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Misbah Khan
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Frage von Sabine B. •

Frage an Misbah Khan von Sabine B. bezüglich Verkehr

"Diesel-Gate" ist gerade heute in Berlin Gesprächsthema. Allerdings befürchte ich, dass die Bundesregierung vor der Automobil-Lobby in die Knie geht und wieder nur halbherzige Entscheidungen trifft, um die Belastung unserer Luft zu verringern.

Wie stehen Sie der Tatsache gegenüber, dass die großen Automobil-Hersteller mit der "Arbeitsplatz-Keule" versuchen werden, die Belastungen so gering wie möglich zu halten?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau B.,

vielen Dank für die Frage erst einmal.

Das Diesel-Thema beschäftigt mich natürlich auch sehr, obwohl ich keine Verkehrspolitikerin bin. Als Direktkandidatin für einen recht ländlichen Raum ist das Thema Mobilität wichtig für mich.

Vorweg: Ich denke, dass Autos mit Verbrennungsmotoren wie wir sie bisher kannten keine langfristige Zukunft mehr haben werden. Bei Neuwagen werden diese in einigen Jahren kaum noch eine Rolle spielen – so ist das eben mit Innovationen. Wer heute noch an der Verbrennung fossiler Ressourcen wie Diesel aus Erdöl festhält, der hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch noch auf Pferdefuhrwerke gesetzt. Wie wir gesehen haben, gehörte das 20. Jahrhundert den (privat-besessenen) Automobilen mit Verbrennungsmotoren mit fossilen Kraftstoffen – das 21. Jahrhundert wird der Elektromobilität und neuen Organisationsformen in der Mobilität gehören. Das heißt nicht, dass irgendwer den Deutschen ihr geliebtes Auto "wegnimmt".

Die Bundesregierung setzt mit ihrer Politik des Wegschauens und der Küngelei die Zukunft des Automobilstandorts Deutschlands fahrlässig aufs Spiel: Den Abgasskandal versucht sie seit zwei Jahren auszusitzen. Während ein Land nach dem anderen – wie zuletzt Großbritannien – den Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor gesetzlich einleitet, ignoriert die Große Koalition die Debatte um die Zukunft der abgasfreien Mobilität. Sie versucht mit aller Kraft einen Schutzzaun um eine absehbar veraltete Technologie zu ziehen. Die nun öffentlich gemachten Vorwürfe über Kartellabsprachen und die Selbstanzeigen von Daimler und Volkswagen setzen den Abgasskandal in einer völlig neuen Dimension fort.

Die Bundesregierung wird wie von Ihnen beschrieben vermutlich ein weiteres Mal klein beigeben und sich vom Schreckgespenst der Arbeitsplätze in die Knie zwingen lassen. Niemand sollte seinen Job verlieren, aber mit kluger und konsequenter Wirtschafts- und Innovationspolitik wäre man meiner Meinung nach gar nicht erst in diese erpressbare Lage gekommen!

Viele Städte sind extrem durch giftige Stickoxide belastet. Für all jene Menschen, die an viel befahrenen Straßen wohnen und die Abgase schmutziger Diesel-Pkw einatmen, hat die Große Koalition bisher nichts getan und sie stattdessen sehenden Auges großen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Ebenso im Stich gelassen wurden die Besitzerinnen und Besitzer von Dieselautos, die im Vertrauen auf die Aussagen der Autoindustrie vermeintlich umweltfreundlichere Diesel fahren wollten. Nun drohen Wertminderungen und Fahrverbote. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat bisher nichts zu Aufklärung eines der größten Industrieskandale der Bundesrepublik beigetragen. Er ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Da Dobrindt der weiteren Aufklärung im Weg steht, gehört die Verantwortung für die Gespräche am 2. August zur Nachrüstung der Fahrzeuge ins Kanzleramt.

Es ist ein Konstruktionsfehler des „Nationalen Forums Diesel“, dass die Verbraucherschutz-und Umweltorganisationen nicht beteiligt werden. Künftig gehören diese neben Bundes- und Landesregierungen sowie den Vertretern der Automobilwirtschaft an einen Runden Tisch.

Die Automobilwirtschaft steht vor dem größten Veränderungsprozess ihrer 125-jährigen Geschichte.

Deutsche Hersteller dürfen den Anschluss nicht verlieren. Mit ihrem Zögern und Zaudern schaden CDU/CSU und SPD Ansehen und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilwirtschaft. Der Versuch, die Hersteller vom äußeren Innovationsdruck oder gar dem Einhalten gesetzlicher Vorschriften abzuschirmen, ist zum Scheitern verurteilt. Indem man der Automobilindustrie also über Jahzehnte hinweg Ausnahmen hat durchgehen lassen und sich schützend vor sie gestellt hat, haben SPD und CDU ihnen in Wahrheit einen Bärendienst erwiesen. Innvoation wurde verhindert und die ungenutzte Innovationskraft wurde für die kriminelle Verschleierung der eigenen Regelwidrigkeit genutzt.

Es darf keine Ausnahmeregelungen geben! Ganz normale Firmen aus dem Mittelstandt werden ebenfalls nicht entsprechend unterstützt – warum sollte man der Automobilindustrie unerlaubte Praktiken durchgehen lassen? Es geht um nicht weniger, als eine Kernindustrie unseres Landes mit über 800.000 Arbeitsplätzen fit zu machen für den Markt von morgen. Mit der Mission E sorgen wir dafür, dass Deutschland zum Schaufenster der besten Umwelt- und Effizienztechnologien und das abgasfreie Auto zum Exportschlager wird. DAMIT bewahrt man Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft über einige wenige Jahre hinaus. Das geschieht mit klarer Kante und mit eindeutigen gesetzlichen Regelungen, die Planungssicherheit schaffen und nicht mit manischem Umschmeicheln, behüten und in-Watte-packen der Autoindustrie. Die Samthandschuhe müssen ausgezogen werden – in der Werkstatt arbeitet man mit richtigen Handschuhen! Es wird Belastungen für die Automobilindustrie geben müssen und diese können von ihnen nicht immer weitergeschoben werden, weil die Alternative ist, dass die öffentliche Hand diese Transformationskosten trägt. Es kann nicht sein, dass Gewinne stets privatisiert und nötige Ausgaben externalisiert und sozialisiert werden. So kann es nicht weiter gehen und das müssen wir in diesem Wahlkampf klar machen!

Wir müssen es darüber hinaus schaffen, das Momentum dieses Skandals zu nutzen und unabhängig von Antriebstechnologien dafür werben, dass mehr ÖPNV unterstützt wird! Schon immer haben wir uns dafür eingesetzt und die Politik in diesem Sinne vor uns her getrieben. Die breite Bevölkerung wird einsehen, dass im Sinne ihrer eigenen Gesundheit Mobilität endlich neu gedacht werden muss. Und das Auto kann nicht im Zentrum der notwendigen Verkehrswende stehen.

Mit den besten Wünschen

Misbah Khan

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