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Peter Aumer
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Frage von Anton S. •

Frage an Peter Aumer von Anton S. bezüglich Menschenrechte

Sehr geehrter Herr Aumer,

einer 2015 durchgeführte Studie des „Institute for Environment and Human Security of the United Nations University“ zufolge wird es weltweit bis 2050 etwa eine Milliarde flüchtende Menschen geben. Dies wird vor allem der Klimakatastrophe und deren weiteren Entwicklung zugeschrieben. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Viertel dieser Anzahl international fliehen werden, auch nach Deutschland. Da unter anderem Ihre Partei mit dem Kohleabbauverlängerungsgesetz – laut Klimatologen – verhindert, dass das zwei Grad Ziel erreichet werden kann, haben Sie bzw. Ihre Partei einen Plan dieses humanitäres Debakel zu verhindern oder wollen Sie Flüchtende weiterhin an der europäischen Grenze sterben lassen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Seidl,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

In Ihren Erläuterungen zu den weltweiten Fluchtursachen beziehen Sie sich auf das Kohleausstiegsgesetz. Gerne verdeutliche ich Ihnen hierzu meine Position.

Mit dem Kohleausstieg wird Deutschland neben dem Ausstieg aus der Kernenergie ein zweites energiepolitisches Großprojekt stemmen. Ziel ist es eine effiziente, nachhaltige, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung des Wirtschaftsstandorts Deutschland langfristig zu sichern. Dafür braucht es einerseits Planbarbarkeit und andererseits ein wirtschaftlich vernünftiges Vorgehen. Als eines der größten Industrieländer werden wir zeigen, dass der doppelte Ausstieg aus Kohle- und Kernenergie möglich ist. Damit können zentrale CO2-Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens eingehalten werden.

Der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, der Vertreter von Wirtschaft, Gewerkschaften sowie von Wissenschaft und Umweltverbänden angehörten, ist es gelungen, einen gesellschaftlichen Konsens zum Strukturwandel und Kohleausstieg herzustellen. Die gesetzliche Umsetzung erfolgt nun durch das „Strukturstärkungs- und das Kohleausstiegsgesetz“. Das letzte Kohlekraftwerk soll spätestens 2038 vom Netz gehen. Falls die Versorgungssicherheit in den Überprüfungsjahren 2026, 2029 und 2032 es zulässt, ist auch schon 2035 ein kompletter Ausstieg möglich. Des Weiteren gibt es genaue Zielvorgaben und marktwirtschaftliche Anreize, um mehr als die Hälfte aller Kohlekapazitäten bereits in den 2020er Jahren stillzulegen. Festes Ziel ist es in 2022 jeweils 15 Gigawatt Steinkohle und Braunkohle vom Netz zu nehmen. Dies führt zu einer deutlichen CO2-Einsparung, die schon so früh wie möglich einsetzt, da vor allem alte ineffiziente Kraftwerke, die besonders klimaschädlich sind, vom Netz gehen. Unterstützt wird dieser Prozess durch einen Mechanismus, der zur Löschung von frei werdenden CO2-Zertifikaten führt. Viele Kraftwerke werden nicht einfach nur stillgelegt, sondern die Modernisierung zu flexiblen, gasbetriebenen Gas-KWK-Anlagen gefördert. Das heißt, Stromerzeugung in Deutschland wird gesichert und Wärme bleibt bezahlbar. Darüber hinaus werden mit einem neuen Programm für erneuerbare Wärme und einem Umrüstprogramm für hocheffiziente Kraftwerke neue Anreize für den Wechsel von Kohle hin zu klimafreundlichen, erneuerbaren Technologien gesetzt. Diese Maßnahme richtet sich insbesondere an jüngere Kraftwerke, damit diese eine Perspektive für die zukünftige Energieversorgung bekommen, etwa zum Einsatz von Wasserstoff oder Biomasse. Auch werden die Rahmenbedingungen für die Kraft-Wärme-Kopplung mit einem sogenannten Kohleersatzbonus deutlich verbessert.

In der letzten Woche wurde mit dem „Kohleausstiegsgesetz“ auch das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen" beraten, das erstmals neue Strukturen aufbaut, bevor sich alte auflösen. Hier konnte in den Beratungen ein breiter Konsens erzielt werden, der den Stilllegungspfad, die Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber und den Rahmen für die Gestaltung des Strukturwandels in den betroffenen Kohleregionen zum Inhalt hat. Daher geht es bei dem Gesetz neben der Umsetzung von klimapolitischen Maßnahmen vor allem auch darum, für die betroffenen Regionen und Beschäftigten wirtschaftliche Perspektiven zu schaffen. Es geht um eine Strukturförderung der Kohleregionen bis 2038. Das Gesetz unterstützt die betroffenen Regionen in Ost und West dabei, den notwendigen Strukturwandel aktiv und erfolgreich zu gestalten. Dafür stehen insgesamt 40 Milliarden Euro bis 2038 für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen in die Zukunft zur Verfügung. Ziel der Bundesregierung mit dem „Strukturänderungsgesetz Kohleregionen“ ist es, wirtschaftliche, soziale und strukturelle Verwerfungen – vor allem in den Kohleregionen – zu vermeiden und die Versorgungssicherheit verlässlich zu gewährleisten. Diese Ziele kann ich nur unterstützen, da die zu schaffenden Perspektiven in den betroffenen Regionen eine klare Investition in die Zukunft unseres Landes sind. Hier fände ich es auch unehrlich den betroffenen Menschen und Regionen gegenüber, wenn wir diese im Stich lassen. Über Jahrzehnte haben sie zur Stromversorgung Deutschlands und aller Bundesbürger beigetragen, nunmehr braucht es auch eine bundesweite Solidarität – auch der nicht Kohleregionen – hier aktiv den gesellschaftlich gewollten und klimapolitisch notwendigen Strukturwandel zu begleiten. Die stattliche Förderung hier nur auf die Zahlung an die Kraftwerksbetreiber und auf die Härtefallregelung zu reduzieren, ist weder zielführend noch ehrlich. Konkret werden mit den "Strukturstärkungsgesetz" in Höhe von bis zu 14 Milliarden Euro Investitionen in wirtschaftsnahe Infrastruktur, in den Öffentlichen Personennahverkehr, die Breitband- und Mobilfunkinfrastruktur sowie den Umweltschutz und die Landschaftspflege getätigt. Die Mittel teilen sich auf in 43 Prozent für das Lausitzer Revier, 37 Prozent für das Rheinische Revier und 20 Prozent für das Mitteldeutsche Revier. Für die betroffenen Länder ergibt sich folgende Verteilung der Strukturmittel: 25,8 Prozent für Brandenburg, 37 Prozent für Nordrhein-Westfalen, 25,2 Prozent für Sachsen sowie 12 Prozent für Sachsen-Anhalt. Im zweiten Teil des Investitionsgesetzes verpflichtet sich der Bund, Maßnahmen zugunsten der Braunkohleregionen in Bundeszuständigkeit zu fördern. Das Finanzvolumen hierfür beträgt bis zum Jahr 2038 bis zu 26 Milliarden Euro. Zu den geförderten Maßnahmen gehören etwa der Ausbau der Infrastruktur für den Schienen- und Straßenverkehr und die Ansiedlung und Verstärkung zahlreicher Forschungseinrichtungen. Die Bundesregierung setzt sich zudem das Ziel, Einrichtungen des Bundes in den betroffenen Regionen anzusiedeln und so bis zu 5000 Arbeitsplätze zu schaffen.

Neben dem „Kohleausstiegsgesetz“ und dem „Strukturänderungsgesetz Kohleregionen“ muss der Kohleausstieg konsequent weitergedacht werden. Er fordert daher weitere Schritte, wie den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und die Modernisierung unserer Stromnetze. Entsprechende Gesetzesnovellierungen für den Ausbau von Windanlagen und die weitere Förderung von PV-Anlagen sind bereits verabschiedet. Zudem müssen energiepolitischen Entscheidungen darauf achten, dass die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz erhalten bleibt. Darum ist der soziale Ausgleich nicht nur eine gute Investition in den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch in den Klimaschutz. Die Corona-Krise verdeutlicht dies besonders stark. Daher setzt die Bundesregierung in der kommenden Woche auch eine Änderung der Erneuerbaren-Energie-Verordnung um, damit die Kosten der Energieversorgung nicht aus dem Ruder laufen. Dafür werden entsprechend der Vorgaben des Klimapakets – der die ressortübergreifende Einhaltung der Klimaziele verfolgt – die Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel auch zur Entlastung der Stromkosten bei der EEG-Umlage eingesetzt.

Der Kohleausstieg erfordert es, eine Vielzahl an Sichtweisen und Perspektiven – nicht nur von Befürwortern und Gegnern – in die Gesetzgebung einzubeziehen, da dahinter berechtigte Interessen der Betroffenen stehen. Daher bitte ich um Verständnis, dass es vor diesem Hintergrund keine 100 Prozentlösung für gegensätzliche Interessen zum Thema geben kann, sondern, dass der Staat hier richtigerweise mit Blick auf den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt einen Weg von Maß und Mitte beschreitet, den ich ausdrücklich unterstütze.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Aumer

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