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Otto Fricke
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Frage von Michael K. •

Frage an Otto Fricke von Michael K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Fricke,
im Zusammenhang mit Ihrer Antwort auf die Frage von Herrn Weber würde ich gerne wissen:
1. Ist es ein Zeichen ineffizienter Regierungsarbeit, wenn Wirtschaftswachstum und Beschäftigung Rekordmarken erreichen? Oder zeigt dies nicht vielmehr, dass die Arbeitsaufteilung zwischen Berlin und Bonn funktioniert?
2. Worin besteht der gesamtwirtschaftliche Nutzen eines Totalumzuges? Per Saldo würde kein neuer Arbeitsplatz entstehen. Vielmehr dürfte der Verlust von über 10 000 Arbeitsplätzen für Bonn weitaus schwerer wiegen als der Zugewinn für Berlin zzgl. der eingesparten Dienstreisekosten. Der im Zuge des Parlamentsumzugs durch Behördenverlagerung und Privatisierung von Post und Telekom erzielte Ausgleich ist nicht wiederholbar. Es droht eher Arbeitsplatzabbau (Telekom), der zusammen mit dem anhaltenden Wegzug regierungsnaher Organisationen (z.B. AOK-Bundesverband in 2008) die negativen Folgen eines Totalumzuges noch verstärken würde. Interessant ist, dass die Politik anderswo um jeden Arbeitsplatz kämpft. Oder würden Sie aus Effizienzgründen etwa einer Verlagerung des Airbus-Werkes aus Hamburg zustimmen? Und zum Thema „Umzug wg. Klimawandel“:
3. Wie hoch sind eigentlich die ökologischen (und auch ökonomischen) Kosten der als Folge des Regierungsumzugs stark zunehmenden Berlin-Brüssel-Pendelei? Wäre es unter diesem Aspekt nicht sinnvoller, Brüssel relevante Stellen in Bonn zu konzentrieren?
4. Um den Gedanken auf die Spitze zu treiben: Müssten nicht wegen der kälteren Winter und des damit verbundenen höheren Ölverbrauchs bzw. CO2-Ausstoßes Arbeitsplätze eher an den Rhein als an die Spree verlagert werden?
Im Übrigen hinkt der Vergleich mit Ihrer persönlichen Situation, da Sie gerade das nicht zeigen, was Sie von den Bonner Regierungsbediensteten erwarten: Flexibilität. Sie ziehen nicht um, verkaufen nicht Ihr Haus und Ihre Frau muss sich keinen neuen Arbeitsplatz in Berlin suchen.
Mit freundlichen Grüßen
M. Koehler

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Koehler,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen vom gestrigen Abend, die ich Ihnen selbstredend gerne beantworten möchte, aber zu meinem Bedauern nur zum Teil beantworten kann. Wenn ich Ihre Fragen richtig verstehe, dann gehen Sie davon aus, dass ich für einen Komplettumzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin votierte. Ich sehe nicht, inwieweit sich das meiner Antwort auf die Frage von Herrn Weber entnehmen lässt.
Um es noch einmal zu verdeutlichen, hoffe ich sowohl auf dieser Website wie auch in allen öffentlichen Eröterungen - nur eines gesagt zu haben: Wir müssen alle Zahlen sammeln (die wir derzeit schlicht noch nicht haben), und dann soll nach Rechnung und Gegenrechnung entschieden werden, ob Handlungsbedarf besteht. An dieser Stelle bin ich durchaus leidenschaftsloser Haushälter: Die günstigere Lösung sollte grundsätzlich gewinnen. Dieser Grundsatz tritt auch nicht da völlig zurück, wo es insgesamt - infolge des gegenüber Bonn abgegebenen Versprechens - etwas komplexer liegt.

Diese Zahlen liegen mir momentan noch nicht vor. Sie sind noch durchzurechnen und zu erarbeiten. Die Argumente, die Sie für einen Verbleib vorbringen, sind insofern nicht ohne Gewicht; denn sie sind jedenfalls im Ergebnis auch finanziell erheblich, und deshalb werden sie in solche Betrachtungen einzufließen haben. Präjudiziert ist das Ergebnis in keiner Weise: Ich will die für den Steuerzahler günstigste und effizienteste Lösung erreichen. Das kann ein nahezu vollständiger Verbleib in Bonn ebenso sein wie ein vollständiger Umzug. Das Ergebnis kann aber auch ebenso ein weitgehendes Verbleiben sein, das eine teilweise Verlagerung einschließt.

Zum Thema Bonn-Berlin-Gesetz bin ich den vergangenen Wochen häufig angesprochen worden, und ich habe mich auch gelegentlich in verschiedenen Medien geäußert. Dabei ist sehr auffällig, dass gleich welche Äußerung zu diesem Thema von Befürwortern der bisherigen Lösung ebenso wie des Komplettumzugs stets in einer Weise ausgedeutet wird. Sobald man überhaupt die Kostenfrage stellt, wird das unter den Befürwortern Bonns als Plädoyer für den Komplettumzug gewertet. Und soweit man nicht unbedingt auf einer Verlagerung besteht, wird man von denjenigen, die für Berlin eintreten, gleich verdächtigt, dem status quo das unverdiente Wort zu reden.

Diese Emotionalisierung der Debatte ist der Sache abträglich. Ich bleibe bei meiner Position.
Und um offen zu sein: Ich finde es wenig weiterführend, wenn nun die Klimaproblematik als Argument für oder gegen den Umzug herangezogen wird. Die einen sagen: Die Pendelei belastet die Umwelt zu sehr, und deshalb gehört sie abgeschafft. Die anderen sagen: Der gewaltige logistische Aufwand, den ein Umzug zum heutigen Zeitpunkt fordert, ist so belastend, wie es noch jahrzehntelange Pendelei nicht sein könnte. Offen gestanden: Das sind hier wie dort offensichtlich mühevoll herangezogene Hilfsargumente. Richtig ist es, jede politische Entscheidung auf ihre Implikationen für das Erdklima zu überprüfen. Aber es ist politisch und auch ethisch falsch, das Generationenproblem der globalen Erwärmung billig zu instrumentieren (egal, in welche Richtung), um eine eigene Standortpräferenz scheinbar argumentativ zu unterfüttern.

Es ist legitim, dass Sie als interessierter Bürger die Frage nach den klimapolitischen Implikationen stellen. Nicht legitim ist es aber, wenn Politiker und mögen unter diesen auch geschätzte Kollegen sein das Thema Klimawandel so achtlos für wenig gehaltvolle Parolen benutzen. Denn das heißt letztlich auch, den Erhalt der Schöpfung nicht wirklich ernst zu nehmen.
Es kann durchaus ethisch geboten sein, auch einmal allein auf die Zahlen zu schauen. So liegt es hier, und so werde ich es auch in Zukunft halten.

Sie haben aber neben diesen sachlichen auch noch einige persönliche Sätze von mir erbeten, und ich will diese Ihnen nicht verweigern. Ich sage Ihnen ganz klar: Wenn mein Job es erfordern würde, dann würde ich gemeinsam mit meiner Familie selbstredend umziehen. Die Flexibilität, die ich einfordere, lasse ich auch gegen mich selbst gelten.

Ich bin aber in einem Job, in dem ich gerade nicht vollständig umziehen kann. Als Bundestagsabgeordneter vertrete ich in Berlin doch meinen Wahlkreis. Wie aber soll ein Abgeordneter aus einem Wahlkreis, gleich wo er in Deutschland liegt, die Interessen der Bürger vor Ort vertreten, wenn er selbst mit seiner Familie nach Berlin gezogen ist, dort dauerhaft lebt und nur gelegentlich zu Besuchen in seinen Wahlkreis kommt? Dass alle Bundestagsabgeordneten über die Sitzungswochen hinaus in Berlin leben sollen, wäre kein Ausdruck von Flexibilität, sondern ein schlechthin aberwitziges Szenario. Lebten wir alle hier in Berlin unter einer Käseglocke, würde die Qualität der Politik deutlich leiden, und gerade die Anliegen der Regionen, die nicht im Brennpunkt des öffentliches Interesses stehen, müssten deutlich leiden.

Nein: Ein Bundestagsabgeordneter muss in aller Regel seinen Wohnsitz haben in der Region haben, für die er gewählt ist. Nur so entspricht es dem Geist der Verfassung und unseres Wahlrechtes, das nicht zu Unrecht die Einteilung in Wahlkreise und die Unterscheidung von Erst- und Zweitstimmen kennt.

Für meine Familie, das will ich Ihnen offen sagen, ist die Pendelei - abwechselnd Wochen in Berlin und solche vor Ort, die mich dann doch zu gelegentlichen Terminen wieder nach Berlin führen - eine weit größere Belastung als es ein gemeinsamer Umzug wäre. Um die Aufgaben als Abgeordneter verständig wahrzunehmen, ist es aber die einzig denkbare Option.

Es grüßt Sie freundlich

Otto Fricke, MdB

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