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Frage von Katharina L. •

Frage an Niels Annen von Katharina L. bezüglich Humanitäre Hilfe

Herr Annen, warum haben Sie gegen die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Geflüchteter aus den griechischen Lagern gestimmt?

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Sehr geehrte Frau L.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria sind das neue Camp Kara Tepe auf Lesbos sowie vergleichbare Einrichtungen auf den anderen griechischen Inseln weiterhin überlastet und oftmals in einem katastrophalen humanitären Zustand. Die SPD setzt sich daher in der Koalition für eine umfassende Lösung ein. Diese Einrichtungen müssen dringend evakuiert oder zumindest auf eine vertretbare Belegungszahl reduziert werden. Und Deutschland sollte weitere Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen, mindestens in Höhe der Zusagen aus den Bundesländern und Kommunen.

Nach dem Brand im September waren zwei Punkte wesentlich: Zum einen die sofortige Notfallhilfe für Sicherheit und Versorgung für obdachlos gewordenen Flüchtlinge und zum anderen im Anschluss auch die Aufnahme der Menschen durch EU-Mitgliedstaaten. In dieser unmittelbaren Notsituation war schnelles Handeln gefordert. Hier hat Deutschland im September große Anstrengungen und Arbeit geleistet. Es ist gut, dass sich die Union damals auf unseren Druck hin endlich bewegt hat.

Deutschland hat im September die Aufnahme von insgesamt 1553 anerkannt Schuztzberechtigten aus über 400 Familien zugesagt, hauptsächlich Kinder und ihre Familien sowie 150 unbegleitete Minderjährige. Insgesamt hat Deutschland damit 2750 Personen aus Griechenland seit Anfang des Jahres Schutz geboten.

Bislang sind 1.192 Geflüchtete im Rahmen der zugesagten Kontingente aus Griechenland nach Deutschland gekommen. Aktuell kommt etwa wöchentlich ein Flug mit ungefähr 100 Flüchtlingen aus Griechenland in Deutschland an.

Die deutsche Bundesregierung hat unmittelbar nach den ersten Bränden Anfang September Hilfe angeboten und Vorbereitungen für schnelle Hilfslieferungen getroffen. Nachdem Griechenland diese akzeptiert hat, hat das THW in drei Stufen mehrere Lastwagen mit Hilfsgütern (Decken, Schlafsäcke, Zelte etc.) losgeschickt. Das Auswärtige Amt hat dafür bis zu 3 Mio. € Soforthilfe zur Verfügung gestellt. Deutschland war mit UNHCR das erste Land, das der griechischen Regierung Hilfe angeboten hat und ist unter den EU-Mitgliedstaaten der größte Geber. Weitere EU-Mitgliedsländer leisten über das EU-Katastrophenschutzverfahren Sachleistungen vor Ort.

Klar muss sein: Europa muss in der Lage sein, jetzt und in Zukunft denjenigen, die dringend Schutz benötigen, diesen auch zu gewähren. Eine Europäische Lösung ist dafür der einzig realistische Weg zu einer solidarischen und verantwortlichen Asyl- und Migrationspolitik. Die Notwendigkeit der Europäischen Lösung ist nicht, wie es gelegentlich vermutet wird, ein Weg, die Aufnahme von Schutzsuchenden zu umgehen. Deutschland hat in den vergangenen Monaten doppelt so viele Menschen von den Inseln aufgenommen wie alle anderen EU-Mitgliedstaaten zusammen. Auch im September haben wir auf die Lage schneller reagiert als andere. Außerdem arbeiten wir kontinuierlich weiter, das europäische Kontingent gemeinsam mit anderen Ländern aufzustocken und dann auch den deutschen Anteil weiter zu erhöhen.

Dies als Hintergrund. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Dass wir SPD-Bundestagsabgeordneten den Anträgen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zugestimmt haben, obwohl wir für die Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland sind, hat einen einfachen Grund. Im Koalitionsvertrag haben sich die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verständigt. Das ist Grundlage jeder Koalition. Diese Tatsache wird von den Fraktionen der Opposition gerne dazu benutzt, um Fraktionen in einer Regierungskoalition vorzuführen.

Bei Abstimmungen im Bundestag sollte es meiner Meinung nach nicht um reine Symbolpolitik gehen, sondern vielmehr darum, die Aufnahme von Geflüchteten auch tatsächlich durchzusetzen. Es ist ein Irrglaube, dass die SPD-Bundestagsfraktion einfach nur den vorliegenden Anträgen hätte zustimmen müssen und schon wären die Betroffenen nach Deutschland gekommen. Das Gegenteil wäre der Fall gewesen: Damit wäre keinem einzigen geflüchteten Menschen in Griechenland geholfen worden und Deutschland hätte stattdessen zusätzlich eine handfeste Regierungskrise bekommen.

Derzeit gibt es leider keine linke Mehrheit im Deutschen Bundestag. Ich würde mich freuen und setze mich dafür ein, dass sich dies mit der Bundestagswahl im Herbst 2021 ändert.

Davon unberührt gilt letzten Endes: Es geht nicht um Zahlen, es geht um Menschen. Wir lassen nicht nach, bis wir menschenwürdige Bedingungen erreicht haben, die mit europäischem Recht und unseren Werten vereinbar sind.

Mit freundlichen Grüßen

Niels Annen

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