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Paul Ziemiak
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Frage von Jörn-Derek G. •

Frage an Paul Ziemiak von Jörn-Derek G. bezüglich Recht

Abwägung der Corona-Maßnahmen

Guten Tag Herr Ziemiak,

mit den zu erwartenden ansteigenden Erkrankungszahlen (oder definierten Fälle) im Herbst werden nun von der Bundesregierung und von den Ministerpräsidenten wieder eine Vielzahl einschneidender Maßnahmen ausgerufen, die das soziale und wirtschaftliche Leben fast aller Bürger massiv betreffen werden.

Aussagen von Fachleuten lassen erwarten, dass das Beendigen der „Epidemischen Lage nationaler Tragweite“ wohl gut und gerne erst 2022 erfolgen wird; vor allem hier im Zusammenhang mit dem voraussichtlichen Abschluß der angestrebten Impfmaßnahmen.

Meine grundsätzliche Frage an Sie ist nun:
In wieweit habe Sie (oder ihre Fraktion) die Alternativlosigkeit dieser Maßnahmen und, falls klar erkennbar, der zugrundeliegenden Strategie, überprüft ?

Ich möchte mich bei der Beschreibung eines Alternativmodels an der Great Barrington Declaration orientieren: Risikogruppen-Schutz (bei deren Wunsch), die tatsächliche Belastungsgrenze des Gesundheitssystems als akzeptable Grenze für angemessene Verbotsmaßnahmen, normale Hygienemaßnahmen für alle. Risikogruppen waren schon seit Ende Januar definierbar und die frühe Heinsberg-Studie hält in wichtigen Punkten bis jetzt.

Also konkret:
Wie haben Sie sich ein Bild gemacht, ob die anfangs durchgeführten und nun, in anderer Reihenfolge, wiederholten Maßnahmen angemessen waren/sind; vor allem unter Beachtung der Vorgaben des Grundgesetzes und des Rechtsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit ?

Gern würde ich erfahren,
• welche Anfragen Sie (oder ihre Fraktion) hierzu an die Bundes/Landesregierung gestellt haben,
• welche Antworten es hierzu gab, und
• welche Studien Sie (oder ihre Fraktion) ggf. selbst beauftragt haben, falls die Bundes/Landesregierung nicht oder nicht ausreichend geantwortet hat
Das Parlament als Vertretung des Souveräns war schon seit Monaten in der Pflicht, hier zu hinterfragen und ggf. zu handeln.

Mit freundlichen Grüßen,
Jörn-Derek Gehringer

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Sehr geehrter Herr Gehringer,

ich bedanke mich für Ihre Nachricht, welche ich sehr aufmerksam gelesen habe. Ihre Fragestellungen zielen auf die Bewertung der Verhältnismäßigkeit ab.

Wir wissen im Vorfeld nur bedingt, ob einzelne Maßnahmen wirksam sind und es ist eine subjektive Bewertung, ob diese verhältnismäßig sind. Diese Pandemie ist ohne Beispiel und deshalb werden alle Maßnahmen sorgsam diskutiert und regelmäßig überprüft. Wir haben aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten die Verhältnismäßigkeit sinnvoll zu bewerten.
(1) Wir können unsere Erfahrungswerte aus dem Umgang mit der ersten Welle evaluieren. Grundsätzlich bin ich sehr erleichtert, dass uns Bilder wie aus Italien oder den USA erspart geblieben sind. Das geht sicherlich zu einem hohen Maß auf die getroffenen Maßnahmen zurück.
(2) Wir können den Vergleich zu anderen Staaten ziehen. Einerseits sind die deutschen Maßnahmen nicht außergewöhnlich. Die einzelnen Maßnahmen finden sich in zahlreichen anderen Staaten der Welt und sie werden von der überwiegenden Mehrheit der Regierungen als wirksam betrachtet. Andererseits sind die deutschen Maßnahmen vergleichsweise moderat. In den meisten europäischen Staaten wurde die Bevölkerung mit weitaus drastischeren Einschränkungen konfrontiert. Aus meiner Sicht haben wir einen sehr ausgewogenen Weg gewählt.
Um Ihre Frage nach der sogenannten „Alternativlosigkeit“ zu beantworten sind diese beiden Aspekt aus meiner Sicht maßgeblich. (1) Wir konnten den Kollaps des Gesundheitssystems verhindern (2) Wir haben dies im globalen Vergleich mit relativ niedrigschwelligen Maßnahmen erreichen können. Aus meiner Sicht ist unsere grundsätzliche Strategie deshalb verhältnismäßig.

Bei der Bewertung der aktuellen Maßnahmen bitte ich Sie zwei Rahmenbedingungen zu bedenken. (1) Unser Lagebild ist zeitversetzt. Bei dem Gipfel Mitte Oktober lag die Inzidenz fast deutschlandweit bei unter 35. Es galten die Schwellenwerte 35, 50 und 100. Zu diesem Zeitpunkt hatte man die Zahlen von Anfang Oktober als Grundlage. Aktuell liegt die Inzidenz deutschlandweit im Durchschnitt bei ca. 130. Das sind letztlich die Werte aus dem Oktober. Mitte Oktober wurde die Lage demnach sehr optimistisch eingeschätzt. Kurzum: Die Überlastung des Gesundheitssystems können Sie nur sehr eingeschränkt antizipieren. (2) Die Wirksamkeit der Maßnahmen lässt sich ebenso nur in der Rückschau bewerten. Rund drei Viertel der Infektionen können wir nicht zu ihrem Ursprung verfolgen. Es ist somit nicht bekannt, wo sich die überwiegende Mehrheit der Infizierten angesteckt hat. Wir können deshalb nur bedingt zielgenaue Einschränkungen vornehmen, weil die Datenlage kein genaueres Lagebild zulässt.

Ich hoffe, dass meine Ausführungen Ihnen die Gründe für die jüngsten Entscheidungen verdeutlicht haben.

Bleiben Sie gesund!

Herzliche Grüße

Paul Ziemiak

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