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Otto Fricke
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Frage von Martin S. •

Frage an Otto Fricke von Martin S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Fricke

Was möchten Sie gegen die Lobbyisten der Gesundheitsbranche tun, die, wie sie es auch immer schaffen, den gesunden Menschenverstand für dieses Themat vernebeln.
Wann ist Ihrer Meinung nach der richtige Zeitpunkt für einen öffentlichen Diskurs darüber, was wir uns in Zukunft leisten können oder wollen? Wann werden versicherungsfremde Leistungen herausgenommen und über Steuern (Allgemeinheit) finanziert?
Wann werden Arzneimittel den gleichen Preis haben wie im übrigen Europa?
Wann wird es eine Positivliste für Medikamente geben?
Wann wird es echten Wettbewerb unter den Krankenkassen geben?
Warum wirf nicht die Beitragsbemessungsgrenze erhöht?
Wann beginnen Politiker der Berliner Republik angesichts dramatisch sinkender Wahlbeteiligungen sich um die Belange von Bürgern (Wählern/Steuerzahlern) zu machen?

mfg
Martin Stratmann

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Stratmann,

zu Ihrer ersten Frage: Was möchten Sie gegen die Lobbyisten der Gesundheitsbranche tun, die, wie sie es auch immer schaffen, den gesunden Menschenverstand für dieses Thema vernebeln?

Ich halte es für legitim, seine Interessen zu vertreten und gegenüber politischen Entscheidungsträgern entsprechend vorzutragen - solange sich dies in einem angemessenen Rahmen abspielt. Entscheidend ist jedoch, wie der politische Entscheidungsträger mit diesen "Vorträgen" umgeht. Ich vertrete die Meinung, dass Lobbyismus per se nichts schlechtes, sondern im Gegenteil sogar etwas Gutes ist, vorausgesetzt man hört sich dem Grundsatz folgend "audiatur in altera pars" alle Seiten an, um sich dann ein möglichst umfassendes Bild machen zu können. Nur so steht man zum Zeitpunkte der Entscheidung nicht im Nebel.
Übrigens: auch Patientenverbände sind Lobbyisten - entscheidend ist, dass das Verfahren transparent ist.

Frage 2: Wann ist Ihrer Meinung nach der richtige Zeitpunkt für einen öffentlichen Diskurs darüber, was wir uns in Zukunft leisten können oder wollen? Wann werden versicherungsfremde Leistungen herausgenommen und über Steuern (Allgemeinheit) finanziert?

Diese Debatte zu führen scheut sich unsere Gesellschaft leider. Ich gebe Ihnen Recht, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus Steuermitteln finanziert werden sollten. Aber alleine bei der Frage der kostenlosen Mitversicherung von Kindern und Ehepartnern gibt es keinerlei Bewegung.
Eine Steuerfinanzierung geschieht bereits heute über den Bundeszuschuss an die GKV. Dieser wird übrigens im kommenden Jahr 15,3 Mrd. Euro und damit rund 5 % der Gesamtausgaben des Bundes betragen, so dass insoweit Ihr Begehr bereits erfüllt ist, zumal auch Privatversicherte sich an dieser Finanzierung beteiligen, ohne dass sie selber davon profitieren.

Frage 3: Wann werden Arzneimittel den gleichen Preis haben wie im übrigen Europa?

Wir wollen keine europaweit einheitlichen Preise für Arzneimittel. Das würde den besonderen Gegebenheiten der einzelnen Länder und ihrer Gesundheitssysteme nicht gerecht. Künftig müssen die Hersteller innovativer Arzneimittel, die einen Zusatznutzen aufweisen, jedoch mit dem GKV-Spitzenverband über den Erstattungsbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung verhandeln. Schließlich sorgen unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, Lohnstrukturen, Infrastrukturkosten, ja sogar Immobilienkosten für unterschiedliche Preise.

Frage 4: Wann wird es eine Positivliste für Medikamente geben?

Eine Positivliste lehnt die FDP-Bundestagfraktion ab. Sie ist für uns innovationsfeindlich. Die Patienten kommen, wenn überhaupt, sehr spät in den Genuss neuer Arzneimittel. Mit dem im Entwurf der Koalitionsfraktionen zum Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) vorgesehene Verfahren, Verhandlungen bei positivem Zusatznutzen, ansonsten Zuordnung zu den Festbeträgen, erhalten wir den schnellen Zugang zu innovativen Arzneimitteln, verlieren aber auch deren künftige Bezahlbarkeit nicht aus den Augen.

Frage 5: Wann wird es echten Wettbewerb unter den Krankenkassen geben?

Mit dem sog. AMNOG-Entwurf (http://www.bmg.bund.de/cln_151/SharedDocs/Downloads/DE/Standardartikel/G/Glossar-Gesetze/amnog,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/amnog.pdf) sollen weitere Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für die Krankenversicherung entsprechend gelten. Dazu gehört auch, dass das Kartellrecht als Ordnungsrahmen auf die Einzelvertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern Anwendung findet.
Mit den einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen können Versicherte und Patienten Preis und Leistung der Krankenkassen besser vergleichen. Auch das stärkt den Wettbewerb um eine gute und kostengünstigere Versorgung.

Frage 6: Warum wird nicht die Beitragsbemessungsgrenze erhöht?

Künftige Ausgabensteigerungen sollen über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge finanziert werden. Dies schafft mehr Wettbewerb. Im Übrigen würde eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze nicht dazu führen, dass Kosten gesenkt werden, sondern nur die Einnahmen kurzfristig erhöhen.

Frage 7: Wann beginnen Politiker der Berliner Republik angesichts dramatisch sinkender Wahlbeteiligungen sich um die Belange von Bürgern (Wählern/Steuerzahlern) zu machen?"

Ich mache mir Gedanken über das Thema Politikverdrossenheit und motiviere jeden, selbst wenn er erkennbar eine andere Partei wählen würde, zur Wahl zu gehen.
Politik jedoch hat aus meiner Sicht nicht die Aufgabe, den Bürgern mit vermeintlich guten Absichten kurzfristig gute Laune, sondern mit guten, wenn auch nicht immer angenehmen Ergebnissen langfristig gute Lebensumstände zu schaffen. Hierzu gehört es jedoch, die Wirklichkeit zu betrachten und daraus Schlussfolgerungen abzuleiten und dem Menschen unumwunden darzustellen.

Das Hauptproblem der heutigen Politikverdrossenheit ist, dass moderne Gesellschaften von ihrer Politik und damit auch von ihren Politikern die Lösung immer komplexerer Probleme verlangen (und das zu Recht). Andererseits erwarten sie von der Politik, dass diese die komplexen Probleme und ihre Lösung möglichst einfach erklärt.
Dieser Widerspruch ist kaum auflösbar und kann nur dadurch gedämpft werden, dass sich Bürger in der Politik (erst Recht in den Parteien) engagieren. Daher meine Bitte: machen Sie Politik!

In der Hoffnung, bei Ihnen mit meinen Antworten mehr Interesse an unserer Politik geweckt zu haben, verbleibe ich mit

freundlichen Grüßen

Otto Fricke, MdB

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