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Olivier Fuchs
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Frage von Ludwig T. •

Frage an Olivier Fuchs von Ludwig T. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Olivier,
der Bayrische Rundfunk berichtet dieser Tage über die Überlastung des Personals in deutschen Kliniken. https://www.br.de/nachrichten/bayern/ueberlastet-in-die-vierte-welle-klinikpersonal-schlaegt-alarm,SeNAPXF. Die beschriebenen Zustände sind kein Einzelfall und gefährden die Gesundheitsversorgung in Deutschland.
2019 haben DKG, Ver.di und DPR mit der PPR 2.0 ein Instrument zur Bedarfsbemessung von Pflegepersonal vorgelegt. Wie stehen Sie zur sofortigen Umsetzung der PPR 2.0 oder welche alternativen Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Versorgung schlagen Sie vor, nachdem weder die Herausnahme der Pflege aus den Fallpauschalen noch die Einführung von Personaluntergrenzen den nötigen Effekt erzielt haben?
Freundliche Grüße
Ludwig Thiry

Ex Volt
Antwort von
Volt

Sehr geehrter Herr Thiry,

für mich stellt sich die Frage nach einerseits dem Ziel und andererseits der Erreichung. Das Ziel: ausreichend Pflegepersonal (von verbesserten Arbeitsbedingungen ganz abgesehen), um Qualitätssteigerung zu erreichen und Überlastung der Ausführenden zu vermeiden.

Ob PPR da generell der richtige Weg ist, vermag ich nur eingeschränkt zu beurteilen. Ich habe dazu u.A. Folgendes gefunden
Patienten werden täglich in je vier Grund- und Spezialpflege-Leistungsstufen eingeteilt. Jeder Stufe ist ein Minutenwert zugeordnet. Hinzu kommen Grund- und Fallwerte als Basis. In der Summe ergibt sich so ein Zeitwert pro Patient, der den Pflegepersonalbedarf abbildet. Der zusammengefasste Wert aller Patienten ergibt den Pflegepersonalbedarf des Hauses. Die PPR 2.0 berücksichtigt zudem aktuelle Entwicklungen in der Pflege. Außerdem wurde das Zeitintervall verändert: Als Nachtschicht gilt jetzt erst die Zeit zwischen 22 und 6 statt wie bisher ab 20 Uhr. Insgesamt ergibt sich in erster Einschätzung eine durchschnittliche Steigerung des Pflegezeitbedarfs pro Patient um 8,1 Prozent gegenüber der alten PPR.

Das erscheint mir sehr mechanistisch, und solche Modelle – ähnlich REFA-Ansätzen – gehen davon aus, dass jede(r) Mitarbeiter(in) exakt gleich gut ausgebildet, talentiert, motiviert und wach ist, und jede(r) Pflegebedürtige gleich krank oder bedürftig – und das stimmt nun einmal nicht. Wir reden von Menschen, unterschiedlicher Ausstattung in den Einrichtungen,… Insofern kommt das System für mich eigentlich eher pseudo- oder über-exakt rüber, meine Erfahrung als Berater sagt mir, dass flexiblere Vorgehensweisen meist mehr bringen. Zudem beinhalten solche Messsysteme generell die Gefahr, Dienstleistung zu entmenschlichen: wie lange darf ein Lächeln oder ein freundliches Wort dauern? Ist es Teil der Behandlung oder ineffizientes Beiwerk?

Einfachere Messgrößen wären einfach die Anzahl von Überstunden (diese wären durch geeignete Maßnahmen z.B. so zu reduzieren, dass sich automatisch die richtige Personaldecke ergibt) oder Vergleichswerte aus Einrichtungen mit beweisbar guter Qualität und nicht überlastetem Personal. Natürlich stellt sich dann die Frage, wie ich Qualität messen kann (Gesundheitszustand, allgemeines Wohlbefinden nach eigener Aussage,…) – das ist nicht einfach. Aber gerade bei Dienstleistungen an Menschen, besonders hilfsbedürftigen Menschen finde ich so ein Vorgehen trotzdem besser: helfende Hände sollte man nicht in Sekunden messen.

Insofern: ja, man muss etwas tun. Offensichtlich wird auch mehr Personal benötigt (und ich habe auch gehört, dass es nicht genügend Bewerber gibt, insbesondere aufgrund der Arbeitsbelastung und des Gehalts). Ich denke aber, es gibt auch andere Möglichkeiten als eine neue PPR, diese Ziele zu erreichen.

Vielen Dank für die Frage und beste Grüße,
Olivier Fuchs