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Otto Fricke
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Frage von Andreas H. •

Frage an Otto Fricke von Andreas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Fricke,

wie kann es denn sein, dass jetzt erneut eine Sperrklausel für die Europawahl eingeführt werden soll, nachdem das Bundesverfassungsgericht eine Sperrklausel erst im Jahre 2011 verworfen hat?

Für eine Bundestagswahl kann ich eine Sperrklausel ja verstehen, weil die Parlamentsarbeit wirklich sehr schwierig wäre, aber im Europaparlament sitzen bereits 162 Parteien, wie kann die Arbeit dort duch sieben zusätzliche Parteien so erschwert werden? Das habe ich bis heute nicht verstanden. Für mich klingt das eher nach dem vom Hals halten von Konkurrenz durch die großen Parteien.

Meines Wissens nach existiert eine solche Sperrklausel für die Europawahl in kaum einem anderen Land und trotzdem scheint es Abstimmungen zu geben und Ergebnisse können trotzdem erzielt werden.

Vielen Dank für Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Hartmann

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Hartmann,

ich danke Ihnen herzlich für Ihre Anfrage über Abgeordnetenwatch und Ihren Fragen zur aktuellen Rentendiskussion.

Die Frage nach Gerechtigkeit im Rentensystem ist generell auch immer eine Frage nach der Generationengerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Dies liegt in erster Linie daran, dass das gegenwärtige staatliche Rentensystem auf dem Umlageverfahren basiert. Das bedeutet: Die jetzt Erwerbstätigen zahlen ihren Beiträgen die heutigen Renten. Funktionieren kann dieses System jedoch nur, solange die Zahl der Beitragszahler wesentlich höher ist als die der Leistungsempfänger. Aufgrund der niedrigen Geburtenrate und der steigenden Lebenserwartung schrumpft die Gruppe der Beitragszahler aber immer weiter, während die Zahl der Leistungsempfänger einer staatlichen Rente stark zunimmt. Dass es hier unterschiedliche Meinungen zur "gerechten" Verteilung gibt, ist natürlich.

Nun aber zu Ihren konkreten Fragen.

Zu 1) Wie Sie richtig ausführen hätten die Renten im Jahr 2010 wegen der Krise eigentlich gekürzt werden müssen. Die massiven Exporteinbrüche drückten damals stark auf die Löhne. Das hat die Rentengarantie verhindert. Was damals nicht gekürzt wurde, wird jetzt über die Jahre auf positive Rentenanpassungen angerechnet. Die Rentenanpassung wird im Westen noch so lange halbiert, bis die unterbliebenen Rentendämpfungen vollständig nachgeholt sind. Dank der günstigeren Lohnentwicklung ist dieser Vorgang im Osten bereits abgeschlossen. Vor dem Hintergrund der Generationengerechtigkeit gilt die Rentenanpassung 2013 für allen Renten, nicht nur für Neurentner.

Zu 2) Ohne an dieser Stelle noch einmal die umfangreiche Diskussion über die sog. "Mini-Jobs" wiedergeben zu wollen, belegen die aktuellen Zahlen, dass die Konstruktion der geringfügigen Beschäftigung ein Erfolgsmodell ist. Auch wenn hier ein geringerer Lohn entrichtet wird, sind die "Mini-Jobs" versicherungspflichtig. Für die Rentenanpassung ist die Entwicklung aller versicherungspflichtigen Entgelte maßgeblich. Eine große Anzahl von "Mini-Jobs" kann deshalb das Durchschnittsentgelt absenken. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist jedoch, wie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit deutlich zeigt, nachhaltig rückläufig. http://statistik.arbeitsagentur.de/nn_31962/SiteGlobals/Forms/Rubrikensuche/Rubrikensuche_Form.html?view=processForm&resourceId=210368&input_=&pageLocale=de&topicId=386906&year_month=201209&year_month.GROUP=1&search=Suchen Eine bestimmte Anzahl an geringfügiger Beschäftigung wird es jedoch immer geben, denn sie bietet vielen Menschen, z.B. nach langer Arbeitslosigkeit, die Möglichkeit sehr unbürokratisch in den sog. ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren.

zu 3) Die Altersversorgung des öffentlichen Dienstes bzw. der Beamten ist in Deutschland anders geregelt. Hier orientiert sich der Zuwachs der Altersvorsorge an dem Tarifabschluss für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen. Es gibt also ebenfalls eine Art Quote. Die endgültige Entscheidung über die Höhe des Zuwachses ist jedoch eine politische, denn die Bundesregierung entscheidet über die Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes und die Länder über ihre Beamten und Versorgungsempfänger. Ohne diese Tatsache werten zu wollen, bietet dieses Vorgehen natürlich immer auch einen Spielraum für die politischen Entscheider, der in der Vergangenheit unterschiedlich genutzt wurde. In der FDP gibt es derzeit keine Diskussionen dieses Vorgehen anzuzweifeln. Die Öffentliche Hand ist auf qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen und ein Argument für den öffentlichen Dienst war und ist die gute Altersversorgung.

Zu 4) Die Frage zu Anpassung der Diäten an die Lohnentwicklung und damit auch an die Erhöhung der Renten ist nicht neu. Nach einem umfangreichen Abwägungsprozess haben sich alle Fraktionen im Ältestenrat des Deutschen Bundestages für diese Lösung ausgesprochen. Ich gehe davon aus, dass es in der kommenden Legislaturperiode zu einer Änderung der Abgeordnetenentschädigung kommen wird. http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/diaeten-bundestag-will-koppelung-an-lohnentwicklung/8132176.html

Zu Ihrer letzten Frage möchte ich auf zwei Aspekte eingehen. Der erste Aspekt betrifft die Artikulation und Durchsetzung von Interessen in unserer Demokratie. Unser Grundgesetz verbrieft unter Artikel 9 jedem das Recht sich Vereinen, Gesellschaften oder Gruppen zusammenzuschließen und für die eigenen Interessen zu werben und zu kämpfen http://www.bpb.de/politik/grundfragen/24-deutschland/40487/interessenvertretung. Das Spektrum reicht hier vom Fachverband der deutschen Floristen http://www.fdf.de/cms/website.php , die sich für die Beibehaltung des geringen Mehrwertsteuersatzes einsetzen, über den Deutschen Gewerkschaftsbund http://www.dgb.de/ , der für Arbeitsnehmerrechte kämpft, bis hin zur Freien Demokratischen Wohlfahrt http://www.fdw-berlin.de/ , die sich um Menschen kümmert, die auf die Hilfe der Gesellschaft angewiesen sind. Die Rentner in Deutschland haben ebenfalls eine starke Lobby, die vom Sozialverband VdK http://www.vdk.de/deutschland/ organisiert wird. Dass diese funktioniert, sehen Sie daran, dass es z.B. die Rentengarantie gibt. Auf ähnliche Garantien müssen junge Arbeitnehmer verzichten. Dies führt mich unweigerlich zu meinem zweiten Aspekt: Die Generationengerechtigkeit. Und ich kann Ihnen sagen, dass mich ebenso viele Anfragen von jungen Menschen erreichen, die diese einfordern. Generationengerechtigkeit bedeutet die Gerechtigkeit der Verteilung von Lebenschancen, materiellen Ressourcen und Lebensqualität unter den Generationen. Zugleich gilt: die Freiheit jeder Generation ist durch die Verantwortung für künftige Generationen begrenzt. Diese Prinzip liegt also der Ausgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung zu Grunde. Die Interessen der jüngeren und der älteren Generationen müssen gleichermaßen berücksichtigt werden. Einerseits dürfen junge Menschen in ihrem Erwerbsleben nicht von zu hohen Beiträgen unzumutbar belastet werden, andererseits müssen ältere Menschen eine angemessene Rente erhalten. Dieses zentrale Ziel, und ich denke, ich spreche auch für alle meine Kollegen, haben und dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Um dies zu gewährleisten wurden die Elemente Beitragssatzziel, Rentengarantie, Rente mit 67 sowie die private Zusatzvorsorge eingeführt.
In der Rentenpolitik kommt es besonders auf langfristige Verlässlichkeit und Stabilität an. Umso erfreulicher ist es, dass die Wirtschaft derzeit weiter an Fahrt gewinnt. Wirtschaftliche Stabilität ist die beste Voraussetzung für Beschäftigung, steigende Gehälter und damit positive Rentenanpassungen. Seien Sie gewiss, dass die FDP-Bundestagsfraktion an ihrem Kurs für Wachstum festhält. Wachstum ist die unabdingbare Grundlage für ein faires Sozialsystem.

Mit freundlichen Grüßen
Otto Fricke

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