an die Hand zu geben. Im Dezember 2016 wurden die vorhandenen Alternativen (Ebermast, Impfung (Immunokastration) Isofluran-Narkose (Inhalationsnarkose) von der Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD als geeignet beurteilt, die bisherige Praxis abzulösen. Seit Ende 2016 wurden vom Landwirtschaftsministerium allerdings keine Anstrengungen mehr unternommen, um die Alternativmethoden absolut praxisreif zu machen. Bei der Isofluran-Narkose gibt es ungeklärte Fragen der Anwendersicherheit. Auch darf dieses Verfahren ausschließlich durch einen Tierarzt angewandt werden. Ebenfalls gibt es bei dieser Methode eine gesundheitliche Gefahr für schwangere Tierärztinnen, was vor dem Hintergrund des akuten Tierärztemangels im ländlichen Raum ein nicht zu unterschätzendes Problem darstellt.

Eber, die per Impfung kastriert wurden, werden von weiten Teilen der Schlachtbranche nicht abgenommen. Dies hätte dazu geführt, dass im Ausland kastrierte Tiere direkt an deutsche Mäster geliefert worden wären.

In der Zwischenzeit hat sich ein sogenannter vierter Weg in europäischen Nachbarländern wie Dänemark oder Niederlande etabliert. Landwirte dürfen nach Sachkundenachweis eine örtliche Betäubung vornehmen und die Ferkel kastrieren. Diesen Weg wollten die deutschen Landwirte - unterstützt von den Großschlachtereien, Teilen des Handels und dem Bauernverband - auch in Deutschland durchsetzen. Aber: Der vierte Weg ist mit dem deutschen Tier-schutz- und Arzneimittelgesetz nicht vereinbar, weil er nicht schmerzfrei durchgeführt werden kann. Es gibt keine wissenschaftliche Studie, die das Gegenteil beweist. Dem Ruf nach einer nachhaltigen Verschlechterung des Tierschutzgesetzes haben wir deutlich eine Absage erteilt. Zudem müssen wir uns überlegen, ob der eingeschlagene Weg der Dänen und Niederländer unseren ethischen Vorstellungen zum Tierschutz gerecht wird.

Dazu kam die Entscheidung des privaten QS-Systems (Qualitäts- und Sicherungs-System), in dem 95 % der Schweinehalter organsiert sind, Ferkel aus europäischen Nachbarstaaten zur Mast zu akzeptieren, obwohl sie nicht nach den Standards des deutschen Tierschutzgesetzes kastriert worden sind. Damit wurden die deutschen Ferkelerzeuger auch preislich unter Druck gesetzt. Im QS-System sitzen alle an der Wertschöpfungskette beteiligten Kreise wie der Bauernverband, die Schlachtunternehmen und der Einzelhandel. Johannes Röring, CDU-Bundestagsabgeordneter und Landwirtschaftsfunktionär, ist Vorsitzender des Fachbeirates Rind und Schwein und hat diese Entscheidungen sehenden Auges mitvorangetrieben.

All dies muss man wissen, um nachvollziehen zu können, warum ich am Ende einer Fristverlängerung zustimmen werde. Wie soll es dann weitergehen? Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass die neuerliche Verlängerung um zwei Jahre wieder tatenlos verstreichen in der Hoffnung doch noch den vierten Weg durchsetzen zu können. Deshalb werden wir der Bundesregierung einen Handlungskatalog mit auf den Weg geben, der dazu führen wird, dass die Landwirte Alternativen anwenden können:

1. Ministerin Klöckner muss zügig eine Verordnung erlassen, damit Landwirte nach Abschluss eines Sachkundenachweises eigenständig die Isofluran-Narkose (Inhalationsnarkose) durchführen können.

2. Im Bundeshaushalt müssen Mittel bereitgestellt werden, damit die Anschaffung von Narkosegeräten erleichtert wird. Eine Förderung wird beschränkt auf die Dauer der Übergangsfrist.

3. Die Isofluran-Narkose als Alternativverfahren muss mit Ablauf der Übergangsfrist allen Anforderungen des Tierschutzgesetzes, des Arzneimittelrechts und des Veterinärrechts entsprechen. Auch die Anwendersicherheit muss abschließend sichergestellt sein.

4. Sowohl die Ferkelaufzucht als auch die Sauenhaltung müssen in die staatliche Tierwohlkennzeichnung bereits in der Eingangsstufe einbezogen werden und über dem gesetzlichen Standard liegen. Die Übergangsfrist soll nicht für die kommende Tierwohlkenn-zeichnung gelten.

5. Wir brauchen eine Verbraucherinformations-Kampagne zur Aufklärung der Verbraucher über die Alternativen zur Ferkelkastration.

6. Alle Beteiligten der Wertschöpfungskette gehören an einen Runden Tisch, moderiert vom Ministerium, damit alle Akteure bis zum Ablauf der Übergangsfrist eingebunden bleiben.

7. Eine umfassende Nutztierhaltungsstrategie soll mit allen beteiligten Interessenvertretern erarbeitet und vereinbart werden. Diese Nutztierstrategie muss die verschiedenen „Baustellen“ des notwendigen Umbaus in der Schweinehaltung umfassen und zu rechtssicheren und für die Betriebe auch finanziell attraktiven Regelungen bis hin zum Förderrecht führen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Rainer Spiering